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„Radwegebau hat etwas – im großen Sinn –  mit Demokratie zu tun.“

Zu diesem Schluß kommt die promovierte Bauingenieurin Katja Leyendecker aus Newcastle.

Sie ist Mobilitätsexpertin und hat in Ihrer Doktorarbeit „Women activists’ experience of local cycling politics“ die Erfahrungen von Radweg-Aktivistinnen anhand der Beispiele Bremen und Newcastle dargestellt.

In einem Vortrag auf dem Podium von „Bremenize“, der auf YouTube in voller Länge zu sehen ist, zeigt sie anhand anschaulicher Graphiken aus ihrer Dissertation das Kräfteverhältnis zwischen Politik, Verwaltung und Zivilgesellschaft und die Rolle der Radweg-Aktivistinnen auf.

Ihr Fazit: Radwegebau wird nicht hauptsächlich durch eine autozentrierte, technokratische Verwaltung verhindert, sondern ebenso durch Politikerinnen und Politiker, die sich „heraushalten“ und den Experten, also den Technokraten die Entscheidung überlassen, anstatt deren Expertise für richtungsweisende politische Entscheidungen zu nutzen.

Überraschend: Einen nicht minder großen Anteil an der Verhinderung des Baus von Radwegen und damit ein Manifestieren des “Systems Auto“ kommt aus den Reihen der Rad-Aktivisten.

Diese Aktivisten alter Art haben lange dafür gekämpft, den Radverkehr „auf die Straße zu bringen“ und tun es heute noch.

Sie fordern dabei aber nicht etwa mehr Raum für Radfahrer!

Diese alte Art des Aktivismus beschert uns in Mönchengladbach auch im Jahr 2020(!) noch Schutzstreifen, die im flämischen Niederländisch als „moordstrookjes“ („Mordstreifen“) treffender benannt werden.

Der soziale Aspekt der Gestaltung des öffentlichen Straßenraums fällt in Mönchengladbach zu Gunsten des „fließenden Verkehrs“, (gemeint ist natürlich ausschließlich der Autoverkehr) völlig durchs Raster.

Hier kommen wir zu der Frage des Zusammenhangs zwischen Radwegen und Demokratie. Wie begegnen wir einander im öffentlichen Raum, wie gehen wir miteinander um?

Radwege erfordern eine Neuplanung des öffentlichen Raums: „Moordstrookjes“ tun das nicht.

Will man den Radverkehr in dem Maße erhöhen, wie es der nordrhein-westfälische Verkehrsminister Hendrik Wüst fordert, muß man den Radfahrern Raum geben und hierbei vor allem auch mal an Radfahrerinnen denken, nicht an Radsportler.

Der Frauenanteil ist auffallend groß in einer Gruppe, die am Radfahren zwar interessiert, aber besorgt ist.

Hierzu der Link zu einem Artikel, der ursprünglich in der Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung erschien mit einer plastischen Darstellung.

Oftmals entgegen der Argumentation der Interessenverbände, das Geschlecht der Radfahrenden „spiele keine Rolle“, legt Katja Leyendecker unermüdlich die Unterschiede im Verhalten dar.

Allgemein könne man wohl sagen, je mehr das Thema „Care“ eine große Rolle beim Fahrradfahren spielt, desto wichtiger werden vom Autoverkehr separierte Radwege.

„Care“ bedeutet zum Beispiel: Kinder im Anhänger in den Kindergarten fahren, auf dem Fahrrad den Schulweg begleiten u.s.w.

Frauen sind davon offenbar deutlich häufiger betroffen als Männer – auch in Mönchengladbach.

Frauen legen häufiger als Männer eine Kette von Wegen als einen langen Pendlerweg mit dem Fahrrad zurück.

Ist diese „Kette“ an einer Stelle unterbrochen, fällt die Wahl oftmals auf das Auto, denn damit ist der gesamte Weg unbrauchbar.

Radweg-Aktivistinnen sollten daher nicht länger außen vor bleiben, wenn die Umgestaltung gelingen soll.

Der Bau von Radwegen an Straßen, die nicht schon räumlich verkehrsberuhigt sind, ist also unabdingbar, um die große Gruppe der am Fahrradfahren Interessierten aufs Rad zu bringen, von der mehr als die Hälfte weiblich ist.

Mit freundlicher Erlaubnis von Katja Leyendecker haben Mönchengladbacher Mitglieder der Gruppe „Dìe AlltagsRadler“ https://www.facebook.com/groups/Alltagsradler das Video auf 12 Minuten gekürzt und anschaulich die Gemeinsam­keiten zwischen Newcastle, Bremen und Mönchengladbach herausgestellt.