Immer dann, wenn zu erwarten oder zu befürchten ist, dass der eigene Sachverstand nicht ausreicht, von anderen nicht anerkannt wird oder ein „Gutachten“ für die Durchsetzung eigener Ziele hilfreich sein könnte, beauftragt man einen „Gutachter“ oder lässt ihn beauftragen.
Gutachter (oder Sachverständiger) ist eine nicht geschützte Berufsbezeichnung, ein Nachweis für eine besondere Fähigkeit oder Fachkompetenz ist das allerdings nicht.
So fällt es auch leicht, eine Untersuchung oder eine (oberflächliche) Stellungnahme eines Dritten als „Gutachten“ hochzustilisieren, um die (vermeintlich unabänderlichen) Aussagen zu unterstreichen.
"Gutachter" • Anforderungen und Beauftragung
Ausnahme: Geschützt ist die Berufsbezeichnung des öffentlich bestellten Sachverständigen
Also: Jeder ist berechtigt, sich den Titel „Gutachter“ oder „Sachverständiger“ zuzulegen.
Viele Gutachter und Sachverständige sind im Deutschen Gutachter und Sachverständigen Verband e.V. (DGuSV) organisiert, der einen Nachweis für besondere Fachkunde als Grundlage für das Führen dieser Berufsbezeichnungen erwartet.
Wenn jemand eine fundierte Ausbildung und umfangreiche Berufserfahrung in seinem Fachgebiet hat, kann er sich als „sachverständig“ einstufen und als „Gutachter“ befähigt sehen.
Das allein reicht jedoch nicht.
Ein Gutachter und Sachverständiger muss in der Lage sein, seine Beurteilung in einem Gutachten schriftlich verfassen zu können und die Standpunkte mündlich vorzutragen.
Je nach Situation werden „gutachterliche Stellungnahmen“, „Untersuchungen“, „rechtliche Einschätzungen“, „fachliche Einschätzungen“ usw. gerne mit dem Begriff „Gutachten“ gleichgesetzt und damit überhöht, auch um den Eindruck einer Absolutheit, Unabdingbarkeit (oder Ehrfurcht) zu erzeugen.
Ungeachtet dessen, müssen die Formulierungen eines „Gutachtens“ auch für Laien verständlich sein.
Denn auch, wenn der Sachverständige das „Gutachten“ nicht selbst erläutern kann, sondern es von Kommunalpolitikern, die keine Juristen oder juristisch belesene Menschen sind, gelesen wird, müssen die Aussagen klar verständlich sein.
Selbst wenn das „Gutachten“ allgemeinverständlich ist, wird gerne der „Trick“ angewandt, das Papier so zu erläutern, zu interpretieren und so zu „ergänzen“, dass die eigene Zielverfolgung des Auftraggebers unverkennbar ist.
Solchen „Gutachten“ haftet dann der Makel an, dass es sich dabei möglicherweise um eine Gefälligkeit des Gutachters gegenüber dem Auftraggeber handelt, der mit der Formulierung umschrieben werden kann: „Ich wünsche ein Gutachten mit folgendem Ergebnis …“.
Struktur eines Gutachtens
In der Praxis hat sich folgende Struktur für ein Gutachten bewährt, an der sich Sachverständige orientieren können.
- Deckblatt
- Angaben zum Bearbeiter (Name, ggf. Firma, Anschrift, Kontaktmöglichkeiten, Qualifikation)
- Titel („Gutachten“) und Gegenstand des Gutachtens
- Angaben zum Auftraggeber (Gericht, Aktenzeichen, Verfahrensbeteiligte; Privater Auftraggeber: Name, ggf. Firma, Anschrift, Kontaktmöglichkeiten)
- ggf. Gutachtennummer und –datum
- Ggf. Inhaltsverzeichnis
.
- Auftragsbeschreibung
- Datum, Inhalt und Umfang der Beauftragung, Wiedergabe des Beweisbeschlusses
- Gegenstand und Zweck der Beauftragung/des Gutachtens
- Bei Privatauftrag: Verwertungsrechte entsprechend vertraglicher Vereinbarung
- Sachverhalt/Beurteilungsgrundlagen
- Sorgfältige und lückenlose Darstellung der vorgegebenen oder zu ermittelnden Beurteilungsgrundlagen
- Offenlegung der auftragsgemäß vom Auftraggeber zu Grunde gelegten Informationen und eigenen Tatsachenfeststellungen und Erkenntnisquellen, z. B. Ergebnisse der Ortsbesichtigung/Untersuchungen
- Sachverständige Würdigung
- Beurteilung nur des durch den Auftrag vorgegebenen Sachverhaltes
- Klare und eindeutige Formulierungen, Fachvokabular vermeiden oder erklären, Ausführungen auf das Wesentliche beschränken ohne die Nachvollziehbarkeit zu beeinträchtigen
- Für den Laien nachvollziehbare und für den Fachmann nachprüfbare Herleitung der Ergebnisse
- Keine Vorspiegelung nicht vorhandener Sicherheiten im Ergebnis
- Fotos, Skizzen, Grafiken u.ä. zur Verdeutlichung der schriftlichen Ausführungen verwenden
- Zusammenfassung
Überblick über die wesentlichen Ergebnisse des Gutachtens und knappe Antworten auf die gestellten Fragen
- Unterschrift und ggf. Stempel
- Anhang
- Tabellen
- Diagramme
- Skizzen
- Fotos
- Links
Während bei einem Wettbewerb peinlich genau auf die Einhaltung von Formalien geachtet und auf eine Mehrstufigkeit bei der Auswahl der potenziellen Wettbewerbsteilnehmer Wert gelegt wird, gibt man bei diesem Projekt den ausgewählten Teilnehmern Informationen und „Vorgaben“ an die Hand, die in der Sache unvollständig sind bzw. nicht dem aktuellen Stand entsprechen.
So beispielsweise einen „Untersuchungsbericht“ der STRABAG, die im weitesten Sinne den Anforderungen an eines „Gutachten“ entsprechen, jedoch „beigestellte“ Daten enthalten, die im Nachhinein einer detaillierten Überprüfung bedürfen und zu einem Update veranlassen könnten.
Demgegenüber wird eine rechtliche Einschätzung zu einem vergaberechtlich brisanten Sachverhalt kommuniziert, die der Form nach nicht einmal im Ansatz in die Nähe eines „Gutachtens“ kommt, weil nicht erkennbar ist, ob es sich dabei um die Abarbeitung eines (schriftlichen) Auftrages oder nur um eine unverbindliche persönliche Stellungnahme handelt.
Ein Indiz dafür ist der Hinweis darauf, dass Grundlage für dieses Schreiben ein Telefongespräch war.
Auf den „Untersuchungsbericht“ der STRABAG“ und die „rechtliche Einschätzung“ wird an anderer Stelle dieser Themenreihe noch einzugehen sein.