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Die Mönchengladbacher Sektion von „Pulse of Europe“ veranstaltete eine Fragerunde, die man zunächst nicht unmittelbar mit der Kommunalwahl am 13. September gebracht hätte.

Interessante Fragen und bemerkenswerte Statements dazu machten dann doch deutlich, was Mönchengladbach unter vielen Aspekten mit Europa zu tun hat und das nicht nur, wenn es um Fördermittel aus europäischen „Töpfen“ für Projekte in Mönchengladbach geht.

Corona-bedingt war die Teilnehmerzahl im Jugendzentrum Westend an der Alexianerstraße auf insgesamt 35 begrenzt. Am Ende konnten das Organisationsteam um Nicole Wagner auf eine gelungene Veranstaltung zurück blicken.

Dass Nicole Wagner erst ein Viertelstunde später als geplant beginnen konnte, lag daran, dass die Anwesenden auf Frank Boss (CDU) warten mussten.

Wagner, die souverän und geschickt durch die Veranstaltung führte, gab bekannt, dass den fünf Kandidaten für das Amt des Hauptverwaltungsbeamten (Oberbürgermeister) vorab diese sechs Fragen zugesandt worden waren:

  1. Was werden Sie in der Stadt konkret für Europa leisten wollen?
  2. Werden Sie die Kontakte zu den Nachbarländern Niederlanden und Belgien ausbauen? z.B. Städtepartnerschaften
  3. Wie wollen Sie in den Bildungseinrichtungen (besonders in den Schulen) das Europa-Bewusstsein fördern?
  4. Der Radverkehr hat in den Nachbarländern einen anderen Standard. Was werden Sie unternehmen, damit es hier zu einer Angleichung kommt?
  5. Welche Unterstützung erwarten Sie bei anstehenden Projekten von der Europäischen Union?
  6. Welchen Beitrag kann oder soll Mönchengladbach für den europäischen „Green Deal“ leisten?#

In ähnlichen vorangegangenen Podiumsveranstaltungen konnten die Kandidate üben, sich kurz zu fassen.

Dass ihnen dies nicht leicht fällt, war auch diesmal festzustellen. der Qualität der Veranstaltung tat das jedoch keinen Abbruch; sie dauerte eben nur etwas länger als geplant.

1. Was werden Sie in der Stadt konkret für Europa leisten wollen?

Der Versuchung zu erliegen, die Frage was Mönchengladbach für Europa tun könne, mit dem Gegenteil zu beantworten, war groß.

Felix Heinrichs (SPD) konnte dies gerade noch umgehen, indem er auf die EUREGIO verwies, die in Mönchengladbach ihren Sitz hat. Man müsse den Mönchengladbachern deutlich machen, an welchen Stellen die Stadt von Europa profitiere.

Er sieht die Notwendigkeit, stärker herauszustellen, dass Finanzmittel nicht nur von Land und Bund kämen, sondern auch von der EU.

Frank Boss (CDU) legte großen Wert auf Fördermaßnahmen (die von der EU finanziert werden) und entfernte sich so von der eigentlichen Fragestellung. Mit seiner zum Ausdruck gebrachten positiven Einstellung zu Europa blieb er ansonsten wenig konkret.

Nur lokal wäre es zu schaffen, die Skepsis gegenüber Europa abzubauen, meinte Dr. Boris Wolkowski (B90/Die Grünen). Man müsse den Menschen – trotz der Einschätzungen Vieler von Europa als ein „Bürokratiemonster“ – deutlich gemachen, dass viele Maßnahmen erst durch die EU das Leben in den Kommunen besser würde. Europa sei eine „große, einigende Kraft“.

Als Oberbürgermeister müsse man eine Grundhaltung haben und diese auch kundtun, meint Stefan Dahlmanns (FDP). Und zwar über die Beschreibung konkreter Projekte hinaus, die von der EU gefördert würden.

Sebastian Merkens (DIE LINKE) erinnert daran, dass die EU für das „wunderbare“ Projekt den Friedensnobelpreis erhalten habe, merkt jedoch kritisch an, dass immer noch Menschen auf der Flucht sterben und man es nicht schaffe, diese in Europa aufzunehmen. Hierzu und auch gegen die Ausgrenzung von „Randgruppen“ könnte auch Mönchengladbach einen Beitrag „für Europa“ leisten.

2. Werden Sie die Kontakte zu den Nachbarländern Niederlanden und Belgien ausbauen? z.B. Städtepartnerschaften

Mönchengladbach unterhält einzelne Städtepartnerschaften, die in der Vergangenheit kaum „gelebt“ werden und damit der breiten Bevölkerung nicht bekannt sind.

