Seite wählen

Als große Mönchengladbacher Errungenschaft feierte Baudezernent Dr. Gregor Bonin (CDU), sekundiert von der GroKo aus CDU und SPD und dem seinerzeitigen Oberbürgermeister Hans Wilhelm Reiners (CDU) die Deklaration der Brucknerallee/Richard-Wagner-Straße im Herbst 2017 als „1. Mönchengladbacher Fahrradstraße“.

Zu den Initiatoren zählten seinerzeit der Mönchengladbacher ADFC und der Masterplanverein MG 3.0, zu dessen Vorstand Dr. Gregor Bonin gehört. Der Verein MG 3.0 hat mittlerweile seine „Masterplan-Mission“ für beendet erklärt, sich mit „Smart City“ ein neues Betätigungsfeld gesucht und seine Satzung angepasst.

Als Endpunkte wurden die beiden Hauptbahnhöfe genannt, womit den Studierenden die Möglichkeit gegeben soll, von diesen Bahnhöfen mittels Fahrrad das Gelände der Hochschule zu erreichen.

Gesicherte, objektivierbare Zahlen und Daten gibt es jedoch nicht, auch nicht zur tatsächlichen Nutzung dieser „Fahrradstraße“ zwischen den faktischen Endpunkten Rheydter Marktplatz und Hofstraße..

Anwohner der Brucknerallee, die sich 2017 in einer „Anwohnerinitiative“ zusammengeschlossen haben, haben dazu eigene Ermittlungen erstellt und sind zu dem Ergebnis gekommen, dass das Nutzer-Verhältnis zwischen motorisiertem Verkehr und Fahrradfahrer 2:1 betrug.

Demgegenüber hatte das für die Beschilderung zuständige Ordnungsamt im Juni 2017 diesen Straßenzug als einen mit „für den Kfz-Verkehr untergeordneten Bedeutung“ erklärt und damit die Beschilderung in Auftrag gegeben.

Laut Ordnungsamt sollen für den Teilbereich zwischen Rheydter Markt und Nordstraße (Fischerturm) 5.000 Kfz pro Tag registriert worden sein.

Wäre hierfür die Anordnung einer „Fahrradstraße“ rechtens gewesen, hätten unter Beachtung der Straßenverkehrsordnung (StVO § 45) der Fahrradverkehr „überwiegen“ müssen.

Beobachtungen (auch ohne Zählungen) zeigen, dass auf diesem Streckenabschnitt keineswegs mehr als 5.000 Fahrräder verkehren, was den Schluss zulässt, dass das Deklarieren als „Fahrradstraße“ auf Veranlassung „von oben“ und/oder der Politik und/oder durch den Einfluss von „Interessenvertretern“ geschah.

Um den offensichtlichen Verstoß gegen die StVO nicht offensichtlich werden zu lassen, wurde die Anordnung „Fahrradstraße“ für diesen Straßenzug als „Probebetrieb“ deklariert und dieser zeitlich auf zwei Jahre begrenzt.

Dieser „Probebetrieb“ endete zunächst am 07.03.2019 und wurde bis zum 31.10.2020 verlängert, weil die beauftragten Verkehrserhebungen nicht vorgelegen haben sollen.

Dass das Ende des Probebetriebes ausgerechnet mit den angekündigten Ende der Amtszeit von OB Hans Wilhelm Reiners fiel, mag Zufall sein, ist aber dennoch erwähnenswert.

Diese Erhebungen liegen auch aktuell noch nicht vor oder die Ergebnisse werden aus vermeintlich triftigen Gründen noch nicht veröffentlicht.

Das eröffnet einen breiten Raum für Spekulationen, denn unter Anwendung der Straßenverkehr­s<­ordnung, die es nur zulässt, eine Straße als „Fahrradstraße“ auszuweisen, wenn der Fahrradverkehr gegenüber dem Kfz-Verkehr „überwiegt“.

Im „Fall“ Brucknerallee zwischen Fischerturm und Rheydter Marktplatz müssten also erheblich mehr als 5.000 Fahrradfahrer pro Tag unterwegs sein, was bei Beobachtungen keineswegs festzustellen war.

