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Als verantwortlicher Redakteur einer Fachpublikation für das Praxisfeld Jugenarbeit wurde ich mit der zunehmend wichtigen sprachlichen Kernfrage des Redaktionskonzepts unserer Fachzeitschirft konfrontiert.

Der Anlass

Anlass war eine eine kritische Anmerkung eines Autors zur Radaktionsarbeit.

Darin hieß es:

„Sie weisen die Redaktion kritisch darauf hin, dass diese sämtliche Vergeschlechtlichungen mit Asterisk‘ [Gendersternchen] in der redaktionellen Überarbeitung ersetzt habe. Die von Ihnen als non-binär bezeichnete Ausdrucksweise sei damit nicht mehr vorhanden.“ (Zitat Ende)

Beobachtungen & Feststellungen

In der Tat habe ich bei der redaktionellen Bearbeitung an einer sprachlichen Form festgehalten, die genderpolitische Zurückhaltung übt – und das im Übrigen in Übereinstimmung mit den redaktionellen Konzeptionen fast aller großen Wochen- und Tageszeitungen sowie Zeitschriften des Landes.

All diesen Publikationsorganen ist die Lesbarkeit der von ihnen publizierten Texte wichtig.

Das Gendersternchen (Asterisk) findet sich in kaum einem dieser Publikationen – wie auch die anderen angeblich zwingend notwendigen genderpolitischen Notwendigkeiten, wie z.B. der sogenannte Knacklaut im Zusammenhang mit dem großen I.

Ich bat unsere Leserinnen und Leser um Verständnis dafür, dass die Redaktion eine sprachliche Einheitlichkeit und eine möglichst große Verständlichkeit der Zeitschrift für ein wichtiges Gut hält.

Genderpolitische Versuche

In den letzten Jahren gab es immer wieder Versuche, diese Einheitlichkeit durch genderpolitisch bedingte Abwandlungen zu verlassen.
Statt ‚den Jugendarbeiterinnen und Jugendarbeitern‘ wurde da z.B. formuliert: ‚den JugendarbeiterInnen‘, den „Jugendarbeiter_inne_n’, ‚den Jugendarbeiter/inne/n‘, den „Jugendarbeiter:innen“ oder den ‚Jugendarbeiter*innen‘.

Alle diese Varianten, ob großes Binnen-I, Unterstriche, Querstriche oder ein Binnen-Doppelpunkt, sollte es in der Zeitschrift nach der Vorstellung einiger Autorinnen und Autoren nebeneinander geben; wir haben uns angesichts dieses Zeichen-Wirrwarrs für eine einheitliche Sprachnorm entschieden.

Die aufgeführten Abwandlungen der Schreibung – es gibt durchaus noch mehr davon – sind oft mit rigorosen gendertheoretischen Positionierungen verbunden und kollidieren mit den eher sprachwissenschaftlich ausgerichteten Überlegungen in den Redaktionen.

Z.B. werden sie öfters grammatikalischen Anforderungen gar nicht mehr gerecht.

Redaktionen sehen sich so aufgefordert, eine leichte sprachliche Zugänglichkeit der von ihnen veröffentlichten Texte den aktuellen Trends eines konfliktreichen identitären Kulturkampfs zu opfern.

Sprache als kulturkämferisches Element?

Die Sprachgemeinschaft würde damit den durchaus wandelbaren Interessen selbsternannter, wissenschaftlich-kulturkämpferischer Eliten ausgeliefert.

Eine weit überwiegende Anzahl der publizistischen Organe in diesem Land möchte sich dieser Selbstgefährdung ihres publizistischen Konzepts nicht aussetzen.

Zeitschriften, die neben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern auch viele Fachkräfte aus der Praxis zu ihrer Leserschaft zählen, stellt sich eine Frage in besonderer Weise: Soll die Einheitlichkeit eines gemeinsamen Sprachraums gewahrt werden, um eine produktive wechselseitige Kommunikation – z.B. zwischen Wissenschaft und Praxis – auch weiterhin möglich zu machen?

Oder sollen unterschiedliche kulturkämpferische Communitiers auf ihren je eigenen Vorstellungen von sprachlichen Varietäten bestehen dürfen?

In den meisten Redaktionen ist es unumstritten, dass die Sprache „gendergerecht“ sein muss.

Aber es ist umstritten, wie weit diese Gendergerechtigkeit gehen soll.

