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Sie zählte sicherlich zu den aufwändigsten Veranstaltungsvorbereitungen, die der ADFC Mönchengladbach bislang zu betreiben hatte: Das Forum Stadtverkehr#4.

Die Planungen begannen nach Angabe von Thomas Maria Claßen, im ADFC-Vorstand zuständig für die Öffentlichkeitsarbeit, schon im Februar.

Und dann kam CORONA und erst eine Woche vor der Veranstaltung in der City-Kirche in Mönchengladbach am 23.06.2020 die Genehmigung, dass das Forum mit einer Begrenzung auf 100 Teilnehmer stattfinden dürfe.

Die Warteschlange vor dem Eingang zur City-Kirche und die dort zahlreich abgestellten Fahrräder wiesen auf das große Interesse an dem hin.

Die Wartenden wollten miterleben, welche Statements die fünf Kandidaten für das Amt des Hauptverwaltungsbeamten (OB) von sich geben und wie sie auf Fragen aus der Zuhörerschaft reagieren würden.

Es waren neun Fragen, die die Kandidaten, von denen drei als passionierte Fahrradfahrer gelten können, zu beantworten hatten.

Bis auf einige kleine Spitzen zwischen Wolkowski und Boss und Merkens und Boss herrschte auf dem Podium insgesamt ein weitgehend harmonisches Klima. Dies mag den offensichtlich guten „rheinisch-persönlichen“ Beziehungen zwischen den Herren Heinrichs, Wolkowski, Dahlmanns und Merkens geschuldet sein, die durch das Anreden mit den Vornamen zum Ausdruck kamen.

So bemerkte Thomas Maria Claßen, der durch die Veranstaltung führte, am Ende, dass er etwas Wahlkampf herausgehört, jedoch auf der Bühne doch noch relativ viel „Kooperationsfrieden“ festgestellt habe.

Nachfolgend Ausschnitte aus der etwa 90 minütigen Veranstaltung mit den Statements der fünf Kandidaten zu den Fragestellungen zu diesen neun Themenbereichen.

(c) BZMG

Auch wenn es zu den einzelnen Videos kurze Extrakte gibt, wird dringend empfohlen, sich durch das Anhören der Statements und das Beobachten von Gestik und Mimik ein vollständiges Bild von den Kandidaten zu machen.

1. Einleitung • Anreise wie? (Thomas Maria Claßen)

Sozusagen als „Eisbrecher“ fungierte Thomas Maria Claßen mit der durchaus zu erwartenden Einstiegsfrage an die Kandidaten, mit welchem Verkehrsmittel sie angereist seien.

Lediglich Frank Boss war mit dem Pkw angereist, weil er – wie er sehr ausführlich beschrieb – vorher noch Termine in Köln und Düsseldorf hätte wahrnehmen müssen.

Die übrigen Podiumsteilnehmer waren mit dem Fahrrad und/oder zu Fuß gekommen.

2. Drei konkrete Fahrrad-Projekte im kommenden Jahr? (Borgard Färber)

ADFC-Vorstandmitglied Borgard Färber fragte die fünf Kandidaten nach drei konkreten Projekten, die sie für den Fall ihrer Wahl zum Verwaltungschef im kommenden Jahr realisieren wollten, um Anreize zu schaffen, dass mehr Bürger das Fahrrad benutzen würden.

Wirklich „konkret für das kommende Jahr“ wurden nur wenige der Kandidaten. Einige riefen „Vorhaben“ ins Gedächtnis, die in der laufenden Ratsperiode und/oder schon in den vergangenen Wochen thematisiert wurden und/oder in Wahlprogrammen zu finden sind.

Boss nannte den Radschnellweg von Rheindahlen in den Nordpark, „Radstellboxen“ und eine Veränderung des Modalsplit zugunsten des Fahrrades.

Er stellte die Öffnung weiterer Einbahnstraßen in gegenläufiger Richtung für den Radverkehr in Aussicht.

Heinrichs will sich dafür einsetzen, das „Alltagsradnetz“ in der Stadt besser zu machen, eine Fahrradroute von Rheydt in den Nordpark planen und mehr „sichere“ Abstellmöglichkeiten für Fahrräder schaffen.

Ein „vernünftiger“ Radweg an der Hohenzollernstraße ist ein Projekt, das Wolkowski vorantreiben möchte. Außerdem möchte er das Santander-Nextbike Projekt in die Außenbezirke der Stadt bringen und den Radschnellweg über Rheindahlen hinaus in Richtung Roermond ausbauen.

