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Achim Wyen ist kein „neuer Besen“, sondern jemand, der „auch gut in die Ecken kommt“ (Zitat) und vor kurzem von der Ratsfraktion der Liberalen zu ihrem neuen Vorsitzenden gewählt wurde.

Das bestätigte sich im BZMG-Vis-a-vis-Interview, bei dem er zu vielen aktuellen Mönchengladbacher Themen Rede und Antwort stand und eine Meinung hatte, aber auch bei einigen wenigen zugab, sich zunächst noch im Detail informieren zu wollen.

Wyen tritt die Nachfolge der langjährigen Fraktionsvorsitzenden Nicole Finger an und bringt dazu nach eigenem Bekunden langjährige Erfahrungen in der Mönchengladbacher Kommunalpolitik mit.

In der Ratsperiode 2009 bis 2014 saß der heute 58-jährige Sparkassen-Betriebswirt bei einer großen Sparkasse in Hagen schon einmal für die FDP im Mönchengladbacher Stadtrat, war seinerzeit deren sozialpolitischer Sprecher, Mitglied im Schul-, Jugendhilfe- und Sozialausschuss und in der Bezirksvertretung West.

In der BV West war er auch noch kommunalpolitisch aktiv, als er aus beruflichen Gründen 2015 auf eine erneute Ratskandidatur verzichtete.

Als Abteilungsleiter für Marketing und Digital-Banking hat er Führungserfahrung, die ihm auch in seiner neuen politischen Funktion hilfreich sein kann.

Seine neue berufliche Aufgabe als Stabstelle für Digitalisierung und Nachhaltigkeit, kombiniert mit intensiverem Homeoffice, habe ihm genügend Freiraum für eine erneute Ratskandidatur und nunmehr für die Übernahme des Fraktionsvorsitzes gegeben, erklärt Achim Wyen.

Dazu und zu diversen politischen Einzelthemen äußerte er sich im Interview, das hier in voller Länge zu hören ist:

Um unterschiedliche Interessenlagen von BZMG-Leserinnen und -lesern zu berücksichtigen, sind hier die Interview-Themen gesondert anzuhören:

Dass Nicole Finger sich etwa Mitte der Ratsperiode aus der aktiven Politik zurückziehen würde, war einem „internen Kreis“ schon zu Beginn der Ratsperiode bekannt.

Ein „Automatismus“ für einen Wechsel beim Fraktionsvorsitz habe es nicht geben, jedoch konnte Wyen sich durch die frühzeitige Einbindung z.B. in Ampelgespräche auf eine Nachfolge vorbereiten.

Anstehende Themen werden generell in der „erweiterten Ratsfraktion“, zu der auch die FDP-Vertreter in den Ausschüssen und den Bezirksvertretungen zählen, behandelt und beschlossen.

Politisch verortet Wyen sich und die FDP „gut in der Mitte“, ohne radikale Positionen zu vertreten.

In seiner neuen Funktion sieht er eine „tolle Aufgabe“ mit viel Verantwortung, die ihn angesichts der aktuellen Gesamtlage fordern werde.

Seine berufliche Aufgabenstellung gebe ihm die Möglichkeit, diese Aufgabe des Fraktionsvorsitzes auch zeitlich bewältigen zu können.

Zu Zeiten der ersten Mönchengladbacher Ampel, die an der Frage des Neubaues der Zentralbibliothek zerbrach, war Achim Wyen schon einmal Ratsmitglied und hat damit eine Vergleichsmöglichkeit zwischen der damaligen und heutigen Zusammenarbeit in der Kooperation.

Es habe sich einiges im Politikstil verändert.

Nicht so sehr die grundsätzlichen Themenausrichtungen. „Grüne Themen“ seien immer schon „grüne Themen“ gewesen, die Sozialausrichtung der SPD sei immer schon vorhanden gewesen.

Neu sei der Umgang miteinander, indem der Austausch unter den Fraktionsvorsitzenden vertraulicher sei und es eine gute Zusammenarbeit mit dem Oberbürgermeister gebe.

Die Themen seien unterschiedlich schwierig und es sei demnach auch schwierig, Kompromisslinien zu finden.

Als Beispiel nannte Wyen das aktuelle Diskussionsfeld „Gewerbeflächen“, bei dem nicht (durch einzelne Partner) versucht werde, andere Partner „wegzubeißen“.