Wer kritisiert, dass die in einer Publikation verwendete Sprache non-binäre Sichtweisen einer gesellschaftlichen Minderheit nicht mitrepräsentiere, stellt die partikulären Interessen einer sprachpolitischen Minderheit über das Allgemeininteresse.

„Asterisk“ vs. sprachliche Weiterentwicklung

Einige Anmerkungen zum Asterisk, dem Gendersternchen, das in den letzten Jahren – so auch von Ihnen – von einer Minderheit der Autorinnen und Autoren auch für diese Zeitschrift eingefordert wird:

Wie kaum ein anderes typografisches Zeichen wurde der Asterisk (*) in den letzten Jahren mit einer besonderen genderpolitischen Bedeutung aufgeladen.

Nach Bekunden seiner Befürworter soll er ein weites Spektrum von Geschlechtern kennzeichnen, z.B. auch Personen, die sich nicht als Mann und Frau, sondern als ‚divers‘ begreifen.

Der Asterisk soll zu einem geschlechtsneutralen Sprachgebrauch führen, aber es ist durchaus umstritten, ob er dazu überhaupt taugt.
Genderpolitische Gefechte, die mit dem Genderesternchen und anderen typografischen Zeichen geführt werden, sind im Übrigen spezifisch für die Debatte im deutschsprachigen Raum, weil es z.B. im Englischen infolge eines einheitlichen Artikels für alle Geschlechter (genderneutrales ‚the‘; deutsch jedoch: ‚der‘, ‚die‘ oder ‚das‘) viel weniger Anlässe für Auseinandersetzungen um einen gendergerechten Sprachgebrauch gibt.

Einige gendergerechte Weiterentwicklungen der deutschen Sprache (z.B. geschlechtsneutrale Partizipialbildungen wie ‚Studierende‘ statt ‚Studentinnen/Studenten‘) ist diese Zeitschrift in den letzten Jahren mitgegangen, auch weil diese non-binäre Vorstellungen von Geschlecht gedanklich einschließen.

Solche Schritte entsprechen dem durchaus umstrittenen Duden-Ratgeber ‚Richtig gendern‘, der 2017 erschien und dem vorgeworfen wurde, er biedere sich an den Zeitgeist an und mache die deutsche Grammatik geradezu lächerlich.

Fest steht: Im deutschsprachigen Raum gibt es vorerst keine Instanz, die in der Frage des gendergerechten Sprechens und Schreibens Normen setzen könnte.

In der amtlichen Rechtschreibung des Deutschen ist das Gendersternchen nicht vorgesehen.

Daher sind alle Dispute über das Sternchen weiterhin Gegenstand von gesellschaftlichen Auseinandersetzungen.

Was sagt der Linguist?

Zur sprachwissenschaftlichen Einordnung des Asterisk empfiehlt der Linguist Peter Eisenberg, exemplarisch einmal das Wort ‚Verlierer*innen‘ genauer anzusehen, um zu erkennen, dass es hierbei eigentlich nur um kulturkämpferische Ideologie gehe.

Im ersten Teil des Sternchen-Wortes werde das Männliche sichtbar (‚Verlierer‘), im zweiten Teil dann in rudimentärer Weise das Weibliche (‚-innen‘).

Das zwischengeschaltete Sternchen dagegen habe gar keine sprachliche Bedeutung und man könne gar nicht wissen, welche Geschlechter damit eventuell gemeint seien, und auch nicht, wie viele – bei Facebook seien es zurzeit 60, auf anderen Listen 53 verschiedene Geschlechter.

Es gehe bei dem Sternchen gar nicht um die Erzeugung einer konkreten Bedeutung, sondern um eine bloße Anerkennungsgeste einer aktuellen Ideologie gegenüber.

Die ZEIT spricht im Hinblick auf den Asterisk von einem ‚identitätspolitischen Aktivismus verschiedener Minderheiten‘ (vgl. DIE ZEIT vom 30.5.2018, S. 41).

Fazit

Das Gendersternchen hält überhaupt nicht, was es verspricht: gendergerecht zu schreiben – sprechen kann man es ja sowie nicht, wenn man den hier vielleicht hinzuzuziehenden Knacklaut nicht beherrscht.

Und es hat zudem zu scharfen Kontroversen zwischen einem feministischen und queeren Genderaktivismus geführt (vgl. DIE ZEIT vom 11.2.2021, S. 48).