Auch Dahlmanns sieht die Notwendigkeit für mehr abschließbare Abstellmöglichkeiten für Fahrräder in den Innenstadtbereichen, möchte den Radschnellweg in Richtung Krefeld vorantreiben und das Nextbike-Angebot erweitern, damit auch für Bewohner außerhalb der Stadtzentren eine Nutzung des Verkehrsmixes ÖPNV/Leihfahrrad überhaupt erst möglich wird.

Merkens mochte die genannten Projekte nicht wiederholen, stellte jedoch in Aussicht, dass es in fünf Jahren wesentlich mehr und bessere Radwege geben würde, meinte aber, dass man die „Versprechen“, die bislang auf dem Podium gemacht wurden, äußerst kritisch „begleiten“ werde.

3. Folgen der Baustelle „Brücke Viersener Straße“ für Radfahrer und Anrainer (Susanne Jud)

Susanne Jud, Initiatorin der Gruppe „Dìe AlltagsRadler“, wurde von Claßen als Gründungsmitglied der Initiative „Brücke Bettrather Straße“ vorgestellt.

Bevor Jud zu der eigentlichen Problembeschreibung durch Baumaßnahmen an der Brücke Viersener Straße im kommenden Jahr kam, erklärte sie, dass die Radinfrastruktur in Mönchengladbach inakzeptabel sei und im Vergleich mit den Niederlanden die Note 6 verdiene. Dies sei politisch so gewollt und keine Folge deutscher Regeln.

Auf den Straßen im Umfeld der Baustelle Brücke Viersener Straße werde es im nächsten Jahr zu erheblichen Belastungen für die Anwohner durch zusätzlichen Kfz-Verkehr in diesem Gebiet kommen. Jud wollte von den Kandidaten wissen, was sie unternehmen würden, um die Sicherheit für die Fahrradfahrer zu gewährleisten, gerade auch im Sinne des fließenden Autoverkehrs.

Merkens sah die einzige Möglichkeit, der Problematik zu begegnen, auf den Straßen „Platz zu schaffen“, was bedeute, dass Parkplätze wegfallen müssten, was wiederum zu anderen „Verschiebungen“ führen würde.

Auch Dahlmanns konnte „nur“ seiner Hoffnung Ausdruck verleihen, dass die Baumaßnahme reibungslos abgewickelt werden kann und verwies mit Blick auf den Fahrradverkehr darauf hin, dass die Brücke Bettrather Straße noch stehe und erhalten bliebe, so dass mindestens dort eine Fahrmöglichkeit für Radfahrer existiere.

Eine temporäre „Protected-bike-line“ war für Wolkowski ein Lösungsansatz, um Radfahrer an kritischen Straßenabschnitten durch einen „eigenen Raum“ zu schützen. Darüber hinaus sollte mindestens für die Bauzeit eine Tempo-30-Zone auf der stark befahrenen Lindenstraße eingerichtet sowie die Hagelkreuz- und die Beethovenstraße für den Radverkehr in gegenläufiger Richtung freigegeben werden.

Heinrichs nutzte die Fragestellung dazu, auf die generelle Problematik hinzuweisen, wie in der Stadt mit Blick auf die Fahrradfahrer und Fußgänger bei Baustellen umzugehen habe. Auch Heinrichs sah in einer „Protected-bike-line“ einen gangbaren Lösungsweg, erteilte der Möglichkeit der Öffnung von Einbahnstraßen in gegenläufiger Richtung jedoch eine Absage.

„Nicht die Rechnung ohne den Wirt machen“, will Boss. Mit „Wirt“ meinte er Fachleute aus der Verwaltung, die von der Problematik Ahnung hätten. Diese wolle er konsultieren, spricht von einer „intelligenten Baustelle“ und würde (auch) „externe“ Fachleute, wie den ADFC einbinden.

4. Erhöhung des Radverkehrs im Modal-Split in Mönchengladbach von derzeit 6% (Lin Großmann)

Seit Jahrzehnten werden die Verkehrsplanungen in Mönchengladbach immer wiederkehrend von erheblichen Diskussionen über die  Anteile der einzelnen Verkehrsarten begleitet.

