Seite auswählen

Nimmt man die Erklärungen von Mitgliedern der Mönchengladbacher Verwaltungsspitze ernst, stehen alle Handlungen, Entscheidungsvorbereitungen und Entscheidungen bezüglich des Rathaus-Neubaus unter dem Primat der Wirtschaftlichkeit.

Versteht man Wirtschaftlichkeit – vereinfacht dargestellt – als Differenz zwischen in Zukunft vermeidbaren Kosten und den Kosten für einen Rathaus-Neubau, kann man eine solche erreichen, wenn man die „vermeidbaren Kosten“ möglichst hoch ansetzt (prognostiziert, berechnet) und prognostizierte/berechnete Kosten eine Neubaus in der aktuellen Höhe belässt.

Wirtschaftlich wäre der Neubau aber auch, wenn auf Grundlage objektiver und aktuellen Bedarfsänderungen die Baukosten realistischer einschätzt und entsprechend reduziert, indem man beispielsweise auf ein Baufeld (III) verzichtet.

Will man – aus welchen Gründen auch immer – Letzteres nicht, spielt man die „juristische Karte“ aus, rückt das „Schwert des Damokles“ in Form des Vergaberechts und eines erneuten Wettbewerb in den Mittelpunkt und sucht (und findet) einen Juristen, der dieses Vorgehen unterstützt.

Dabei scheint das Vertrauen des Baudezernenten Dr. Gregor Bonin in das stadteigene Rechtsamt mit hochbezahlten Fachjuristen nicht besonders ausgeprägt zu sein, wenn es um eine vergabe-und vertragsrechtliche Einschätzung zu der Frage geht, ob ein Verzicht auf das „Baufeld III“ juristische Folgen haben könnte.

Möglicherweise ist aber das Rechtsamt auch so überlastet, dass die dort beschäftigten Juristen nur keine „Kapazitäten“ frei hatten, oder sie zu einem anderen Ergebnis gekommen wären, als der Rechtsanwalt, der datiert mit dem 18.01.2021 seine „Prüfungsergebnisse“ vorgelegt hatte.

(c) BZMG

(c) BZMG

Während beim STRABAG-Untersuchungsbericht eine klare Struktur zugrunde lag, die (formalen) Gesichtspunkten eines „Gutachtens“ nahe kommt, lässt die „vergaberechtliche Prüfung“ des Berliner Rechtsanwalts elementare Grundzüge einer gutachterlichen Stellungnahme vermissen.

Unverständlich ist, dass das siebenseitige Schreiben (Abschrift zu besseren Lesbarkeit) dennoch verbal als „Rechtsgutachten“ hochstilisiert und bislang nicht Bestandteil öffentlich zugänglicher Dokumente zum Rathaus-Neubau wurde.

In Anlehnung an die Anforderungen an Sachverständigengutachten von Industrie-und Handelskammern fehlt es dem vermeintlichen Rechtsgutachten insbesondere an

  • nachvollziehbaren Hinweisen zur Auftragserteilung (Auftraggeber, Datum, Ort usw.)
  • Besonderen Vorgaben zur Auftragserteilung (Fristen u.ä.)
  • Genaue Wiedergabe der Aufgabenstellung und der zu klärenden Fragen
  • Methodische Anweisungen des Auftraggebers
  • Darstellung des vom Auftraggeber vorgebenen, bestimmten Sachverhaltes und vom Auftraggeber zur Verfügung/beigestellten Unterlagen
  • Auftragsgemäß zu beschaffende Unterlagen
  • Zitaten aus Rechtsquellen
  • Bewertung des Sachverhaltes
  • Beantwortung evtl. gestellter Fragen
  • Empfehlung für Entscheidungen und ggf. Entscheidungsoptionen mit Darlegung von Konsequenzen

Darüber hinaus ist das „Prüfungsergebnis“ unübersichtlich und für juristische Laien unverständlich beschrieben.

Die an den Beginn des Schreibens gestellte „Zusammenfassung“ kommt zu zwei Handlungsoptionen, die jeder im Vergaberecht bewanderte Verwaltungsfachmann hätte aufzeigen können.

