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Der Zuwachs an zweisprachig aufwachsenden Kindern stellt eine Herausforderung dar, da ein hoher Anspruch besteht, diese Kinder adäquat in ihrer Bilingualität zu unterstützen.

Die Förderung der sprachlichen Bildung und die kontinuierliche Beobachtung und Dokumentation der sprachlichen Entwicklung der Jungen und Mädchen stellt daher eine zentrale Aufgabe im pädagogischen Alltag der Kindertageseinrichtungen dar.

Erzieherinnen und Erzieher sehen sich immer häufiger im Berufsalltag mit Jungen und Mädchen konfrontiert, die Auffälligkeiten oder Verzögerungen in der Sprachentwicklung aufweisen.

Vor diesem Hintergrund hatte das Gesundheitsamt des Rhein-Kleis-Neuss zum ersten Fachtag „Sprache“ eingeladen.

Rund 110 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus Kindertagesstätten und Familienzentren sowie andere Fachkräfte aus dem pädagogischen und medizinischen Bereich kamen ins Marienhaus des Erzbischöflichen Berufskollegs Neuss.

Die Organisation oblag dem Sprachtherapeutischen Dienst und der Abteilung Gesundheitsförderung und -beratung, die sich mit dem langjährigen Programm „fitnetz“ für Kindergesundheit einsetzt.

„Besonders für Kinder im Elementarbereich, die noch am Anfang ihrer Sprachentwicklung stehen, oder für Kinder, die mehrsprachig aufwachsen, ist die Bildung und Unterstützung sprachlicher Kompetenzen sehr wichtig. Sichere Kenntnisse in der deutschen Sprache und eine gute Sprachfähigkeit sind eine grundlegende Voraussetzung für den späteren Erfolg in Schule und Beruf“, so Gesundheitsamtsleiterin Barbara Albrecht in ihrer Begrüßung.

Der Fachtag „Sprache“ gab Impulse für den Umgang mit diesen Herausforderungen. Moderatorin Bärbel Reimer führte durch das Programm, das am Vormittag zwei Vorträge über „Prävention von Stimmstörungen im Berufsalltag“ und „Mehrsprachigkeit im Kontext Spracherwerb“ zum Inhalt hatte.

Am Nachmittag konnten sich die Teilnehmer in vier Workshops weiterbilden und austauschen.

Dabei ging es um Sprache und Graphomotorik, die Fähigkeit, präzise und koordinierte Handbewegungen beim Schreiben und Zeichnen auszuführen, sowie die Abgrenzung zwischen Sprachförderbedarf und logopädischem Behandlungsbedarf.

Darüber hinaus wurde die Vorbeugung von Stimmstörungen und die Mehrsprachigkeit aus kultureller Sicht beleuchtet.

Das Problemfeld „Sprachentwicklung von Kindern“ war eines der Anliegen, die der bisherige Vorsitzende des Jugenhilfeausschusses in der Stadt Mönchengladbach Dr. Gerd Brenner (B90/Die Grünen) zu den wichtigsten Punkten in seinem politischen Wirken zählt.

In einem faktenbasierten „Positionspapier“ stellt Dr. Brenner fest, dass nicht nur Kinder mit migratischem Hintergrund betroffen sind, sondern auch einheimische Kinder.

Seine Hinweise und Empfehlungen adressierte er sowohl an den Fachbereich 51 „Kinder, Jugend und Familie“ und damit an das Dezernat 3 (Sebastian Dreyer), als auch an den Fachbereich 50 „Schule und Sport“, das zum Dezernat 5 (Christine Schüßler) gehört.

Dr. Brenner weist in einem Abschnitt auf den Koalitionsvertrag der Bundesregierung hin, die unter dem Titel „„Sprachförderung, Startchancen und Kita-Qualität“ u.a. eine Gesetzeesinitiative ankündigt.