Fuß- und Radverkehr „dümpeln“ dabei jeweils immer im einstelligen %-Bereich, wobei der Anteil des MIV vielfach über 60% lag.

Auch vor dem Hintergrund, dass das Land NRW die Zielmarke von 25% für den Radverkehr bis 2025 vorgegeben hat, wollte Lin Großmann von der Initiative „Radentscheid Mönchengladbach“ von den Kandidaten wissen, welche Gründe für die aktuell 6 bis 7%-Radverkehr-Anteil in Mönchengladbach es gebe und was sie in den nächsten 5 Jahren zu unternehmen gedenken, die NRW-Zielmarke zu erreichen.

Heinrichs warf den „Ball“ symbolisch zurück, indem er erklärte, dass das Umdenken von den Menschen „getrieben“ werden müsse, weil es nichts nütze, wenn Politiker etwas vorgeben und die Menschen dies nicht akzeptieren würden. Er setzt auf ein Monitoring, aus dem hervorgehe, mit welchen Maßnahmen welche Erfolge zu erzielen seien. Für ihn stehe Sicherheit an erster Stelle und die Hoffnung auf Landesmittel.

Das von Heinrichs erwähnte „Monitoring“ hält Wolkowski für unnötig und verweist auf den seit 2017 existierenden „Masterplan Nahmobilität“, an dessen Umsetzung die aktuelle Ratsmehrheit aus CDU und SPD nicht gearbeitet habe. Im Übrigen seien Gelder im Haushalt eingestellt, jedoch nicht zweckentsprechend eingesetzt, sondern für neue Fahrradbügel und Schilder ausgegeben worden. Das bringe nichts für die Verbesserungen der Radwege als solche. Man müsse „nur“ die Punkte des Masterplans angehen, dann würde man vielleicht eine Verdopplung des aktuellen Anteils erreichen, 25% würden jedoch nicht erreichbar sein.

Für Dahlmanns ist es Aufgabe des Verwaltungschefs, dafür zu sorgen, dass bei den Verkehrsplanungen der Personaleinsatz statt für die Gestaltung von Kreuzungen für den Autoverkehr stärker auf die Radverkehrsplanung konzentriert wird.

„Es ist weniger eine Frage des Geldes als eine Frage der Haltung“, meint Merkens und zielt dabei auf die politischen Mehrheiten in den letzten Jahren/Jahrzehnten. Es könne sich nur etwas ändern, wenn die Prioritäten verändern würden. Als Beispiel nannte er das verstärkt umgesetzte und vielfach nicht wirklich funktionierende „indirekte Linksabbiegen“ für Radfahrer.

Als letzter bei dieser Fragestellung lenkte Boss (erneut) den Blick auf Landespolitik, wo nunmehr ein „Radgesetz“ auf den Weg gebracht würde. Es sei Aufgabe des Oberbürgermeisters Gelder „vom Land zu holen“. Er selbst habe gute Möglichkeiten. Als Landtagsabgeordneter kenne er die Wege. Eine Aussage dazu, wie er als Verwaltungschef agieren würde, den Anteil des Radverkehrs am Modal-Split zu erhöhen, gab Boss nicht.

5. "Beim ADFC-Klimatest 2018 belegt Mönchengladbach den vorletzten Rang ..." (Stephan Terhorst)

Stephan Terhorst (stellv. Vorsitzender des ADFC Mönchengladbach) erinnerte daran, dass die Stadt Mönchengladbach bei zweijährigen „ADFC-Fahrrad-Klimatest“ im Jahr 2018 den vorletzten Platz vergleichbarer Städte belegte.

Einschub der Redaktion:

   Ergebnisdarstellung auf BZMG vom 07.08.2019

Terhorst fragte die Kandidaten, was sie unternehmen würden, damit beim nächsten „Klimatest“ (im Jahr 2020) Mönchengladbach nicht wieder am Ende der Skala steht.

Für Dahlmanns ist es wichtig, dass die Menschen in Mönchengladbach das Gefühl bekommen, dass in Mönchengladbach etwas für das Fahrradfahren getan wird. Die Verwaltung habe die Aufgabe, mit Vorschlägen in Richtung Stadtrat initiativ zu werden, um entsprechende Projekte voranzutreiben. Das geschehe bisher nicht. Initiativen seitens der „Opposition“ scheiterten daran, dass es am Geld mangele, was nur „vorgeschoben“ sei.