Frank Boss erinnert an das Zustandekommen von Städtepartnerschaften nach dem 2. Weltkrieg und verweist auf Austausche im Bereich Sport und bei Jugendlichen. Die Schulen müssten deutlich machen, was es bedeutet, in Europa zu leben.

„Die Städtepartnerschaften werden überhaupt nicht gelebt“, sagt Boris Wolkowski. Die Ausrichtung von Mönchengladbach müsse auch vor dem Hintergrund „Braunkohle“ nicht so sehr nach Süden, sondern verstärkt in Richtung Westen und den zu den europäischen Nachbarländer vollzogen werden. Dazu müsse die EUREGIO gestärkt und auf vermeintlich „kleine“ finanzielle Unterstützungen hingewiesen werden.

Stefan Dahlmanns tritt für ein Wideraufleben der Städtepartnerschaften und einer Verbesserung der Qualität dieser Kontakte ein und nannte als Beispiel die Kulturszenen, die es auf beiden Seiten der Grenzen gebe. Auch auf (partei-)politischer Ebene gebe es schon Netzwerke, die es zu nutzen gelte.

Institutionalisierte Partnerschaften sieht Sebastian Merkens nicht so im Vordergrund stehend. Er habe festgestellt, dass man besonders Jugendlichen, die in dieser freien und offenen Welt aufgewachsen sind, deutlich zu machen habe, wie privilegiert diese Situation für sie ist und nannte dazu Beispiele. Einen durchaus wichtigen Ansatz sieht Merkens in der Tatsache, dass in den Niederlanden die Zweisprachigkeit niederländisch/deutsch an der Tagesordnung sei, in der „Grenzstadt“ Mönchengladbach jedoch gar nicht. Er sieht beispielhaft die Zweisprachigkeit von Beschilderungen in der Grenzregion als einen ersten Ansatz.

Felix Heinrichs sieht Städtepartnerschaften zwar positiv, gibt jedoch Beispiele europäischen Zusammenwirkens mit Menschen (z.B. Schülern) aus unterschiedlichsten Städten, die untereinander keine Partnerschaften pflegen würden. Es bedürfe keiner formellen Städtepartnerschaften, um ein europäisches Miteinander zu praktizieren. Als Historiker stellt er die Frage: „Wieso haben wir es geschafft, dass aus den ‚Erbfeinden‘ Deutschland und Frankreich Freunde geworden sind, die den Kern dieser Europäischen Union bilden?“ und greift einen Hinweis von Merkens auf, der den Blick auch auf die osteuropäischen EU-Mitglieder gelenkt hatte.

3. Wie wollen Sie in den Bildungseinrichtungen (besonders in den Schulen) das Europa-Bewusstsein fördern?

Boris Wolkowski griff die Idee von Sebastian Merkens auf, Niederländisch zu fördern und gab den Hinweis, dass dies von Landesebene unterstützt werden solle/müsse. Ein Problem, geeignete Lehrkräfte dafür zu bekommen, sehe er nicht. Noch wichtiger sei es, sprachlich auch in Richtung Osteuropa zu denken. Schulen wären die richtigen Orte, auch die dortigen Kulturen zu vermitteln und damit das Verständnis für Demokratie und den europäischen Gedanken zu fördern.

Auf das deutsche Ausbildungssystem hebt Stefan Dahlmanns ab und möchte, dass die guten Erfahrungen mit anderen EU-Ländern geteil werden. Er betont, dass es nicht nur wichtig sei, einen Abiturabschluss zu machen, sondern dass es auch zu einem beruflichen Abschluss kommt. Dies müsse verstärkt vermittelt werden.

Sebastian Merkens reflektiert seine Gymnasialzeit und die guten Erfahrungen, die er mit und durch Austausche gemacht habe. Als Stadt müsse man die Schulen unterstützen, an Gelder heranzukommen, damit auch zukünftige Generationen von „niederschwelligen“ Angeboten profitieren könnten. Diese müssten nicht nur Gymnasiasten zugänglich sein, sondern beispielsweise auch Schülern in Hauptschulen.

Auch die Berufskollegs und das System der „Dualen Ausbildung“ möchte Felix Heinrichs in den Fokus rücken. „Was passiert in den Betrieben?“, fragt er und verweist darauf, dass diese nur eingeschränkte Möglichkeiten hätten, an EU-Programmen teilzunehmen bzw. ihre Auszubildenden teilnehmen zu lassen. Dies zu ändern hält er für wichtig, um auch örtliche Unternehmungen die Möglichkeit zu eröffnen, EU-weit Leistungen anbieten zu können.

