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Nach Wuppertal, Hameln, Essen und anderen Kommunen hat nun auch die Stadt Aachen beim Neu- und Erweiterungsbau eines Verwaltungsgebäudes die „Reißleine“ gezogen, alle Planungen gestoppt und das Thema „zu den Akten“ gelegt.

Der mehrheitliche Beschluss von Grünen, CDU, SPD, der Fraktion DIE ZUKUNFT, FDP, AFD und DIE PARTEI (nur die Linke stimmte nicht zu) lautete:

(c) BZMG

„Der Planungsausschuss nimmt die Ausführungen der Verwaltung zur Kenntnis. Er folgt der Argumentation der Verwaltung und beschließt, die Planungen zum Erweiterungsbau des Verwaltungsgebäudes Lagerhausstraße unmittelbar einzustellen.

Damit ist der Wettbewerb um diese Planungs­aufgabe abgeschlossen.

Er schließt sich dem Beschluss des Personal- und Verwaltungsausschusses an und bittet um zeitnahe Vorlage eines zukunftsweisenden Gesamtkonzeptes für den Bedarf an Verwaltungsflächen.“ (Zitat Ende)

Damit reagierte der Aachener Planungsausschuss am 08.12.2022 auf eine Verwaltungsvorlage, in der insbesondere auf diese veränderte Rahmenbedingungen eingegangen wurde:

  • „Mit Eintreten der multiplen Krisen in der Bauwirtschaft (Rohstoff-, Herstell-, Material-, Liefer- und Fachkräftekrise) spätestens ab 2021, verstärkt jedoch seit dem Angriffskrieg Russlands in der Ukraine, sowie den daraus folgenden extremen, nie gekannten Bauindex- und damit Kostensteigerungen steht die bisherige Wirtschaftlichkeitsbetrachtung für den Erweiterungsbau in Frage.
  • Mit der Corona-Krise ist ein verstärkter Trend zur „Mobilen Arbeit“ in den Wirtschafts- und Verwaltungszweigen, die dafür im Alltagsbetrieb besonders geeignet sind zu beobachten.

    Dies hat auch in Aachen zur Folge, dass bestimmte Branchen (z.B. Versicherungen) Ihre (Verwaltungs-) Gebäude frei ziehen und für andere Nutzungen zur Verfügung stellen.

  • Mit dem zunehmenden gesellschaftlichen und politischen Bewusstsein, dass die Bauwirtschaft sich von der globalen Problembranche Nr.1 hin entwickeln muss zum Lösungsgeber und das die Städte hierzu Treiber sind und Vorbildfunktion haben, hat sich die Stadt Aachen und dementsprechend das Städtische Gebäudemanagement neu aufgestellt: es ist Teil der Circular-City-, Cradle-to-Cradle-, und Nachhaltigkeits-Bewegung.
  • Diese Ausrichtung hat sich verstärkt durch die deutlichen Hinweise und Richtungszeige des Deutschen Städtetages (2021), der Nachhaltigkeitsstrategien der Bundesrepublik (2021), des Landes NRW (2020) und der Stadt und anderer relevanten Dach- und Fachverbände, auf einen Paradigmenwechsel in der Bauwirtschaft hinsichtlich des Umganges mit bestehenden Ressourcen: erst Bestandserhalt und -erneuerung, dann Bestandserweiterung und erst als letzte Option Neubau!“ (Zitat Ende)

Die Aachener Oberbürgermeisterin ist parteilos. Der Aachener Stadtrat setzt sich seit der Kommunalwahl 2020 so zusammen

GRÜNE:

DIE ZUKUNFT:

AFD:

22 Sitze

4 Sitze

2 Sitze

CDU:

DIE LINKE:

DIE PARTEI:

14 Sitze

3 Sitze

1 Sitz

SPD:

FDP:

11 Sitze

3 Sitze

Erste Anzeichen für diese Entscheidungsrichtung gab es schon im Oktober vorigen Jahren, als ein Aachener Pressemedium entsprechend berichtete und auf die vom Landesbetrieb IT im August 2022 prognostizierte Erhöhung des Baupreisindexes für Bürogebäude gegenüber dem Vorjahr um ca. 15,7% hingewiesen hatte.