Hier das Positionspapier:

„Sprachliche Bildung im Kindesalter in Mönchengladbach“

Die jüngste Schuleingangsuntersuchung des Fachbereichs 53 (Gesundheit) der Stadtverwaltung vom März 2025 hat ergeben, dass der Anteil der Kinder im Kita-Alter ohne altersgerechte Sprachkompetenz gegenüber der letzten Untersuchung dieser Art aus dem Jahr 2019 um 5,1% auf 43,5% angestiegen ist.

Ein hoher und wachsender Anteil der Kinder wird also nach eigenen Befunden der Stadt bei einem Übergang in die Grundschule dem Unterricht nicht angemessen folgen können.

Ein hoher Anteil dieser Kinder hat einen migrantischen Hintergrund (u.a. Kinder von zugewanderten EU-Bürgerinnen und -bürgern), aber auch einheimische Kinder sind betroffen.

Ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache gelten als eine unabdingbare Voraussetzung für eine erfolgreiche Bildungslaufbahn und darüber hinaus für die gesellschaftliche Integration von Kindern.

Die Integration fast der Hälfte der Kinder in die Bildungseinrichtungen der Stadt ist also zunehmend gefährdet; es besteht ein deutlicher Handlungsbedarf.

Die von nahezu allen politischen Kräften als Ziel formulierte gesellschaftliche Integration aller Bürgerinnen und Bürger in die Stadtgesellschaft kann nur gelingen, wenn ganz am Anfang der Bildungskette gute Bedingungen gegeben sind.

Zur Zeit ist das nicht der Fall.

Die Probleme in Mönchengladbach verlieren keineswegs dadurch an Brisanz, dass die Lage in anderen deutschen Großstädten ähnlich desolat ist.

Die neuesten Zahlen haben auch in kommunalpolitischen Gremien der Stadt die Sensibilität dafür geschärft, dass die Integration von Kindern in die Schulen und in die Stadtgesellschaft besser gelingen muss.

Bei der Suche nach Lösungen ist eine ganzheitliche, ressortübergreifende Betrachtung der Situation zu empfehlen.

Die zentralen Impulse für ein lösungsorientiertes Adressieren des Problems fallen in die Zuständigkeit der Fachbereiche 51 (Kinder, Jugend und Familie) sowie 50 (Schule und Sport) der Stadtverwaltung.

Darüber hinaus sollte sich der Verwaltungs­vor­stand insgesamt des Problems annehmen und es im Rat der Stadt zum Thema machen.

Die aktuellen Sprachdefizite junger Menschen führen nämlich längst zu wachsenden Dys­funktionalitäten in wesentlichen Handlungs­feldern der Stadtgesellschaft, insbesondere zu „Verstopfungszuständen“ in Kitas und Grundschulen.

So müssen in den Kitas der Stadt immer mehr Kinder für ein Jahr „zurückgestellt“ werden und „verstopfen“ damit das System:

Die Planerinnen und Planer der Stadt, die bei der Kindergartenbedarfsplanung traditionellerweise mit den Geburtsdaten von Kindern operieren und das gesetzlich vorgegebene Schuleintritts­alter einrechnen, können sich auf diese ihre Praxis zunehmend nicht mehr verlassen, weil sie die Politik mit tendenziell unrealistischen Zahlen für die Kitabedarfs­planungen versorgen.

Unter anderem führt das dazu, dass manche Eltern es schwer haben, einen Kitaplatz für ihr Kind zu finden.

Diese längere Verweildauer von Kindern in den Kitas aufgrund mangelnder Kompetenzen in der deutschen Sprache würde im Übrigen nur dann überhaupt sinnvoll sein können, wenn es in allen Kitas der Stadt problemlösende Angebote für diese Kinder, also eine gezielte Förderung zum Erlernen der deutschen Sprache geben würde.

In der Mehrzahl der Kitas in der Stadt gibt es dafür aber gar nicht das nötige Fachpersonal. So bleibt das Problem der mangelhaften sprachlichen Kompetenzen bereits am Anfang der Bildungskette weitgehend ungelöst.

In der Grundschule setzt sich dann die „Verstopfung“ des Bildungssystems weiter fort.

