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In Mönchengladbach leben über 75.000 Menschen im Alter von über 60 Jahren.

Im Jahr 2019 bildete sich eine Initiativgruppe mit der Zielsetzung „Schaffung eines Seniorenrates in Mönchengladbach“, um dieser Bevölkerungsgruppe mehr politisches Gehör verschaffen zu können.

Dazu ging bei der unabhängigen Kommunal­wahl­initiative „Die BürgerLobbyisten“ eine Bürgerfrage ein, die an die Kandidaten für das Amt des Ober­bürger­meisters und die sie tragenden Parteien mit der Bitte um eine Positionierung weitergeleitet wurde.

Die Reaktionen sind nebenstehend zu lesen.

Hervorzuhebende Aussage:

SPD-OB-Kandidat Felix Heinrichs:

„Als Oberbürgermeister will ich mit den Initiator*innen das vorgeschlagene Modell umsetzen und mich dafür einsetzen, dass es feste Ansprechpartner*innen in der Verwaltung und möglichst auch ein kleines Budget gibt.

Die Beteiligung ist eine Bereicherung für die Demokratie in unserer Stadt.“ (Zitat Ende)

(c) BZMG

Was von Heinrichs‘ „Versprechen“ geblieben ist, zeigen diese Fakten:

Über die grundsätzliche Ablehnung der CDU-Fraktion hinaus soll es Insidern zufolge auch innerhalb der Sozialverwaltung (in vorderster Reihe die SPD-Sozial- und Rechtsdezernentin Dörte Schall) nicht unerhebliche Widerstände gegen die Einrichtung eines Seniorenrates gegeben haben, was seinen Niederschlag sowohl in der später beschlossenen Satzung als auch im Wahlverfahren fand.

„Ablehnungstendenzen“ waren schon zu erkennen, als die Verwaltung dem Ausschuss für Anregungen und Beschwerden am 18.03.2021 die Verweisung des Bürgerantrages in den Sozialausschuss empfahl und kurz gefasst – inhaltlich damit begründete, dass die Belange von Senioren im Sozialausschuss und innerhalb der Verwaltung hinreichend Berücksichtigung finden würden.

Die Vorstellungen der Initiative, allen in Betracht kommenden Einwohnern über 60 Jahre beispielsweise durch eine Briefwahl die Wahrnehmung ihres Wahlrechts zu ermöglichen wurde von der Verwaltung „aus Kostengründen“ abgelehnt und dem Stadtrat stattdessen eine so genannte „Delegiertenwahl“ vorgeschlagen, die dieser per Satzung beschloss.

Mit der „zugehörigen“ Wahlordnung, die ebenfalls der Rat mit Ampelmehrheit beschloss, wurde ein Verfahren vorgegeben, das stark an die Wahlordnung der SPD erinnert und es den meisten der über 75.000 Mönchengladbacher (wahlberechtigten) Senioreninnen und Senioren geradezu unmöglich machte, sich zu beteiligen.

Mit im deutschen Wahlrecht beispielslosen Hürden mussten sich die Wahlberechtigten erst einmal durch mindestens 10 (Zehn!) Unterstützungsunterschriften „qualifizieren“, überhaupt wählen zu dürfen, was nahe an die Grenze von „Diskriminierung“ reichte, besonders, wenn man an die Tausenden von Seniorinnen und Senioren denkt, die aufgrund von gesundheitlichen Beeinträchtigungen und Behinderungen beispielsweise ihre Wohnungen oder ihre Heimplätze gar nicht verlassen können.

Details zum Wahlprozedere:

Setzt die Verwaltung den Ratsbeschluss vom 15.06.2022 aus der Beratungsvorlage 1502/X um, hat sie sechs Monate vor der nächsten Kommunalwahl (vsl. im Jahr 2025) zu prüfen, „ob ein anderes Wahlverfahren als die Delegiertenwahl zweckmäßig ist.“ (Zitat Ende).

Man darf gespannt sein, ob dann wieder das Argument „nicht finanzierbar“ angeführt wird, um vom Grundsatz für Wahlen aus Artikel 38 des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland, dass Wahlen „allgemein, frei, unmittelbar, gleich und geheim“ (Ergänzung: „diskriminierungsfrei“) durchzuführen sind, abgewichen wird.

Bei der diesjährigen Wahl waren es gerade einmal 43 Seniorinnen und Senioren, die als „Delegierte“ zur Wahl zugelassen wurden, wovon 5 ihre „Kandidaturen“ zurückgezogen hatten.

Von den verbliebenen 38 Delegierten strebten 13 keine Mitgliedschaft im Seniorenrat an, durften also „nur“ wählen.

Einzelne davon waren pünktlich um 12:00 Uhr im Rheydter Ratssaal erschienen, wurden davon überrascht, dass sie erst dann wählen dürften, wenn sich alle Kandidaten vorgestellt hätten (jeweils 5 Minuten) und verließen unverrichteter Dinge den Wahlort, weil sie andere Termine wahrzunehmen hatten.

Jeder anwesende Wahlberechtigte konnte 9 Stimmen „verteilen“, musste jedoch mindestens fünf abgeben.

Für das Amt eines „stimmberechtigten Mitgliedes“ hatten sich 25 Delegierte beworben, die im ersten „Urnengang“ zur Wahl standen.

Von den 253 abgegebenen Stimmen entfielen 164 auf neun Kandidaten.

Die restlichen Stimmen im 1. Wahlgang verloren ihre Wirksamkeit.