„Wir müssen weg von der Haltung, dass wir nur dann etwas für den Fahrradfahrer tun, wenn es dem Autofahrer nicht weh tut“, begann Wolkowski sein Statement zu dieser Fragestellung. Das sei das Ergebnis falscher Weichenstellungen. Ausgaben (finanziert vom Land) für den Radverkehr seien falsch eingesetzt worden, weil damit nichts für die Radinfrastruktur getan worden wäre. Defizite sieht Wolkowski – ebenso wie seine Vorredner – im falschen Einsatz von Planungskapazitäten in der Verwaltung.

Ein wenig überraschend drehte Heinrichs „den Spieß rum“, indem er nicht erklärte, was er als (möglicher) Verwaltungschef tun würde, um ein besseres „Fahrradklima“ in Mönchengladbach zu erzielen. Stattdessen forderte er „die Menschen“ auf, für eine bessere Radinfrastruktur „auf die Straße zu gehen“.

Boss erklärte, dass der „Masterplan Nahmobilität“ auch mit ihm als Oberbürgermeister umgesetzt würde. Voraussetzung sei dazu, dass die entsprechenden Mittel akquiriert werden könnten. Besonders hob er hervor, dass weitere 43 Einbahnstraßen für den „gegenläufigen“ Radverkehr vorgesehen seien. An diesem Beispiel vermutete er, dass dies zur Verbesserung der Stadt Mönchengladbach im ADFC-Ranking führen würde. Auch bei diesem Fragenkomplex wolle er (sich wiederholend) sich „fachmännischen Rat“ auch aus den Niederlanden (Zitat: dem „Radtraumland“) holen. Dabei seien Kontakte wichtig, das nötige Geld für die Umsetzung zu beschaffen.

Für Merkens war der aktuelle Oberbürgermeister Reiners dem Fahrrad „mehr zugetan“ als sein Vorgänger Bude. Trotzdem sei in der Amtszeit Reiners‘ nichts passiert. Es läge nicht (nur) an den OB und der Verwaltung, sonder vielmehr an der Haltung der Fraktionen. Solange sich dort nichts verändere, würde sich auch die Situation für den Radverkehr in Mönchengladbach nicht verbessern. Des Übels Kern sieht Merkens darin, dass es in der CDU nicht den Willen gebe, an der aktuellen Situation etwas zu ändern.

   

6. Wie kann es zum Umdenken in Politik und Verwaltung bzgl. des Radverkehrs kommen? (Philipp Molitor)

Philipp Molitor, Mitinitiator und lange Zeit führender Kopf der Initiative Gründerzeitviertel (Eicken), engagiert sich in der Initiative für einen Radentscheid im kommenden Jahr. Wie andere fordert er ein Umdenken in Politik und Verwaltung hinsichtlich des Radfahrens in Mönchengladbach und stellt eine dementsprechende Frage. Die „Blaue Route“ ordnet er in die Kategorie „Gut gewollt, aber schlecht gemacht“ ein. In Teilen hält er sie sogar für zu gefährlich.

Wolkowski meinte, dass die Mitarbeiter in der (Fach)verwaltung schon wesentlich weiter seien, als landläufig angenommen werde. Diesen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern fehle es an einem Auftrag aus dem Rat dazu. Es fehle auch an der Unterstützung „von oben“. Daher müsse ein Oberbürgermeister eine entsprechende Direktive „mitgeben“.

Durchaus „politisch“ wurde es durch Heinrichs, der Zweifel daran hatte, dass es genügend Geld für Radwegmaßnahmen gebe und er aufgrund der finanziellen Enge im städtischen Haushalt nicht in ein „Ausspielen“ der Bedarfsfelder „Schulsanierung“ vs. „neue Radwege“ kommen wolle. Wenn es ein NRW-Radgesetz geben solle, müsse damit auch die Verpflichtung verbunden sein, dass das Land auch die Mittel dafür bereitstellt. Darüber hinaus wies er darauf hin, dass im Haushalt 300.000 EURO eingestellt waren, die jedoch in der Kämmerei für andere Dinge ausgegeben worden seien: „Das Geld war weg und musste neu in den Haushalt eingestellt werden“.