Der Begriff „Austausch“ hätte in den bisherigen Beiträgen im Mittelpunkt gestanden, resümiert Frank Boss. Es gebe schon einige Programme, die von Bund uns Land gefördert würden und die auf Handwerk und Handel Gewerbe abzielten, ohne konkrete Beispiele zu nennen. Darüber hinaus müsse auch ein wissenschaftlicher und technischer Austausch stattfinden, zu dem auch der geplante „Wissensschaftscampus“ gezählt werden müsse.

4. Der Radverkehr hat in den Nachbarländern einen anderen Standard. Was werden Sie unternehmen, damit es hier zu einer Angleichung kommt?

Die Antworten auf diese Frage drehten sich nicht unerwartet zum überwiegenden Teil um die Situation für Fahrradfahrer in Mönchengladbach. Nur vereinzelt gingen die Kandidaten darauf ein wie man im Verhältnis zu den Nachbarländern zu einer „Angleichung“ komme könne.

Bei vielen Äußerungen sah man sich in die Podiumsdiskussion des ADFC vom 23.06.2020 in der Citykirche „versetzt“: https://news.bz-mg.de/121217-2/

„Wir müssen in Mönchengladbach erst einmal richtig loslegen mit den Radwegen“, begann Stefan Dahlmanns sein Statement auf die gestellte Frage. Es müssten „Hauptwegeverbindungen“ quer durch die Stadt geschaffen werden. Er und andere, die ständig mit dem Fahrrad unterwegs sind, hätten „ihre“ Wege gefunden. Dies sei jedoch keine Grundlage für ein Bestreben, dass mehr Mönchengladbacher das Fahrrad nutzen. Als Haupthinderungsgrund nennt er die Kreuzungen, die für viele als Unsicherheitspunkte empfunden würden.

Sebastian Merkens stellt fest, dass die Niederlande „uns“ weit voraus seien und spricht von einem vollkommen anderen Verkehrskonzept, in dem auch der Güterverkehr seinen Platz hat.

Für Berufspendler sieht Felix Heinrichs die Notwendigkeit (grenzüberschreitende) Ziele mit dem Fahrrad zu erreichen. Darüber hinaus müssten auch potenzielle Ziele in Mönchengladbach in den Mittelpunkt gerückt werden, um deren entsprechende Erreichbarkeit mit dem Fahrrad zu ermöglichen. Sein Schwenk zum Schienenverkehr und den Kfz-Verkehr aus den Niederlanden (zum Minto) vermochte nicht in den Kontext der Fragestellung zu passen.

Dem Abschweifen von der eigentlichen Fragestellung schoss sich Frank Boss an und wiederholte Aussagen aus der o.g. ADFC-Veranstaltung, dass er „ein Freund des Individualverkehrs“ sei und nannte dabei auch den ÖPNV und deren Möglichkeit. Mit seinem Hinweis auf eine „digitale Gestaltung von Mobilität“ verließ er die Fragestellung vollends.

Mit „In Mönchengladbach wurde nichts gemacht!“, begann Boris Wolkowski sein Statement und fand über die Feststellung, dass in den Niederlanden die Radwege „nicht vom Himmel gefallen“ seien, zurück zur Fragestellung. Die Entwicklung im Nachbarland sei eine politische Entscheidung gewesen nach dem Motto „Wir wollen mehr Radverkehr“. Ins Minto würden die Menschen fahren, weil man große Straßen dorthin gebaut habe. Für ihn steht fest, dass nur ein politischer Wille zu einer Verbesserung für den Radverkehr führen kann. Das sei in Mönchengladbach nicht gewollt gewesen und werde daher auch nicht gemacht und nannte Beispiele dafür.

5. Welche Unterstützung erwarten Sie bei anstehenden Projekten von der Europäischen Union?

Sebastian Merkens begann sein Statement mit der Feststellung, die Stadt Mönchengladbach habe (einfach) kein Geld um etwas zu bewegen und sei demnach auf „Fördertöpfe“ angewiesen. Um an diese Mittel heranzukommen, fehle es an Personal. Hier müsse die Verwaltung gestärkt werden.

Eine Vision zeichnete Felix Heinrichs, indem er sich wünschte, dass die Stadt Mönchengladbach ohne Fördermittel auskommt und alles aus eigenen Mitteln finanzieren kann.