Darunter auch die des Ex-SPD-Oberbürgermeisters Norbert Bude, der scheinbar geglaubt hatte, als Präsident der AWO Mönchengladbach über seine Mitgliedschaft im Seniorenrat den Einfluss der AWO in Mönchen­glad­bach noch vergrößern zu können.

Welchen Umfang der AWO-Einfluss schon heute hat, lässt sich daran messen, wie viele Mitglieder im Rat und in Ausschüssen wegen „Befangenheitserklärung“ an Abstimmungen zu Leistungsvereinbarungen der Stadt Mönchengladbach mit der AWO nicht teilnehmen dürfen, weil sie entweder Mitarbeiter oder Gremien­mitglieder dieser Organisation sind.

So betreibt die AWO beispielsweise – finanziert durch die Stadt Mönchengladbach – mindestens sechs Begegnungsstätten, wodurch sie in den Jahren 2022, 2023 und 2024 jährlich einen Umsatz in Höhe von ca. 223.425 € erzielt.

Umsätze aus weiteren „Leistungsverträgen“ noch nicht berücksichtigt.

Verwaltungsseitig werden solche Verträge vom Hauptverwaltungsbeamten Felix Heinrichs (SPD) und der Sozialdezernentin Dörte Schall (SPD) unterzeichnet.

Beim 2. Wahlgang konnten die „Delegierten“ antreten, die hierfür kandidiert hatten.

Einige der im 1. Wahlgang unterlegenen Kandidaten hatten sich hierfür nicht beworben.

Reibungslos und mit hoher Professionalität abgewickelt wurden die Wahlen durch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter um den Leiter des Amtes für Altenhilfe, Stephan Küppers.

Neben den neun Stimmberechtigten können diverse Organisationen weitere, nur beratende (also nicht stimmberechtigte) Personen in den Seniorenrat entsenden:

  • eine Vertretung aus dem Integrationsrat
  • jeweils eine Vertretung der im Rat vertretenen Fraktionen,
  • eine Vertretung der Wohlfahrtsverbände,
  • eine Vertretung von Bildungseinrichtungen mit Angeboten und Maßnahmen der Seniorenbildung,
  • eine Vertretung aus Alten- und Pflegeeinrichtungen,
  • eine Vertretung für Inklusions- und Behindertenfragen, und
  • eine Vertretung anerkannter Religionsgemeinschaften.

Ob die Initiatoren geahnt hatten, dass der Seniorenrat einen derartigen personellen Umfang annimmt, wird sich sicher noch herausstellen.

Während sich die Benennung von Personen aus dem Integrationsrat und den Fraktionen relativ einfach gestalten dürfte, könnte die Verständigung auf eine Person aus den anderen Organisationen noch einige Zeit in Anspruch nehmen,

Erfahrungen aus anderen politischen Gremien, wie Sozialausschuss, Schulausschuss und Jugendhilfe­ausschuss lassen jedoch schon jetzt erahnen, dass einige der nicht stimmberechtigten Mitglieder versuchen werden, ihren Einfluss (auch unter kommerziellen Gesichtspunkten) gelten zu machen.

Dies erfordert einen erfahrenen und durchsetzungsfähigen Vorsitz dieses Seniorenrates, der nach derzeitiger Planung im Januar 2023 unter Leitung des Oberbürgermeisters zur konstituierenden Sitzung zusammentritt.

(c) BZMG

Man mag zur Installation eines Seniorenrates stehen, wie man will:

Es ist unverständlich, ja geradezu beschämend, dass Politik und Verwaltung seit Bekanntwerden der Initiative des „Arbeitskreises Seniorenrat“ im Oktober 2019, der Thematisierung im anschließenden Kommunalwahlkampf und der Bildung der Ampelkooperation mit entsprechender Aufnahme in den Ampel-Kooperationsvertrag über 24 Monate benötigten, um die Wahl eines Seniorenrates durchführen zu können.

Dies auch vor em Hintergrund, dass die Initiative von Mitgliedern von B90/Die Grünen und SPD ausging.

Dass Tausende Mönchengladbacher Seniorinnen und Senioren durch den „Delegiertentrick“ (per Ratsbeschluss) faktisch von einer Wahlbeteiligung ausgeschlossen wurden, wirft kein gutes Licht auf die selbsternannten „Basisdemokraten“ der Ampel, namentlich SPD und Grüne.

„Demokratie gibt es nicht zum Null-Tarif“ dürfte auch diesen Protagonisten bekannt sein.

Wenn es zutrifft, dass eine Briefwahl zum Seniorenrat ca. 150.000 EURO gekostet hätte, wirft das unweigerlich die Fragen auf, ob

a) diese Kosten realistisch angesetzt wurden und

b) ob man sich seitens der Ampel überhaupt die Mühe gemacht hat, durch Verzicht oder Umschichtung z.B. anderer „nice-to-have“-Maßnahmen an dieser Stelle der „Basisdemokratie“ einen Vorrang einzuräumen.

Leider wird es darauf so schnell keine Antwort geben.

Vielleicht auch erst vor der Kommunalwahl 2025, wenn es gilt eine Bilanz der Ampel-Kooperation insgesamt zu ziehen, besonders aber der sie tragenden Parteien.

Und die fällt für einzelne Parteien in der momentanen „Halbzeitpause“ keineswegs berauschend aus.

Und das nicht nur wegen der „vergeigten“ politischen Vorbereitung des Seniorenrates.