Boss plädierte erneut dafür „so viel Geld wie möglich aus dem Land herauszuholen“. Wenn das bisher noch nicht „richtig“ gemacht worden sei, wäre das ein Fehler gewesen. Boss räumte ein, das Prädikat für die CDU, eine „Autofahrerpartei“ zu sein, sei (für die Vergangenheit) zutreffend gewesen. Es sei an der Zeit, mit „großen Mehrheiten“ im Rat mehr zu bewegen.

In einer Zwischenbemerkung forderte Molitor, für Radabstellmöglichkeiten auch Parkplätze „zu opfern“. Dies habe ein Zeichen für die Priorität des Fahrrades  zu sein.

Boss erklärte, dass er diese Forderung mittragen werde.

Das Grundproblem sei in Mönchengladbach, dass man nur die „richtigen Leute“ kennen und bei ihnen „Klinken putzen“ müsse, um etwas zu erreichen, stellt Merkens fest und nannte diverse Beispiele des Mönchengladbacher Klüngels (ohne das ausdrücklich zu benennen). Versprechungen würden zwar gegeben, nicht jedoch eingehalten.

Für Dahlmanns fängt es „oben am Kopf“ an. Präsenz bei verschiedensten „Radveranstaltungen“ würde nicht ausreichen, wenn daraus für das tägliche „Arbeitsleben“ eines Verwaltungschefs nichts „mitgenommen“ werde. In allen Städten, wo es gelungen ist, die Situation zu drehen, habe meist der Oberbürgermeister sogar ortsbezogen gehandelt und angewiesen. Wenn dies nicht geschehe, werde auch nichts gelingen.

7. Brücke Bettrather Straße erhalten und sanieren anstatt neu zu bauen! (Wiltrud Spancken)

Wiltrud Spancken von der Initiative „Brücke Bettrather Straße“ zeigte kein Verständnis für die aktuellen Planungen, dass die vorhandene Brücke, die ohne weiteres für Fuß- und Radverkehre haltbar sei, durch einen Neubau ersetzt werden solle. Nachdem Beschlüsse getroffen worden waren, die Brücke ersatzlos zu entfernen, gab es in der Tat die Forderung nach einem Ersatzbauwerk; aber nur wegen des Abrissbeschlusses. Spancken machte deutlich, dass es primär um den Erhalt dieser Rad- und Fußwegverbindung gehe und dies könnte über eine sanierte Brücke schöner erreicht werden.

Boss meinte, dazu, dass „anerkannte Fachleute“ sich die Brücke angeschaut und empfohlen hätten, die Brücke zu ersetzen. Auf dieses Urteil hätte man sich in den Fraktionen verlassen müssen, weil die Politiker keine Fachleute seien. Es hätten technische und nicht vor allem wirtschaftliche Gründe zur Entscheidung für einen Neubau geführt.

„Wir können das gerne noch einmal aufrollen“, erklärt Heinrichs, obwohl er glaubt, dass der „Prozess“ schon so weit fortgeschritten ist, dass nichts mehr zu ändern sei.

Auch Wolkowski glaubt den Fachplanern, dass der Erhalt der Brücke zu teuer ist. Dieses „Rad“ sei nicht mehr zurück zu drehen. 

Dahlmanns schloss sich den Aussagen von Wolkowski an und meinte, dass „Tests“ ergeben hätten, dass die vorhandene Brücke so nicht zu erhalten sei.

Auch Merkens schätzt ein, dass eine neue Brücke nicht mehr „aufzuhalten“ sei. Er bezweifelt, dass die Realisierung „schnell“ vonstattengehen wird.

Auf die Frage „aus dem Chat“ zu dieser Brücke, warum die Brücke zukünftig auch schwere Fahrzeuge tragen müsse, sagte Heinrichs das Nacharbeiten in einem „Fakten-Check“ zu.

Wenn der Prozess jetzt gestoppt würde, wäre eine Lösung erst in vielen Jahren zu erwarten.

8. Wie viele Parkplätze sollen zurückgebaut und anderen Nutzungen zugeführt werden? (Norbert Krause aus dem Chat)

Über den Chat meldete sich Norbert Krause, freischaffender Künstler und Fahrrad-Enthusiast, mit der Frage, wie viele Parkplätze die Kandidaten in Mönchengladbach anderen Nutzungen zuzuführen gedenken.

Nach kurzer scheinbarer Ratlosigkeit auf dem Podium, meldete sich als Erster Boss zu Wort. Er möchte „größer denken“ indem man dieses Thema mit Ökologie und Klima in Verbindung bringen sollte. Damit blieb er – wie häufiger an diesem Abend – im Ungefähren, ohne die Frage selbst zu beantworten.

