Viersener Straße, Flieth- und Hittastraße, Erzbergerstraße und kein Ende. Die Liste der Autovorrang-Planungen wird auch nach der Kommunalwahl nicht kürzer, eher länger.
Die Presseerklärungen aus dem Dezernat 6 der Stadtverwaltung klingen oft wie Musik in den Ohren der Radfahrenden.
Noch im November legte die Verwaltung im Umwelt- und Mobilitätsausschuss ein Radschnellverbindungskonzept vor, nach dem nahezu alle Stadtteile mit dem Fahrrad schnell zu erreichen sein sollen.
Ein fantastischer Plan im doppelten Wortsinn.
Realsatire statt Utopia
Leider sieht die Wirklichkeit in Mönchengladbach völlig anders aus.
Die dringend erforderlichen Verbesserungen der Radinfrastruktur fallen allenthalben einer wie „festgetackerten“ Autovorrangplanung zum Opfer.
Für wichtige Hauptverbindungen sind Lösungsansätze nicht in Sicht, vielmehr wird offensichtlich versucht, den Radverkehr auf unzureichende Nebenwege zu leiten.
Für die Hittastraße sollte dafür ein zu schmaler Wandelpfad auf der Böschung des Geroweiher herhalten, nach dem Motto „die Radfahrer können doch diesen Weg nutzen“.
Ein Plan, der nun vom Tisch ist, aber wohl nicht wegen der Fahrradführung, sondern weil Anwohner und Baumschützer (zu recht!) dagegen protestiert haben.
Auf der vierspurigen Straße ändert sich derweil nichts, obwohl der Dezernent und Stadtdirektor, Dr. Gregor Bonin, schon 2017 in seinem Masterplan Nahmobilität (MPN) Flieth- und Hittastraße ausdrücklich als Netzlücke mit Unfallhäufungsstellen für den Radverkehr identifiziert (MPN S. 199/200) hat.
Am Beispiel Geropark offenbart sich der Nachteil von Planungen, die nur in kleinteiligen Modellen denken. Verkehrspolitik braucht aber eine Betrachtung über Fördergebietsgrenzen hinaus.
Die Umplanung der chaotischen Erzbergerstraße wurde im August von der Bezirksvertretung Ost an die Verwaltung zurückgewiesen, mit der Frage, ob der wenige hundert Meter weiter östlich verlaufende Grünzug (u. a. Karl-Kämpf-Allee) so ertüchtigt werden könnte, dass er sich als Radweg von Rheydt bis Hauptbahnhof eignet.
Prompt beschwärmt im April 2021 der zuständige Dezernent diesen durchweg zu schmalen Rad-Spazierweg als „leistungsfähige und sichere Nord-Süd-Radverbindung“ und spricht dabei ernsthaft von „Stärkung einer nachhaltigen Mobilität“.
Autovorrang statt Rad und Bus
Auf der Viersener Straße zwischen Kaiserstraße und Staufenstraße soll es weiterhin stadtauswärts bei den eigentlich verzichtbaren zwei Kfz-Geradeaus-Spuren bleiben, und für die vom ADFC geforderten sicheren Radführungen bleibt kein Platz.
Stattdessen wird die Busspur weggeplant, um eine zusätzliche Kfz-Spur zu schaffen.
Und die geplante Fahrradstraße Bettrather Straße endet vor der Sandradstraße, die letzten 300 Meter bis zum Alten Markt werden Eltern mit ihren Kindern wohl noch Jahre ohne sichere Fahrradführung zurücklegen müssen.
Für die neue Ampel-Kooperation aus SPD, GRÜNEN und FDP könnte die im Wahlkampf stark thematisierte städtische Verkehrspolitik zum Stolperstein werden.
Woran hapert es?
Zu dicke Bretter vor den Köpfen der Entscheidungsträger oder fehlende Einstimmigkeit der politisch Führenden?
Der Beitrag erschien Ende Mai im ADFC-Magazin „Rad am Niederrhein“ (Ausgabe 2021-1)