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Anders als bei der Wahl zum Stadtrat, sind die Wahlen zu den Bezirksvertretungen (BV) reine Listenwahlen, bei denen die Personen aus einer (Partei)-Liste – wie auch im Stadtrat – in aller Regel eine Bezirksfraktion bilden.

Diese können mit anderen Bezirksfraktionen eine Kooperation eingehen, wie in Mönchengladbach eine „Ampel“-Kooperation.

Bezirksfraktionen sind formal vollkommen eigenständig und nicht vom Votum der Stadtratsfraktion oder deren Fraktionsspitzen abhängig.

Scheidet ein Mitglied einer (Partei)-Liste aus, ist es obligatorisch, dass die nächste Person aus dieser Liste „nachrückt“ und Mitglied der Bezirksfraktion der Partei (und damit auch Mitglied der Kooperation) wird.

Während in den Bezirksvertretungen Ost, Süd und West die Ampel-Kooperationen seit der Kommunalwahl 2020 über „eigene“ Mehrheiten verfügen, ändern sich durch den Rückzug des Grünen-Bezirksvertreters Klaus Barthels die Mehrheitsverhältnisse in der Bezirksvertretung Nord.

Denn: Die Grünen wollen die Nachrückerin von Klaus Barthels, Eva Engelken, nicht in die Bezirksfraktion Nord aufnehmen, womit sie – die Bezirksfraktion – und damit auch die Ampel-Bezirkskooperation Nord eine Stimme verliert.

Engelken steht dem von der Partei angestrebten „Selbstbestimmungsgesetz“ kritisch gegenüber und nimmt auch öffentlich kein Blatt vor dem Mund.

Gründe für die Weigerung der Grünen, Engelken in die Bezirksfraktion zu integrieren, nannten die Grünen in dieser Pressemitteilung.

PRESSEMITTEILUNG der Grünen vom 28.06.2023: "Mönchengladbacher Grünen positionieren sich gegen eine künftige Zusammenarbeit mit einem eigenen Mitglied in der Bezirksvertretung Nord"

» Wir als Bündnis 90/Die Grünen Mönchengladbach distanzieren uns auf jeder Ebene von Eva Engelken und schließen eine Zusammenarbeit mit ihr weiterhin aus.

Hiermit bekräftigen wir unser Statement vom 31. Mai 2022“, macht der Grünen Sprecher Niklas Langmaack deutlich.

In dem Statement distanzierten sich die Grünen damals gegen die Aussagen und den Auftritt von Frau Engelken bei stern TV.

Ebenfalls bestätigte die Ratsfraktion in ihrer Sitzung vom 12.06.2023 ihren Beschluss vom 24.01.2022, dass im Falle eines Nachrückens in den Rat, Frau Engelken kein Teil der Grünen Fraktion sein wird.

Diesem Beschluss schließt sich nun auch die Fraktion der Bezirksvertretung Nord an.

Durch einen Tweet auf Twitter von Eva Engelken am 26.6.2023 ist der Eindruck entstanden, dass eine zukünftige Zusammenarbeit mit der Bezirksvertretungsfraktion und Frau Engelken beschlossen wurde.

„Dies entspricht nicht der Wahrheit“, ergänzt Langmaack.

„Die Gründe für diese Entscheidung sind schon lange gefallen und wir sehen auch keinen Anhaltspunkt dafür, dies zu revidieren.

Auch mögliche Auswirkungen auf die Mehrheitsverhältnisse im Rat oder BV Nord sind keine hinreichenden Gründe für uns, unsere Haltung zu überdenken“, bekräftigt die Co-Sprecherin Beate Wyen.

In einem Blogeintrag vom 13. Januar 2023 gibt Frau Engelken der Aktion „#EsReicht! Keine Frauenstimme für Grün“ eine große Reichweite.

Das Statement wird von Frau Engelken mit den Worten „Ich bin Mitglied der Grünen, aber ich verweigere der Partei so lange meine Stimme, bis die frauenfeindlichen Positionen/Beschlüsse korrigiert sind“ mitunterzeichnet.

Mit “frauenfeindlichen Positionen” bezieht sich Frau Engelken auf das angestrebte Selbstbestimmungsgesetz auf Bundesebene, welches eine neue Rechtsgrundlage für eine vereinfachte Namensänderung und die Berichtigung des Geschlechtseintrags schaffen wird und so den alltäglichen Kampf um Anerkennung vieler Menschen erleichtern soll.