Heinrichs zur Frage: „Jeden Parkplatz, für den es eine gute Idee zur Umgestaltung gibt, gestalten wir um“. Dabei verweist er auf die unterschiedlichen Interessenlagen, weil manche Inhaber sich mehr Fahrradabstellanlagen in der Nähe ihrer Geschäfte wünschen, an anderen Stellen wiederum gebe es einen „Kampf“ um den Erhalt von Parkplätzen.

Es sei wichtig, sich Vorgaben zu machen, meinte Wolkowski, um stellte dazu „3%“ in den Raum. Es erfordere jedoch eine entsprechende Planung, die auch die ökologischen Aspekte berücksichtige und möglichst konkrete Stellen beinhalte. Wichtig sei, eine an diesem Abend schon häufig zitierte (Grund-)„Haltung“ zu entwickeln. Die Planer hätten grundsätzlich evtl. vorhandene Konfliktpotenziale aufzuzeigen – auch ohne spezielles Nachfragen.

Moderator Claßen fragte in einem Einwurf, ob ein „Menschenrecht auf Parkplätze“ noch zeitgemäß sei.

Dahlmanns verweist darauf, dass es in den Innenstädten eine große Zahl von Parkhäusern gebe und auch deshalb die Stadt nicht verpflichtet sei, zusätzlich eine große Zahl von Parkflächen zur Verfügung zu stellen. Es sei an der Zeit, gerade hier Flächen für das Abstellen von Fahrrädern auszuweisen, damit die Anwohner diese auch nutzen würden, ohne sie jedes Mal aus dem Keller zu holen oder sie nur an Laternen usw. abstellen zu müssen.

Man müsse es in Mönchengladbach (endlich) anderen Städten gleich tun, meinte Merkens, und geeignete Abstellmöglichkeiten für Fahrräder schaffen. Spannend würde es in Randbereichen mit Einfamilienhaus-Bebauung, in denen beispielsweise eine vierköpfige Familie auch vier Pkw hätte und dementsprechend auch öffentliche Flächen z.B. entlang von Straßen in Anspruch nehmen würde. In solchen Fällen sollte das Abstellen von Kfz nicht mehr kostenfrei sein.

9. Jährliche Investitionen in das Radwegenetz • Mönchengladbach bald Mitglied in der AGFS? (Stefan Prisack)

Zu den wohl engagiertesten und kompetentesten Menschen in Mönchengladbach, die sich – ohne einer Organisation anzugehören – für den Radverkehr einsetzen, zählt Stefan Prisack. Seine Frage basiert auf dem Klimaschutzkonzept, das 2014 im Stadtrat verabschiedet wurde. Darin enthalten sei, daß jährlich ein bis drei Millionen Euro für ein Radwegenetz in Mönchengladbach notwendig sind.

Prisacks Frage lautete also, ob die Kandidaten diese ein bis drei Millionen jährlich realisieren wollten oder nicht.

Laut Dahlmanns müsse der Oberbürgermeister initiativ werden, entsprechende Planung anzustoßen. Die Verkehrsplaner müssten statt Straßenplanungen verstärkt in der Radverkehrsplanung eingesetzt werden. Planungskosten beispielsweise für die Hohenzollernstraße seien auf Initiative des Kämmerers auf in spätere Jahre verschoben worden, so dass nicht einmal mit Planungen, geschweige denn mit Baumaßnahmen, begonnen werden könne.

Wolkowski sieht es ähnlich wie Dahlmanns und fordert die Durchsetzungsfähigkeit eines Oberbürgermeisters „gegenüber“ der Verwaltung ein. Mindestens die schon jetzt im Haushalt vorhandenen Mittel müssten konsequent auch richtig genutzt werden. So würden Gelder in das so genannte „indirekte Linksabbiegen“ für Radfahrer gesteckt, die an vielen Stellen unsinnig seien. Das seien ganz nette „Gimmicks“, die keinen Nutzen hätten, wobei aber  gleichzeitig kein Meter Radweg neu gebaut werde. Dazu müsse dann ggf. auch eine neu Ingenieurkraft eingestellt werden, die sich ausschließlich um das Planen von Radwegen kümmert.

