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Ganze 20 Minuten dauerte der öffentliche Teil der Sondersitzung des Hauptausschusses am 22.04.2020im Kaisersaal von Haus Erholung.

Diese Sitzung wurde vom Verwaltungsvorstandes als erforderlich angesehen, weil auf Grund der Corona-Krise alle Gremiensitzungen des laufenden Ratszuges abgesagt werden mussten und deren Tagesordnungspunkte in den kommenden Ratszug verschoben werden sollen.

So erklärte OB Hans Wilhelm Reiners (CDU) am Ende der Sondersitzung auch, dass der kommende Ratszug „planmäßig“ mit den Sitzungen der Bezirksvertretungen beginnen werde; mehrfach betonte er jedoch, dies sei „Stand heute!“

Die Tagesordnung des Öffentlichen Teil beschränkte sich auf fünf Tageordnungspunkte, die so dringlich zu behandeln seien, dass die Entscheidungen nicht bis zur nächsten (planmäßigen) Ratssitzung am 17.06.2020 hätten warten können.

Zum rechtlichen Hintergrund

Es kann vorkommen, dass Entscheidungen eines Stadtrates über Angelegenheiten anstehen, die besonders eilbedürftig sind und ansonsten erhebliche Nachteile oder Gefahren entstehen können.

Für solche Fälle gibt die Gemeineordnung NRW (GO) in §60 Abs. 1 die Möglichkeit, eine Dringlichkeitsentscheidung durch einen „anderen Entscheidungsträger“ anstelle des eigentlich zuständigen Stadtrates herbeiführen zu lassen:

Initiator einer solchen „Dringlichkeitsentscheidung“ ist in aller Regel die Verwaltung und im Falle von Mönchengladbach der Hauptverwaltungsbeamte.

Bei den drohenden Nachteilen und Gefahren muss es sich um objektive Sachgründe von einigem Gewicht handeln.

Hierzu gehören Katastrophen, öffentliche Notstände, finanziell gewichtige Nachteile oder der drohende Verlust eines gerichtlichen Verfahrens wegen Fristablaufs.

Keinesfalls rechtfertigen politische Gründe eine Dringlichkeitsentscheidung.

Zu den Inhalten der Dringlichkeitsentscheidungen am 22.04.2020

Im Vorfeld zur Sondersitzung des Hauptausschusses am 22.04.2020 hat es eine Abstimmung zwischen OB Reiners und den Fraktionsvorsitzenden gegeben, dass es keine ausführlichen Debatten geben und die Redezeit auf ein Minute beschränkt werden sollte.

Darüber hinaus hatten die Fraktionen im Vorfeld zu dieser öffentlichen Sitzung schriftliche Fragen zu den Tagesordnungspunkten (TOP) an die Verwaltung gestellt, die zwar beantwortet, öffentlich jedoch nicht bekanntgegeben wurden.

Es bleibt abzuwarten, ob die Verwaltung der Bitte von Torben Schultz (DIE LINKE) folgt, dass diese Korrespondenzen den jeweiligen Genehmigungsvorlagen für die nächsten Ratssitzung (17.06.2020) beigefügt werden und dies nicht nur für den von Schultz angesprochenen TOP, sondern für sämtliche Dringlichkeitsentscheidungen.

 

Zu TOP 1: Begleichung der Rückforderung der Landesmittel für 2019 geplante, aber nicht eingerichteter Betreuungsplätze • Bildung einer Verbindlichkeit im Jahresabschluss 2019 in Höhe von ca. 3,65 Mio. EURO

Beschluss: einstimmig

Einschätzung: Verpflichtung besteht.

Ob dieser Beschluss wirklich „dringlich“ war und nicht auch erst in der nächsten Ratssitzung hätte getroffen werden können, konnte der Beratungsvorlage nicht entnommen werden.

 

Zu TOP 2: Bereitstellung über- bzw. außerplanmäßiger Haushaltsmittel 2019 zur Begleichung des Öffentlichkeitsanteils Straßen und Gebühren Friedhöfe an die mags AöR

Beschluss: mehrheitliche Zustimmung (eine Gegenstimme)

Einschätzung: Verpflichtung besteht.

Mit diesem TOP sollte ein buchhalterischer Planungsfehler der Verwaltung „geheilt“ werden. Ob dieser Beschluss wirklich „dringlich“ war und nicht auch erst in der nächsten Ratssitzung hätte getroffen werden können, konnte der Beratungsvorlage nicht entnommen werden.

 

Zu TOP 3: Bereitstellung außerplanmäßiger Haushaltsmittel 2019 für die Altlastensanierung im Stadtgebiet Mönchengladbach

Beschluss: einstimmig

Einschätzung: Verpflichtung besteht.

Die fachlich begründete „Dringlichkeit“ im Sinne §60 GO NRW konnte der Beratungsvorlage nicht entnommen werden. Außerdem fehlte die in der Vorlage angesprochene Auflistung der Maßnahmen, woraus mögliche Dringlichkeiten hätten abgeleitet werden können.