Nichts abgewinnen konnte Frank Boss den sicherlich nicht ganz ernst gemeinten „Wunschvorstellungen“ von Felix Heinrichs. Er wolle sich mehr an der Realität orientieren und sprach von „langen Wegen“, die er kenne. Für den Fall, dass er Oberbürgermeister werde, kündigte er an, dass Personal dafür eingesetzt werde, das nichts anderes zu tun habe, als in Brüssel nachzuforschen, „welche Mittel wann für was und wie“ (Zitat) zur Verfügung stehen.

Boris Wolkowski beschrieb den Weg von Finanzmitteln aus den Kommunen über den Bund in die EU und wieder (als Fördermittel) zurück. Es sei ein beschwerlicher Weg über die Anträge an finanzielle Unterstützungen zu kommen, jedoch gäbe es sicherlich noch Potenzial, mehr EU-Mittel zu erhalten. Nicht unterschätzen sei das Problem, dass bei allen Mittelakquisitionen die Stadt auch Eigenmittel-Anteile zu leisten hätte. Wolkowski plädiert dafür, mehr Geld in den Kommunen zu lassen.

Stefan Dahlmanns ergänzt das von seinen Vorrednern Gesagte um den Wunsch, dass die EU „auch wieder als EU denkt“ und nicht, wie anfangs der Corona-Krise wieder Grenzen dicht gemacht werden.

6. Welchen Beitrag kann oder soll Mönchengladbach für den europäischen „Green Deal“ leisten?

Stefan Dahlmann denkt bei dieser Frage daran, dass Mönchengladbach als „Technologiestadt“ mit neuen Ideen von Start-UPs einen Beitrag leisten könnte. Während Energiegewinnung eher im Süden von Europa stattfinde, könnten die Technologien dazu aus der hiesigen Region kommen und die Nutzung für alle Europäer möglich sein.

Dass ein Grüner für „Green Deal“ steht, sei wenig originell, meint Boris Wolkowski. Er steht jedoch auf dem Standpunkt, dass klimaschonende Technologie lokal angewandt werden müsse. Dazu könne die EU zwar Mittel zur Verfügung stellen, umgesetzt werden müsse dies jedoch lokal. Damit fand er den Übergang zur Forderung nach einem Ausrufen des „Klimanotstandes“ (Anm.: was eine Ratsmehrheit vor Kurzem abgelehnt hatte), womit jedes kommunale Handeln der Stadt unter dem Aspekt zu betrachten wäre, welche Auswirkungen auf das Klima zu erwarten sind.

Für Frank Boss bietet Mönchengladbach gute Voraussetzung für die Verbesserung des Klimaschutzes und führt als Beispiel die in Planung befindliche so genannte „Seestadt“ an. Seine Erinnerung an ein Logo der Stadt Mönchengladbach mit einem grünen Bogen wollte bei dieser Fragestellung nicht so richtig ins Bild passen, obwohl er erklärte, dass Mönchengladbach „nahezu eingegrünt“ sei. Auch werde in den beiden Innenstädten viel getan, um klimafreundlich zu bauen. Es wäre nicht mehr die Zeit „Quadratisch – praktisch – gut“ zu bauen. (Anm.: Von Boss genannte Beispiele dazu müssten näher betrachtet werden).

Felix Heinrichs sieht bei diesem Thema die Chance im europäischen Zusammenwirken Beispiele zu geben, von denen andere lernen könnten. Der Strukturwandel (mit Fördergelder) gebe Mönchengladbach die Möglichkeit, „moderne“ Gewerbe anzusiedeln, die zeigen würden, dass man (wieder) in Europa ressourcenschonend produzieren könne.

Die Äußerung zu „Quadratisch – praktisch – gut“ veranlasste Sebastian Merkens zu der Frage in Richtung Frank Boss „… ob Herr Bonin und Herr Schrammen das auch wissen?“ Zum Thema präferiert Merkens auch weitestmöglich „Selbstversorgung“ der Kommune durch energetische Verflechtungen. Bei „Green Deal“ ginge es nicht um den Schutz der Umwelt, sondern um ein gutes Leben der Menschen in dieser Umwelt. Eine leichte „klassenkämpferische“ Positionierung Merkens‘ war bei dieser Fragestellung unschwer zu überhören.

Es gibt sicherlich Situationen, bei denen Termine nicht eingehalten werden können und Einladende und andere Teilnehmer von Veranstaltungen warten müssen.

Das Mindeste ist – wenn man verspätet eintrifft – dass man sich dafür entschuldigt.

Das ist eine Frage des Stils und der Wertschätzung den Wartenden gegenüber.

Diese ließ Frank Boss an diesem frühen Sonntagnachmittag vermissen.

Schade … eigentlich.

Anzunehmen, dass er diese Verspätung als „seinen Auftritt“ nutzen wollte, wäre sicherlich falsch.