Auch die Grundschulen verfügen mit ihren vollgestopften Klassen in der Regel nicht über ausreichend Ressourcen zur gezielten Bildung von Kindern mit erheblichen Defiziten in der Verkehrssprache Deutsch, so dass bereits in den ersten Grundschulklassen Kinder wieder „zurückgestellt“ werden müssen, also länger als vorgesehen im System verbleiben.

Auch die Kapazitätsplanungen für die Grund­schulen werden dadurch zunehmend unscharf und verlieren an Verlässlichkeit und politischer Steuerbarkeit.

Zentrale Faktoren zur Lösung des Problems wären verfügbare finanzielle Mittel und die Verfügbarkeit von Fachkräften für die sprachliche Bildung – und zwar sowohl in der Kita als auch in der Grundschule, in der es im Übrigen in letzter Zeit zu einer deutlichen Zunahme von Schulabsentismus gekommen ist.

Welcher Zusammenhang es hier zwischen einer mangelnden Fähigkeit, die Verkehrssprache der Grundschule zu verstehen, und dem „Schulschwänzen“ gibt, müsste näher ergründet werden.

Was die frühkindliche sprachliche Bildung anbetrifft, so sind sowohl die Ressourcen­verfügbarkeit als auch die Ressourcenfinanzierung ungelöste Probleme.

Auf allen staatlichen Ebenen gibt es Ankündigungen, aber zur Zeit noch keine gangbaren Wege.

Im Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung heißt es unter der Überschrift „Sprachförderung, Startchancen und Kita-Qualität“:

„Für gutes Aufwachsen und Chancen­gerechtigkeit für alle Kinder in Deutschland werden wir die verpflichtende Teilnahme aller Vierjährigen an einer flächendeckenden, mit den Ländern vereinbarten Diagnostik des Sprach- und Entwicklungsstands einführen. Bei ermitteltem Förderbedarf erwarten wir von den Ländern geeignete Fördermaß­nahmen und -konzepte. Dafür führen wir ein Qualitätsentwicklungsgesetz (QEG) ein und lösen das KiTa-Qualitätsgesetz ab. Im Rahmen des QEG wollen wir eine zusätzliche Förderung für Sprach-Kitas und Startchancen-Kitas integrieren“ (Z. 3110-3116).

Das Verb „wollen“ (statt „werden“) signalisiert, dass diese Planung des Bundes unter Finanzierungsvorbehalt steht, dass der Zeitpunkt der Umsetzung also unbestimmt ist. Außerdem ist die Planung so angelegt, dass die Bundes­regierung wesentliche Elemente der Umsetzung von den Ländern erwartet, die in der Regel allerdings noch weniger finanzielle Spielräume haben als der Bund.

Eine klare Entwicklungsperspektive und eine schnelle Lösung der Probleme sprachlicher Bildung von Kindern in den Kommunen ergibt sich daraus eher nicht.

Eine ähnliche Defizitanzeige ergibt sich im Hinblick auf die Personalverfügbarkeit.

Dazu heißt es im Koalitionsvertrag:

„Eine verlässliche Kinderbetreuung setzt mehr Fachkräfte voraus. Dabei unterstützt der Bund die Länder im Rahmen des KiTa-Qualitätsgesetzes bereits jetzt. Wir wollen die duale Ausbildung für Erziehungsberufe unter Beibehaltung des anerkannten Qualifikationsrahmens einführen“ (Z. 3119-3121).

Wirklich problemlösende Schritte zur Ausbildung von Fachkräften, die in der Lage sind, gezielt Sprachförderkompetenzen in Kitas und Grund­schulen sicherzustellen, sind damit für die nächsten Jahre kaum angelegt.

Unter diesen Voraussetzungen sollte die Verwaltung – und sollten insbesondere die Fachbereiche 50 und 51 – Optionen zusammentragen, wie die frühkindliche sprachliche Bildung in der Stadt vorangebracht werden kann.

Dazu sollte zeitnah im Jugendhilfeausschuss und im Ausschuss für Schule und Bildung ein Bericht mit problemlösenden Optionen vorgelegt werden.