In der Verwaltung gebe es keinen Überblick, wie viele Mittel für den Radverkehr in Mönchengladbach ausgegeben werden, konstatierte Heinrichs und verwies darauf, dass vieles davon aus größeren Projekten nicht heraus gerechnet werden könne und Unterhaltskosten bei der mags anfallen würden. Mit Blick auf seine evtl. Aufgabe als Hauptverwaltungsbeamter ließ er erkennen, dass er alle Kapazitäten (Personal & Mittel) in einer Verwaltungseinheit „Radverkehr“ zusammenführen werde.

Boss bestätigt die Notwendigkeit der bislang angesprochenen Maßnahmen, sieht die Verantwortung jedoch nicht allein beim (neuen) Oberbürgermeister, sondern auch bei den (neuen) Fraktionen und der (neuen) Kooperation.

Für Merkens liegt das Grundübel im „Zurückfahren“ des Verwaltungspersonals und spricht von „Kaputtsparen“. In diesem Kontext bemängelt er, dass die Umsetzung von Beschlüssen im Stadtrat und in den Ausschüssen nicht stringent vorgenommen würde. Den Äußerungen von Boss habe er eine „unverhohlene Kritik“ an dem amtierenden OB Reiners aus Reihen der CDU gehört. Er (Merkens) stimme den Ansätzen von Heinrichs zu und ergänzte: „Wir müssen auch manchen Dezernenten austauschen, um Dinge erreichen zu können.“

Boss wies „aufs Schärfste zurück“, er habe Kritik an OB Reiners geübt und attestierte ihm (Reiners): „Der jetzige Oberbürgermeister macht seine Sache gut“.

Auf den ergänzenden Hinweis von Stefan Prisack zu einer Mitgliedschaft der Stadt in der AGFS (Arbeitsgemeinschaft fußgänger- und fahrradfreundlicher Städte) und der Möglichkeit, auch dadurch Zugang zu Fördermitteln zu erhalten, erklärte Heinrichs, es gebe einen Beitrittsbeschluss aus dem Jahr 2017 und in Kürze eine (corona-bedingt verschobene) „letztendliche Begehung“, so dass Mönchengladbach Mitte des Jahres Mitglied dieser Arbeitsgemeinschaft sein könnte.

Einschub der Redaktion: Um Mitglied im AGFS werden zu können, müssen Kommunen Bedingungen aus einem umfangreichen „Katalog“ erfüllen.

Welche dieser Bedingungen die Stadt Mönchengladbach erfüllt und welche nicht und ob der „Erfüllungsgrad“ für eine Mitgliedschaft von Mönchengladbach ausreicht, wurde bislang noch nicht kommuniziert.

Zur hoffnungsfrohen Äußerung von Heinrichs bedarf es demnach noch eines intensiven Fakten-Checks.

(c) BZMG

Diese Informationen beziehen sich auf die unter „9. Jährliche Investitionen in das Radwegenetz …“ thematisierte (ange­strebte) Mitgliedschaft der Stadt Mönchengladbach im AGFS.

.. und als PDF downloaden.

(c) BZMG

Zur Sanierung der Brücke Bettrather Straße (Frage 7) scheinen alle fünf Kandidaten vier Fakten nicht im Blickfeld gehabt zu haben:

  1. Auch eine „Grundhafte Sanierung“ der Brücke ist förderfähig.
  2. Bei einem Neubau der Brücke wäre der Abriss der bestehenden nicht förderfähig. Diese Kosten wären vollständig aus dem städtischen Haushalt zu finanzieren
  3. Die Ergebnisse der Untersuchung (einschließlich Kernbohrungen) durch ein Fachunternehmen wurden bislang nicht veröffentlicht, sie werden offensichtlich „unter Verschluss“ gehalten.
  4. In Beratungsunterlagen ist dokumentiert, dass dem Willen des Dezernats Planen und Bauen entsprechend die darunterliegende Hermann-Piecq-Anlage durchgehend 4-spurig werden und daher die bestehende Brücke durch eine neue ersetzt werden soll.

     https://news.bz-mg.de/81253-2/

Der von Heinrichs angekündigte „Faktencheck“ könnte durchaus dazu geeignet sein, den vermeintlichen „politischen Willen“ zu revidieren.

Jeder der Kandidaten für das Amt des Hauptverwaltungsbeamten (Jahreseinkommen mindestens 150.000 EURO) war mit dem Ziel angetreten, eine „gute Figur“ abzugeben.