„Frau Engelken nutzt zudem ihre öffentliche Präsenz, um verletzende Äußerungen gegenüber trans Personen zu verbreiten und aktiv gegen die Grüne Partei zu werben. Für uns steht fest, jeder Mensch hat das Recht auf Selbstbestimmung.

Eine Zusammenarbeit, bei der mutmaßlich die Stimme auch für grüne Themen innerhalb des Rates und der BV Nord verweigert wird, ist unter diesen Voraussetzungen nicht gegeben und lässt nicht auf ein kollegiales Miteinander schließen“, erklärt Co-Fraktionsvorsitzende der Bezirksvertretung Nord Marion Manske. «

(ENDE der Pressemitteilung)

 

Folge dieser Entscheidung ist, dass die Ampel-Kooperation in der BV Nord keine „eigene“ Mehrheit mehr hat.

Das wiederum bedeutet, dass die Ampel-Kooperation ihre Ziele und Vorstellungen für den Bezirk Nord nur durchsetzen kann, wenn die Vertreter von DIE LINKE und/oder DIE FRAKTION entsprechenden Ampel-Anträgen zustimmen würden, wenn man unterstellt, dass die CDU der Ampel-Kooperation nicht „beispringen“ wird.

Fatal für die Grünen und ihre einzige Bezirksvorsteherin Monika Halverscheid wäre außerdem, wenn die CDU versuchen würde, den Posten des Bezirksvorstehers „zurückzuerobern“ und damit Erfolg hätte.

Warum Klaus Barthels seine Ämter zurückgegeben hat, war nicht zu erfahren; er war nicht zu erreichen.

Es gab nachvollziehbare Anzeichen dafür, dass gesundheitliche Gründe den Ausschlag gegeben haben.

Dass Barthels darüber hinaus auch seine Mitgliedschaft bei B90/Die Grünen beendete, gibt jedoch Anlass zur Annahme, dass es (weitere) Gründe gab, die in der Grünen-Partei zu suchen sind.

Offenbar haben in diesem Jahr auch andere Funktionsträger der Mönchengladbacher Grünen die Partei verlassen, wie beispielsweise Martin Wirtz, der nach dem überraschenden Rücktritt seiner Co-Partei-Vorsitzenden Anita Parker alleine den Partei-Vorsitz innehatte, diesen mit der diesjährigen Mitgliederversammlung im Februar an einen neuen Parteivorstand aus Beate Wyen und Niklas Langmaack abgab und danach aus der Partei austrat.

Auch Wirtz war nicht mehr zu erreichen.

An einen Austritt aus B90/Die Grünen dacht die „Nachrückerin“ in der BV Nord Eva Engelken nicht.

In der Vergangenheit hatten einige Mönchengladbacher Grüne versucht, sie zum Austritt zu bewegen; auch ein Parteiausschlussverfahren wurde diskutiert.

Zum Hintergrund

Will man versuchen, die Kontroversen zwischen Teilen der grünen Mönchengladbacher Partei und Fraktion und Engelken zu verstehen, kann dieser Ausschnitt aus der Pressemitteilung möglicherweise helfen:

» Mit “frauenfeindlichen Positionen” bezieht sich Frau Engelken auf das angestrebte Selbstbestimmungsgesetz auf Bundesebene, welches eine neue Rechtsgrundlage für eine vereinfachte Namensänderung und die Berichtigung des Geschlechtseintrags schaffen wird und so den alltäglichen Kampf um Anerkennung vieler Menschen erleichtern soll. « (Zitat Ende)

Das „angestrebte Selbstbestimmungsgesetz“ soll – vereinfacht beschrieben – Personen, die sich weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zugehörig fühlen (nichtbinäre Personen), die Möglichkeit eröffnen, ohne Gutachten gegenüber dem Standesamt die Änderung des Geschlechtseintrags zu erklären.

Der gemeinsame Referentenentwurf von Bundesjustiz- und Bundesfamilienministerium beschreibt das Ziel des Gesetzes über die Selbstbestimmung in Bezug auf den Geschlechtseintrag (SBGG) so:

» (1) Ziel dieses Gesetzes ist es,

  1. die personenstandsrechtliche Geschlechtszuordnung und die Vornamenswahl von der Einschätzung dritter Personen zu lösen und die Selbstbestimmung der betroffenen Person zu stärken,
  2. das Recht jeder Person auf Achtung und respektvolle Behandlung in Bezug auf die Geschlechtsidentität zu verwirklichen.