 

Zu TOP 4: Einrichtung weiterer OGATA-Plätze • Bereitstellung zusätzlicher Finanzmittel

Beschluss: einstimmig

Einschätzung: Verpflichtung besteht.

„Dringlichkeit“ im Sinne §60 GO NRW hätte durch fach- und sachgerechte Vorplanung vermieden werden können, erscheint jedoch in der vorliegenden Situation (Beginn des Schuljahres 2020/2021) tolerabel.

Die BV Nord und Süd hatten zuständigkeitshalber ihrerseits Dringlichkeitsentscheidungen (Bezirksvorsteher & ein Mitglied der BV) getroffen.

Zu TOP 5: Stellungnahme der Stadt Mönchengladbach zum Entwurf für das Wirtschafts- und Strukturprogramm für das Rheinische Revier (WSP 1.0)

Beschluss: mehrheitlich (CDU & SPD), drei Gegenstimmen

(c) BZMG

Einschätzung:

Dass dieses Thema überhaupt in dieser Sondersitzung unter dem Aspekt „Dringlichkeit nach §60 GO NRW behandelt wurde, ist nicht nachvollziehbar.

In „normalen Zeiten“ hätte es zu dem 11 Seiten starken Entwurf der Stellungnahme eine eingehende Diskussion in den Bezirksvertretungen und in den zuständigen Ausschüssen und letztlich im Stadtrat gegeben.

Für das Erreichen des in der Beratungsvorlage zum genannten Abgabetermin 30.06.2020 hätte die Ratssitzung am 17.06.2020 vollkommen ausgereicht.

„Drohende Nachteile oder Gefahren“ und/oder andere objektive Sachgründe von einigem Gewicht (Katastrophen, öffentliche Notstände, finanziell gewichtige Nachteile oder der drohende Verlust eines gerichtlichen Verfahrens wegen Fristablaufs) sind weder erkennbar, noch wurden sie in der Hauptausschussitzung kommuniziert.

Die in der Begründung angeführte Bürgerbeteiligung suggeriert, dass es sich dabei um einen Verfahrensinhalt handelt, der „spätestens am 04.05.2020 gestartet werden“ müsse.

Dieser vermeintliche „Zwangstermin“ wurde vom Planungsdezernenten Dr. Gregor Bonin in der Sondersitzung des Hauptausschusses ausdrücklich relativiert, indem er deutlich machte, dass im „Einreichungsverfahren“ eine Beteiligung der Bürgerschaft gar nicht vorgeschrieben sei und diese aus eigenem Antrieb heraus durchgeführt werde.

So löblich eine Bürgerbeteiligung (auch an dieser Stelle) sein mag, scheinen die Beweggründe jedoch darin gelegen zu haben, dass seitens der Verwaltung eine ausführliche Diskussion der Stellungnahme in den politischen Gremien nicht gewünscht und auf dem (Um-)Weg über eine „Dringlichkeitsentscheidung“ (zunächst) ausgeschlossen und so Fakten geschaffen werden  konnten.

Auch diese „Dringlichkeitsentscheidung“ muss am 17.06.2020 vom Stadtrat noch genehmigt werden.

Vor dem Hintergrund der Tatsache, dass sowohl B90/Die Grünen als auch DIE LINKE in der Sondersitzung des Hauptausschusses aus inhaltlichen Gründen gegen diese Entscheidung gestimmt haben, könnte es in der nächsten Ratssitzung dennoch zu inhaltlichen Debatten kommen.

Zum Rahmen der Hauptausschusssitzung

Obwohl es keinen „CORONA-Dresscode“ gab, hatten sich viele der Ausschussmitglieder mit Mund-Nasen-Schutz ausgerüstet und diese bei Einzelgesprächen, wie hier zwischen Grünen-Fraktionschef Karl Sasserath und Sozialdezernentin Dörthe Schall, auch und mit entsprechendem Abstand genutzt.

Schall war auch die einzige aus dem Verwaltungsvorstand, die diese Schutzmaßnahmen praktizierte, obwohl einige von ihnen durchaus zur „Risikogruppe“ zu zählen sind.

Dass jeder Teilnehmer an einem „eigenen“ Tisch saß, sorgte für genügend Abstand, so dass während der Sitzung auf den Mund-Nase-Schutz verzichtet werden konnte.

Sollte der nächste Ratszug (beginnend am 12.05.2020) mit der Sitzung der BV West) tatsächlich stattfinden, steht die Verwaltung vor der logistischen Herausforderungen, geeignete Versammlungsorte und -ausstattungen zu beschaffen.

Denn es ist kaum anzunehmen, dass bis dahin die Abstandsregel von 1,5 Meter aufgehoben sein wird.

Für Ausschüsse mit großen Teilnehmerzahlen, wie Sozialausschuss, Jugendhilfeausschuss und Planungs- und Bauausschuss und auch für den Stadtrat dürften die angestammten Örtlichkeiten kaum geeignet sein.

Mindestens diese Gremiensitzung müssten dann wohl in Sport- und Mehrzweckhallen durchgeführt werden, die in der aktuellen Situation durch Schulen kaum genutzt werden.

Das alles immer unter der Voraussetzung, dass der Ratszug überhaupt stattfinden kann.