Die grundsätzlichen „Anteile“ an der Ampel seien im Kooperationsvertrag festgelegt, was die Themen angehen, rede man auf „Augenhöhe“.

Nachdem das angedachte Gewerbegebiet in Sasserath durch die Weigerung von Landwirten, dafür die notwendigen Grundstücke zu verkaufen, sobald nicht realisierbar sein wird, ist das Gelände des ehemaligen JHQ wieder einmal in den Fokus gerückt.

Dazu erklärte Achim Wyen, dass es momentan eine von der Verwaltung beauftragte Untersuchung gebe, durch die festgestellt werden soll, welche Möglichkeiten es im JHQ für die Ansiedlung von Gewerbe gibt.

Dabei sollen Renaturierungsflächen, versiegelte Flächen usw. ermittelt werden.

Es gehe um eine Flächengröße von 55 bis 58 ha, die nicht das Gewerbeflächenproblem der Stadt Mönchengladbach lösen könne.

Die FDP werde das Ergebnis sehr genau betrachten, bevor Beschlüsse gefasst würden.

Darüber hinaus gebe es beispielsweise – durchaus nicht unproblematische – Flächen an der Trabrennbahn.

Es sei der FDP auf jeden Fall wichtig, „etwas für die Wirtschaft zu tun“.

Sasserath (und auch Mackenstein) würde man nicht „hartnäckig“ weiter verfolgen.

Wie sich die BiMA als Eigentümerin des JHQ verhalten wird, sei nach vergangenen Erfahrungen auch nicht abschätzbar.

Außerdem müssten im Weiteren gesamtstädtisch ggf. nutzbare Flächen (z.B. Brachen, vorhandene Gewerbeflächen) ermittelt werden, die sich für die Ansiedlung von Gewerbe eignen könnten.

Es seien noch viele Gedanken zusammenzutragen.

Mit kurzfristigen Problemlösungen rechnet Wyen nicht, reklamiert das Thema Gewerbeansiedlung als Kernthema für die FDP.

Wyen bemängelt, dass es kein Gesamtkonzept zu diesem Thema gebe und es würden immer wieder 100%-Lösungen gefordert, die häufig auf „alles muss renaturiert werden“ hinausliefen.

Bevor es zu einem ausgewogenen Ergebnis komme, würde es noch einige Zeit dauern.

Die Position der FDP vor der Kommunalwahl habe sich nicht verändert: ‚Man kann das machen, aber nur dann, wenn es nachweislich und belastbar wirtschaftlich die bessere Option ist.‘

Unabhängig davon hätte auch die Frage gestellt werden können, ob die Konzentration der Verwaltung an nur einem Standort sinnvoll ist.

Bisher seien ihm (Wyen) nur diverse Kostengegenüberstellungen bekannt.

Es seien Fragen beispielsweise nach dem tatsächlichen Arbeitsplatzbedarf durch die Verwaltung noch nicht beantwortet, wobei der Stellenplan als Grundlage heranzuziehen sei.

Bei der Frage nach der Notwendigkeit von Baufeld III habe man sich auf die „glaubhafte Versicherung“ der Verwaltung verlassen, dass bei Verzicht auf dieses Baufeld komplett neu geplant werden müsse mit der Folge, dass sich die Maßnahme um fünf Jahre verzögere und weitere Kosten in Höhe von 5 Mio. EURO entstehen würden.

Vom Grundsatz her habe sich an der Position der FDP, die Linienbusse wieder in beide Richtungen verkehren zu lassen, nichts geändert.

Jedoch sei nunmehr ein neues Planungskonzept – oder besser: eine „Ideenskizze“ – vorgelegt worden, die derzeit FDP-intern geprüft werde.

Es seien gute Ansätze zu erkennen, man müsse jedoch prüfen, welche für die FDP nicht akzeptabel sind.

Zweifel bestünden, dass die Steinmetzstraße die zusätzlichen Busverkehre aufnehmen könne, ohne den Kfz-Verkehr zu beeinträchtigen.

Die Idee, auf der Hindenburgstraße selbstfahrende Busse einsetzen zu können, ordnet Wyen als „Zukunftsmusik“ ein.

Mit den „schönen Bildern“ werde man sich noch zu befassen haben, besonders mit den dargestellten „Flaniermeilen“ wie an der Haupterschließungsachse Bismarckstraße, und prüfen, ob das alles überhaupt pragmatisch sein kann.