Das Bauvolumen des Aachener und des Mönchengladbacher Vorhabens ist zwar unterschiedlich, jedoch gibt es bemerkenswerte Parallelen, aber auch gravierende Unterschiede:

Unserer Redaktion vorliegende Detail-Informationen aus dem Projekt zur Planung eines Neu- und Erweiterungsbaues für die Aachener Stadtverwaltung und die Vorgehensweisen beim ähnlichen Projekt „Rathaus der Zukunft“ der Mönchengladbacher Verwaltungsspitze und Teilen der Mönchengladbacher Politik lassen einen vergleichenden Faktencheck zu, der keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt.

Bemerkenswert ist der nachvollziehbare Aachener Paradigmenwechsel:

  • erst Bestandserhalt und -erneuerung,
  • dann Bestandserweiterung und
  • erst als letzte Option Neubau.

Dass Verwaltung und Politik in Aachen aus Vernunftsgründen und verantwortungsvoll im Sinne der Bürger das Projekt beendeten, ist offensichtlich.

Ob es seitens des Wettbewerbssiegers vergaberechtliche Schritte gegen die Stadt Aachen – analog der „Drohung“ des Mönchengladbacher Baudezernenten im Projekt „Rathaus der Zukunft“ – geben wird, bleibt abzuwarten.

Parteipolitische Gründe jedenfalls können angesichts des parteiübergreifenden Konsenses beim Stopp dieses Projektes in Aachen keine Rolle gespielt haben.

(c) BZMG

Bei dem einen oder anderen könnte dabei auch – sozusagen „im Hinterkopf“ – auch die persönliche Haftung eine Rolle gespielt haben.

In NRW ist Haftungsgrundlage § 43 Abs. 4 NRWGO.

Danach haften Ratmitglieder, wenn sie vorsätzlich oder grob fahrlässig ihrer Pflicht gegenüber der  Gemeinde und damit gegenüber den Bürgern handeln.

Grob fahrlässig handelt, wer einen Schaden durch einfache und naheliegende Verhaltensweisen hätte verhindern können und diese außer Acht gelassen hat.

Nach ständiger Rechtsprechung des BGH gelten für Mitglieder kommunaler Vertretungskörperschaften keine „mildernden“ Sorgfaltsmaßstäbe.

Entscheidend ist damit, was von einem „Durchschnittsgemeindevertreter“ erwartet werden kann, es also irrelevant ist, ob dieser von Beruf Fahrradhändler, Lehrer, Bauplaner oder Anwalt ist.

Fehlen ihm zu einem Sachverhalt die notwendige Sachkenntnis, muss er sich notfalls Rat und/oder Empfehlungen Dritter einholen.

Es hängt also nicht von persönlichen Kenntnissen und Fähigkeiten ab.

Ein bloßes „hab‘ ich nicht gewusst, ich bin doch nur …“ reicht nicht aus, um grobe Fahrlässigkeit zu verneinen.

Es reicht aber auch nicht aus, was der ehem. SPD-OB-Kandidat Heinrichs und jetzige Mönchengladbacher Oberbürgermester in einer öffentlichen Ratssitzung in der Causa „SVEN“ erklärte: „… wenn ich eine Vorlage bekommen, die heißt ‚Sie können dem zustimmen‘, gehe ich davon aus, dass ich das tun kann“ (Zitat Ende).

Spätestens dieser kurze Exkurs in die Problematik „Haftung von Mandatsträgern“ sollte verantwortungsbewussten Mandatsträger deutlich machen, auf welchem „schmalen (Haftungs-)brett“ sie sich bewegen, sollten sie versuchen, sich bei der Causa „Rathaus der Zukunft“ hinter „Fraktionszwängen“ oder einem befürchteten „Platzen der Ampel-Kooperation“ zu verstecken.

Auch der eine oder andere (juristische) Mandatsträger sollte sein Verhalten und seine versuchte Einflussnahme auf andere Mandatsträger dringend überprüfen.

Dies besonders dann, wenn dieses Verhalten persönlich, (macht-)politisch oder gar finanziell motiviert sein sollte oder bislang öffentlich noch nicht bekannt gewordene „Seilschaften“ eine Rolle spielen.

Diese Haftungsproblemtik tangiert nicht nur Ratsmitglieder, sondern auch Mitglieder anderer Entscheidungsgremien, wie – im vorliegenden Fall – die Mitglieder des Betriebsausschusses „Rathaus der Zukunft“.