Ob das geschehen ist, liegt im Auge des Betrachters:

Frank Boss (CDU) zeigte sich interessiert, ohne zu erkennen zu geben, ob und wie er als Verwaltungschef das Thema Radfahren in Mönchengladbach pro-aktiv angehen werde. Seine Position war, dass er vornehmlich auf (externe) „Fachleute“ hören würde, weil ihm die notwendige Fachkenntnis fehle. Dies zog sich ebenso wie ein „roter Faden“ durch seine Äußerungen an diesem Abend, wie die Hinweise auf seine guten Kontakte als Landtagsabgeordneter in die Landesregierung hinein, so dass er verstärkt Fördermittel akquirieren könne. Aus nicht wenigen Äußerungen waren Anbiederungstendenzen in Richtung ADFC als Experten zu spüren.

Felix Heinrichs (SPD) stütze sich auf seine Fraktionserfahrungen sowohl zu „Ampel-Zeiten“ als auch während der Kooperation in den letzten sechs Jahren mit der CDU. Er wartete mit Detailkenntnissen zur Problematik des Fahrradfahrens, aber auch mit Vorschlägen zu Verbesserungen in Mönchengladbach auf, wobei er nicht zu erkennen gab, warum er und seine Fraktion die bekannten Mängel nicht schon in den letzten Jahren abgestellt haben. Einige seiner Äußerungen lassen vermuten, dass er schon vor der Veranstaltung Kenntnis von gestellten Fragen hatte.

Dass ein „Spitzenpolitiker“ dazu aufruft, gegen seine eigene bisherige Politik zu demonstrieren, hat es wohl selten gegeben.

So jedenfalls durch Heinrichs geschehen beim Thema „Schlechtes Abschneiden von Mönchengladbach beim ADFC-Klimatest“.

„Die Politik“ müsse merken, was die Bürger zum Thema Radfahren wollen …“ wen immer er mit „die Politik“ gemeint haben mag.

Nicht weniger „krude“ war seine Aufforderung an die Teilnehmer des nächsten „ADFC-Fahrradklima-Tests“, sie mögen den Test nicht zu schlecht ausfüllen, weil es „demotivierend“ sei, wenn Mönchengladbach zukünftig nicht besser da stehe.

Dr. Boris Wolkowski (B90/Die Grünen) zeigte eine Vielzahl konkreter Maßnahmen im Stadtgebiet auf, die er als Chef der Verwaltung anzugehen gedenke. Mehrfach stellte er fest, dass die notwendigen Mittel in den Haushalten eingestellt, jedoch nicht genutzt worden wären. Wie Sebastian Merkens (DIE LINKE) monierte auch Wolkowski die unveränderte „Haltung“ in Politik und Verwaltung mit Ausrichtung auf die „Auto-Vorrang-Politik“ in Mönchengladbach und gab an, zumindest in der Verwaltung Änderungen herbeiführen zu wollen.

Stefan Dahlmanns (FDP) überraschte die Zuhörer mit einer ausgesprochenen „Pro-Radverkehr-Positionierung“, die auf den ersten Blick nicht zur Grundausrichtung seiner Partei zu passen schien. Zwischen den Vorstellungen von Wolkowski, Merkens und ihm gab es kaum Unterschiede in der Beantwortung der von Bürgern und „Spezialisten“ gestellten Fragen.

Auf BZMG-Nachfrage in der vergangenen Woche erklärte der passionierte „Alltagsfahrradfahrer“, dass er sich als Person für das Amt des Oberbürgermeisters bewerbe und damit seine persönlichen Positionen zu vertreten habe. Große Dissonanzen zu seiner Partei stelle er nicht fest.

Sebastian Merkens (DIE LINKE), ebenfalls permanent mit dem Fahrrad in der Stadt unterwegs, mahnte (wie Wolkowski) eine fahrradfreundliche Grundhaltung in der Mönchengladbacher Verwaltungsspitze an. Vergleichend auf die beiden vergangenen Oberbürgermeister (Norbert Bude/SPD und Hans Wilhelm Reiners/CDU) attestierte er Reiners zwar den Willen, etwas Positives für den Radverkehr tun zu wollen, stellte jedoch fest, dass sein Handeln ein anderes gewesen sei. Pointiert erklärte er, notfalls müsse auch mal ein Dezernent ausgetauscht werden.