Mit Blick auf Fuß- und Radverkehr und ÖPNV müsse es zu einer Veränderung des Modal-Split kommen (Anm. des Autors: der aktuell nicht bekannt ist) und dabei beobachten, wie sich der MIV  entwickele.

Wyen sieht am Beispiel Bettrather Straße ein Spannungsfeld zwischen dem Radverkehr und dem Parken am Straßenrand für die Anwohner.

Für die FDP-Fraktion sei bei diesen Themen Ratsherr Dahlmanns federführend.

Achim Wyen hat den Eindruck, dass man in der Verwaltung seit einiger Zeit bei Planungen den Radverkehr stärker berücksichtige als bisher.

Bei Neuplanung sei man dabei „sehr breit“ aufgestellt.

Den Radentscheid bezeichnet er als eine „sehr radikale Positionierung“, wenn jährlich 20 km Radwege ausgebaut werden und dafür 400 Mio. EURO ausgegeben werden sollen.

Wyens Position ist, dass erst dann, wenn eine Straßenbaumaßnahme durchgeführt wird, auch der Radverkehr berücksichtigt werden soll.

Einen Radentscheid als solchen sehe er nicht als den richtigen Weg, weil damit ein spezielles Verkehrsmittel alleine positioniert und gefördert werde und dem sich alle anderen Verkehrsmittel „unterzuordnen“ hätten.

Verkehrsplanung müsse ganzheitlich betrachtet werden, so wie es in der Mönchengladbacher Verwaltung auch geschehe, die er im Übrigen als „radfahrfreundlich“ betrachte.

Mit den Veränderungen in de Gesellschaft erwartet Wyen, dass es zukünftig mehr Initiativen geben wird, die Einfluss nehmen wollen.

Für die FDP sei Bürgerbeteiligung ein hohes Gut und sie halte die derzeitigen Verfahren für nicht ausreichend.

Wie es zu einer Verbesserung kommen könnte, scheint momentan noch wenig konkret zu sein.

Wyen glaubt, dass ein verstärkter Einsatz digitaler Medien ein Weg sein könnte, obwohl damit auch nicht jeder erreicht würde und dies auch kein Ersatz für Bürgerversammlungen sein könnte.

Er würde gerne sehen, dass das Repräsentative mehr zur Geltung kommt und werde das Gesamtthema innerhalb der Ampel zur Sprache bringen.

Ziel müsse eine „niedrigschwellige“ Beteiligung sein, damit Betroffene beispielsweise über ein Portal Dinge mit bewerten und beeinflussen können.

Sollte der Wunsch bestehen, Parkflächen im Straßenraum zu reduzieren, könnte die Nutzung von Parkhäusern eine Alternative sein.

Näheres könne er momentan dazu nicht sagen, weil ihm die notwendigen Daten und Hintergründe fehlen.

Überschlägig sind von den ca. 1.200 Haltestellen (Bussteige) lediglich etwa 20% barrierefrei, während Oberhausen etwa 85% barrierefreie Haltestellen hat.

Hier besteht erkennbar ein erheblicher Nachholbedarf.

Dazu konnte Achim Wyen (nachvollzieh­barer­­weise) im Detail keine Stellung beziehen, meinte aber, dass kaum eine Sitzung in den Bezirksvertretungen vergehe, bei der nicht Informationen zum Ausbau von Haltestellen gegeben würden.

Wenn die Quote tatsächlich so niedrig sei, gebe es „eine Menge zu tun“.

Er werde das Thema aufgreifen und sich informieren lassen.

„Mangels hellseherischer Fähigkeiten“ konnte Wyen zum Fortbestand der Ampel lediglich sagen, dass es nicht sein Ziel sei, die Ampel „zu sprengen“.

Es gebe eine gut austarierte Kooperations­­vereinbarung und einen guten Umgang miteinander.

Es gebe immer mal wieder Punkte, in denen man unterschiedlicher Meinung sei, aber man habe immer wieder einen Weg gefunden, wieder zueinander zu finden.

Damit sei er auch angetreten, müsse trotz der „großen Fußstapfen“, die Nicole Finger hinterlassen habe, im Zusammenspiel mit den Partnern einen eigenen Weg finden.

Schließlich beinhalte der Kooperationsvertrag noch eine Vielzahl von Punkten, die es gelte, abzuarbeiten.

