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In „Ausländer raus?“ widmet sich Elham Rahimbakhsh mit bemerkenswerter Klarheit und Konsequenz den vielfältigen Facetten menschlichen Zusammenlebens.

Kapitel für Kapitel arbeitet sich die in Dortmund lebende Iranerin und Mutter von drei Kindern an zentralen Lebens- und Gesellschaftsbereichen ab.

Fragen nach Identität, Zugehörigkeit und alltäglicher Ausgrenzung ziehen sich dabei wie ein roter Faden durch das gesamte Buch.

Rahimbakhsh greift Situationen auf, die auf den ersten Blick banal erscheinen, aber tief verankerte gesellschaftliche Haltungen offenlegen: den Bäcker, der von Geflüchteten Vorkasse verlangt; die Mutter, die den besten Freund ihres Kindes nicht zum Geburtstag einlädt, weil er „Ausländer“ ist; Vermieterinnen, die ihre Wohnungen pauschal nicht an Menschen mit Migrationsgeschichte vergeben; oder BehördenmitarbeiterInnen, deren Ungeduld gegenüber Menschen mit Akzent spürbar wird.

Diese Beispiele machen deutlich, wie alltäglich und normalisiert Ausgrenzung sein kann.

Jedes Kapitel folgt dabei einem festen Aufbau: Zunächst beschreibt Rahimbakhsh ein gesellschaftliches oder zwischenmenschliches Problem, um anschließend eine mögliche Auflösung des Konflikts anzubieten – stets eingeleitet mit dem wiederkehrenden Versprechen: „Ich werde dir helfen zu lernen.“

Diese kompakte Struktur macht das Buch zugänglich – doch es ist vor allem ihr sprachlicher Stil, der es nachhaltig wirken lässt.

Rahimbakhsh arbeitet mit starken, eingängigen Bildern, die sie durch präzise Erzählpassagen und den konsequenten Einsatz von Metaphern entstehen lässt.

Diese Bildsprache fungiert als Schlüssel zu ihrer Denklogik: Sie öffnet Leserinnen und Lesern den Zugang zu komplexen sozialen Zusammenhängen, ohne belehrend zu wirken.

Besonders das Kapitel über das „Vorfahrtsrecht“ zeigt, wie geschickt sie alltägliche Situationen nutzt, um größere gesellschaftliche Mechanismen sichtbar zu machen.

Die Szene des Drängelns im Straßenverkehr wird zu einem Spiegel familiärer Erziehungs-muster und zu einem Sinnbild für eine ganze Gesellschaft, die sich selbst im Weg steht.

Sie beschreibt, wie korrupte politische Strukturen und gesellschaftlicher Verfall letztlich auf die Erziehung der Kinder zurückzuführen sind – Kinder, die zu empathielosen und egoistischen Mitgliedern einer Gemeinschaft heranwachsen, die wiederum jene Missstände reproduziert, die sie beklagt.

Diese egoistische Grundhaltung gefährde nicht nur das Miteinander, sondern sei ein direkter Nährboden für gesellschaftliche Korruption.

Die Autorin zieht eine deutliche Linie: Eine Gesellschaft ist das Spiegelbild ihrer Familien – und eine Regierung besteht aus den Menschen, die diese Familien hervorgebracht haben. Damit sei Erziehung nicht Privatsache, sondern Fundament gesellschaftlicher Gesundheit.

Rahimbakhshs Blick richtet sich vor allem auf die Mechanismen, die Verantwortung verhindern: bedingungsloser Gehorsam, ein konservatives Weltbild, das Disziplin fordert, jedoch keine kritische Hinterfragung zulässt, sowie ein emotional kaltes Umfeld, in dem Empathie kaum gedeihen kann.

Die Autorin versteht Erziehung als moralischen Auftrag – liebevoll, aufmerksam und verantwortungsbewusst. Dieser Anspruch schließt für sie alle Lebewesen ein. Sie kritisiert, dass Kinder durch Praktiken wie rituelles Schlachten an Töten, Grausamkeit und Blut gewöhnt werden, und sieht darin ein Symptom einer Gesellschaft, der Mitgefühl und Respekt vor dem Leben abhandengekommen sind – auch gegenüber Tieren und der Umwelt.

Die Autorin schreibt vordergründig aus der Sicht einer geflüchteten muslimischen Frau, ihre Gedanken lassen sich jedoch mühelos auf westliche Lebenswelten übertragen.

Die gesellschaftlichen Muster, die sie beschreibt, sind universell. Das macht das Buch auch für Menschen anderer Gesellschaften relevant.

Das abschließende Fazit der Autorin ist klar und schonungslos:

Eine Gesellschaft, die Verantwortung verweigert, Rücksicht verlernt und Empathie unterdrückt, befindet sich im Zustand der Selbstzerstörung. Rahimbakhsh fordert eindringlich eine Kultur des Mitfühlens, des Respekts und der bewussten Erziehung – nicht nur für den Iran, sondern für jede Gesellschaft, die ihre Zukunft sichern will.

„Ausländer raus?“ ist ein lesenswertes Buch, das uns einen Spiegel vorhält – egal, woher wir kommen.

zum Buch:

Elham Rahimbakhsh: „Ausländer raus? Nieee!“ • Verlag: BoD – Books on Demand GmbH, Überseering 33, 22297 Hamburg, bod@bod.de • 2025 • 174 Seiten • ISBN: 978-3-8192-1490-5 • Preis: 10,00 EURO

Über die Buchautorin

Jahrgang:
Gebortsort:
in Deutschland lebend:

Jahrgang: 1982
Hamedan, Iran
seit 2015

Studium:

Fachbereich klassische persische Literatur (Hamedan, Iran)

Veröffentlichungen:

Fachbereich klassische persische Literatur (Hamedan, Iran)

„Auf der Suche nach der Liebe“ (2003, Iran), 110 Seiten, Gedichte für erwachsene Leserinnen und Leser

„Englische Buchstaben in Reimform“ (2009, Iran) Gedichte für Kinder, erfolgreich verkauft

„Ausländer raus? Nieee!“ (2025, Deutschland) entstanden aus eigenen bitteren Migrationserfahrung, Themen: Gesellschaft, Politik