(2) Medizinische Maßnahmen werden in diesem Gesetz nicht geregelt. « (Zitat Ende)

Sehr zum Unmut von B90/Die Grünen macht die 1971 geborene Juristin Engelken in unterschiedlichsten Medien dagegen öffentlich mobil und wiederholt den Vorwurf, die Grünen seien lang nicht so feministisch, wie sie nach außen behaupten würden.

Bundesweites Aufsehen erregte im Jahr 2021 ein Fall aus dem Grünen-Kreisverband Reutlingen, als sich das männliche Mitglied David Allison auf einem Kreisparteitag sich selbst als Frau definierte und damit für einen „frauen-quotierten“ Vorstandsposten kandidierte.

Allison berief sich auf das am 16.11.2019 angepasste „Frauenstatut“ der Bundesgrünen, nach dem von dem Begriff ‚Frauen‘ all jene erfasst werden, die sich selbst so definieren.

Der „Fall Allison“ beschäftigte sowohl das Landesschieds- als auch das Bundesschiedsgericht der Grünen.

(c) BZMG

Fakt: Im September 2021 verlor Allison seinen Job als wissenschaftlicher Mitarbeiter einer grünen Landtagsabgeordneten und wurde sofort freigestellt.

Wie die Frankfurter Allgemeine im gleichen Monat mitteilte, war die Landtagsabgeordnete nicht bereit, etwas zu dieser Kündigung zu sagen.

(c) BZMG

Es ist das gute Recht – beispielseise von Parteien – durch Satzungen und Statuten das gedeihliche Miteinander sicherstellen zu wollen.

Daran haben sich Personen zu orientieren, die einer Partei beitreten und sich politisch aktiv einbringen wollen.

Andererseits hat ein Parteivorstand spätestens dann kritisch zu eruieren, wie Neu-Mitglieder als potenzielle Kandidaten für politische Ämter in Betracht kommen, wie sie zu ganz speziellen Attributen von Satzung und Statut stehen.

Potenzielle Kandidaten tauchen nicht aus dem Nichts auf.

Professionell arbeitende Vorstände führen Gespräche und machen sich ein Bild von den Intentionen der Person, die die Partei und ihre Ziele über kurz oder lang repräsentieren könnten.

Je höher eine Person auf einer politischen Liste positioniert wird, umso größer ich die Wahrscheinlichkeit, dass sie irgendwann ein Anrecht auf ein politisches Mandat erwirbt, wenn beispielsweise ein vorher „rangierender“ Mandatsträger durch Krankheit, Wegzug oder aus anderen Gründen nicht mehr zur Verfügung steht und „ersetzt“ werden muss.

Genau in diese Situation hat sich der damalige Parteivorstand der Mönchengladbacher Grünen in Person von Anita Parker und Thomas Diehl begeben, als er im März 2020 ihre Kandidatenlisten für Rat und Bezirksvertretungen zur Abstimmung stellten.

Eva Engelken wurde auf Platz 6 der Liste zur BV Nord und auf Platz 17 der Reserveliste zum Rat gewählt.

Nun hätte man vom damaligen Parteivorstand keine hellseherischen Fähigkeiten erwarten können, Weitsicht wäre jedoch  angesichts der erkennbaren Positionierung Engelkens u.a. zum 2019 angepassten Frauenstatut von B90/Die Grünen angebracht gewesen.

Ob Eva Engelken mit ihren Positionen Recht hat oder nicht, ist an dieser Stelle irrelevant.

Relevant ist jedoch, dass die beiden damaligen Parteisprecher nicht mehr im Amt sind und die beiden neuen, nämlich Beate Wyen und Niklas Langmaack, die damals angerührte Suppe nun „auslöffeln“ müssen, obwohl sie erst seit Kurzem Grünen-Mitglieder sind.

Vor diesem Hintergrund verwundert es dann doch, dass sich beide in der Pressemitteilung äußerten … oder wurden sie stilwahrend darum „gebeten“?

Wer auch immer in Partei und/oder Fraktion verhindert hat, dass man in der Causa Engelken „über Schatten springt“ und die Nachrückerin dennoch in die Bezirksfraktion aufnimmt, nimmt „billigend in Kauf“ (wie Juristen sagen würden), dass die Ampel in gewisser Weise „erpressbar“ wird.

Besser wäre es sicherlich gewesen, die restlichen zwei Jahre bis zur Kommunalwahl 2025 zuzuwarten und die Ampel-Kooperation und deren Ziele nicht wegen einer solchen ideologisch geprägten (kommunalpolitischen) Petitesse auf Spiel zu setzen.