Ein solcher hätte möglicherweise auch Wege aufzeigen können, wie man – die angestrebte Wirtschaftlichkeit im Auge habend – das vermeintlichen Dilemma „Neues Wettbewerbsverfahren“ vermeiden könnte.

Genau darauf hob der Berliner Rechtsanwalt nicht ab.

Solange sein Auftrag nicht öffentlich ist, kann spekuliert werden, ob er weitere Alternativen zu „Neuer Wettbewerb nötig“ und „Neuer Wettbewerb nicht nötig“ überhaupt hätte aufzeigen dürfen.

Ebenfalls (noch) spekulativ ist, ob der Rechtsanwalt in seiner „Prüfung“ auch die Gesamtwirtschaft­lichkeit des Projektes hat betrachten sollen oder ob er nur die Kosten und möglich Verzögerungen durch einen erneuten Wettbewerb darzulegen hatte.

Spekulationen würden auch die Basis entzogen, wenn u.a. diese Fragen beantwortet würden:

  • Wer hat den Rechtsanwalt auf welcher Rechtsgrundlage beauftragt?
  • Hat es dazu eine Ausschreibung mit welchem Ergebnis gegeben?
  • War und wurde der Vergabeausschuss an dieser Auftragsvergabe beteiligt?

Keineswegs spekulativ jedoch ist die Tatsache, dass es dem Baudezernenten Dr. Gregor Bonin (CDU) in der Ratssitzung am 25.03.2021 offensichtlich gelang, das geforderte „Update“ der STRABAG-Untersuchung „abzuwehren“ und die Zeichnung einer „drohenden“ Wiederholung/Neuauflage eines Wettbewerbs durch Verweis auf die „anwaltliche Prüfung“ zu vertiefen.

Dass die wenigsten der in dieser Ratssitzung abstimmenden Personen die Ergebnisse der STRABAG-Untersuchung und/oder erst Recht das „Prüfungsergebnis“ des Rechtsanwaltes zu Thema „erneuter Wettbewerb“ wirklich kannten, dürfte ebenfalls zu den Tatsachen gezählt werden.

Andernfalls wären sie durch schlichtes „Nachdenken“ allein durch die Lektüre der „Zusammenfassung“ des Anwalts zu diesen Erkenntnissen gekommen:

Dreh-und Angelpunkt in der Bonin’schen Argumentation ist das Baufeld III (Gelände der Stadtsparkasse) und der mit einem Verzicht einhergehenden „Gefahr“ eines neuen Wettbewerbs, verbunden mit zusätzlichen Kosten und zeitlichen Verzögerungen im Projektverlauf.

Darauf, dass sowohl die „zusätzlichen Kosten“ Kosten als auch die „zeitlichen Verzögerungen“ durch den Wegfall von Baufeld III um ein Vielfaches kompensiert werden können, geht Bonin nicht ein.

Vielleicht kommen ja Politiker (oder Bonin selbst) auf den Gedanken, einen Projektplan erstellen zu lassen, der im Detail nachvollziehbare Zeit- und Kostenplanungen beispielsweise mit und ohne Baufeld III und mit und ohne neuen Wettbewerb beinhaltet.

Das wäre ein wichtiger Schritt hin zu Transparenz und würde tiefergehende Spekulationen weitgehend zu vermeiden helfen.

(c) BZMG

Danach drängt sich der Eindruck auf, dass alle so genannten „Expertisen“ (unter ihnen STRABAG und Berliner Rechtsanwalt) vordringlich darauf ausgerichtet sind, eine Begründung für die in Aussicht gestellte Kreditaufnahme zu liefern.

Koste es was es wolle (im wörtlichen Sinne)!

So macht die Dokumentation zum „Beratungsprojekt STRABAG“ deutlich, wie Ergebnisse durch die Bereitstellung von zu verwertenden Daten vorbestimmt werden, was nur einen Aspekt der Diffusion des gesamten Prozesses deutlich zeigt.

Neben der Befriedigung der Egos, die mit dem Projekt verbunden sind, ist daher die oberste Priorität, keine (begründeten) Zweifel an dem Projekt aufkommen zu lassen.