Als nächstes stünden die Beratungen zum neuen Haushalt an, der aufgrund der unsicheren Gesamtlage kein Doppelhaushalt werden würde und in den die FDP möglichst viele ihrer Vorstellungen unterbringen möchte.

Technischer Beigeordneter
Ausschreibung vs. Wiederwahl

Mitte des nächsten Jahres (2023) muss eine Ratsmehrheit entscheiden, wer für die nächsten acht Jahre als Technischer Beigeordneter fungieren soll.

Entweder wird die Stelle öffentlich ausgeschrieben, oder auf eine Ausschreibung verzichtet und der bisherige Amtsinhaber wiedergewählt.

Dazu erklärte Achim Wyen, dass man sich darüber noch keine Gedanken gemacht habe und innerhalb der Ampel-Mehrheit noch nicht darüber gesprochen worden sei.

Man kann von einem derartigen Interview nicht zu allen der vielfältigen Problemfelder in Mönchengladbach umfassende Positionierungen erwarten.

Gleichwohl sind Bemühungen erkennbar, trotz unterschiedlichster Grundausrichtungen die Ampel-Kooperation bis zum Ende der Ratsperiode zu erhalten.

Erkennbar ist in diesem Kontext aber auch, dass – wie im Übrigen auch bei den Grünen – in nicht geringem Maße auf „glaubhafte Versicherungen“ von Fachverwaltungen vertraut wird, ohne diese hinsichtlich der Grundannahmen zu hinterfragen.

So gab man sich bislang mit Mengengerüst-Annahmen zum Bedarf an Arbeitsplätzen in einem Rathaus-Neubau zufrieden, obwohl der Nachweis, der in einer Wirtschaftlichkeitsbetrachtung angenommenen 1.400 Arbeitsplätze nicht erbracht wurde.

So „glaubt“ man den Prophezeiungen, das ein Verzicht auf das „dritte Baufeld“ zu rechtlichen und zeitlichen Problemen und zu Zusatzkosten in Millionenhöhe führen würde, ohne dass dazu ein valider Nachweis eingefordert wurde.

Ähnlich verhält es sich beim Thema ÖPNV in der Hindenburgstraße, wo (noch) nicht hinterfragt wird, welchen Stellenwert die Nutzbarkeit einer vermeintlich „verkehrsfreien“ Straßen mit außergewöhnlicher Topografie für breite Kreise der alternden Bevölkerung haben könnte.

Hier könnte man der x-ten Untersuchung „glauben“, dass die vollständige Verlagerung des Busverkehrs in den Straßenzug Viersener/Steinmetzstraße den Kfz-Verkehr nicht beeinträchtigen würde.

Dass die wirtschaftsnahe FDP der Frage der Ausweisung weiterer Gewerbegebiete einen hohen Stellenwert zumisst und dabei auch Diskussionen über Belange des Natur- und Umweltschutzes nicht aus dem Weg geht, ist konsequent.

Ebenso konsequent ist – aus Sicht der FDP – die grundsätzlich ablehnende Haltung gegenüber einem Radentscheid, ohne hier die Floskel, die FDP sei die „Autofahrerpartei“ bemühen zu wollen.

Nicht unerwartet war, dass sich Achim Wyen zur Zukunft des Technischen Beigeordneten nicht äußern wollte.

Nachvollziehbar und positiv zu bewerten ist die Tatsache, dass Wyen zu manchen der angesprochenen Themen (noch) keine Meinung hatte.

Anders als andere Mönchengladbacher Politiker scheint er nicht der Typ des „Generalisten“ oder gar „Allwissenden“ zu sein, sondern zu versuchen, sich anhand von Fakten ein eigenes Bild zu machen und sich dann eine Meinung zu bilden.

Bei diesem und anderen Gesprächen mit Ampel-Protagonisten schwingt mit, nicht erneut eine Ampel-Kooperation scheitern zu lassen, weil vermutet wird, dass eine Groko-Fortsetzung „auf dem Fuße“ folgen könnte.

Gleichwohl sei ihm (und anderen) angeraten, bestimmte Angelegenheit nicht nur „vom Ende her“ zu denken, sondern die Entwicklungen besonders „vom Anfang her“ zu betrachten und so bei anstehenden Entscheidungen das gesamte Blickfeld zu berücksichtigen.