Statt sich an die Straßenverkehrsordnung zu halten, scheint die Verwaltung eine „StVO-Lex Mönchengladbach“ einführen zu wollen, indem sie als „Kriterien“ für eine Fahrradstraße Aspekte heranzieht, die in der StVO gar nicht vorkommen:

  • „Befürchtete Konflikte zwischen Pkw- und Fahrradverkehr haben sich nicht ergeben.“
  • „Das Unfallgeschehen ist ebenfalls nicht auffällig.“
  • „Da die Fahrradstraße mittlerweile sehr gut vom Fahrradverkehr angenommen wird und der KFZ Verkehr teilweise auf die parallel verlaufenden Verkehrsachsen verlagert werden konnte, gibt es keine Gründe, die gegen eine dauerhafte Einrichtung der Fahrradstraße sprechen.“

Diese Zitate aus einer Anweisung des Ordnungsamtes, einen Tag vor dem Ablauf des „Probebetriebes“, und die daraus abgeleitete Schlussfolgerung, eine Verkehrserhebung sei nicht notwendig, sollte zu denken geben.

Ebenfalls zu denken geben sollte die Tatsache, dass die nicht vorhandenen „Konflikte zwischen Pkw- und Radverkehr auch dadurch ausgeblieben sind, weil insbesondere Schüler aus Angst die Straße meiden und stattdessen den immer noch auf dem Fußweg vorhandenen Radweg nutzen.

Ähnlich sieht es offensichtlich auch die AiB (Anwohnerinitiative Brucknerallee), die in einer heute veröffentlichten Pressemitteilung von der Verwaltung fordert, „sich vom mehrjährigen Leugnen der Probleme gegenüber der Bezirksregierung Düsseldorf, dem NRW-Verkehrsministerium, dem Petitionsausschuss des Landtags NRW sowie den Anwohnerinnen und Anwohnern der Fahrradstraße Brucknerallee nun auf die Realitäten einzustellen.“

Weiter fordert die AiB von der neuen Ratsmehrheit aus SPD, B90/Die Grünen und FDP, sich von der Verwaltung die „zwingende Erforderlichkeit“ der Fahrradstraße nach § 45 StVO nachweisen zu lassen.

Diesen Nachweis vorzulegen, habe die Verwaltung der AiB bislang verweigert, die vermutet, dass es einen solchen nicht gebe.

Dr. Ulrich Pongs, einer der Sprecher der AiB, betont in einem Gespräch mit BZMG: „Wir haben nichts gegen Fahrradfahrer – auch nicht auf der Brucknerallee – , die meisten von uns benutzen das Fahrrad sehr häufig. Wir wollen lediglich, dass die Gesetze und Ordnungen eingehalten und adäquat angewandt werden“.

Das habe man bislang vermissen müssen.

Ungeachtet dieser Forderung, die den Ampelpartnern bekannt sein dürfte, scheinen sie diese nicht in ihre Überlegungen zur „Optimierung der blauen Route“ berücksichtigen zu wollen.

Stattdessen folgen sie in einem Fraktionsantrag, der u.a. in der Sitzung der BV Süd (17.02.2021) gestellt wird – wenig reflektierend – den Vor­stellungen aus der GroKo-Zeit und verfolgt offensichtlich das Ziel, die Rheydter Fußgänger­zone (Hauptstraße) ebenfalls zur „Blauen Route“ zu erklären, also zur „Durchfahrt-Fahrradstraße“ zu machen, die dann weiter zum Rheydter Hauptbahnhof geführt werden soll.

Nicht wenige Bürger sehen die „Blaue Route“ als „Show-Veranstaltung“ einiger weniger.

Wieder andere sehen darin einen PR-Gag, mit dem sich Mönchengladbach die Mitgliedschaft in der „Arbeitsgemeinschaft fußgänger- und fahrradfreundlicher Städte, Gemeinden und Kreise in Nordrhein-Westfalen“ (AGFS) „erkaufen“ wollte.

Es mag sein, dass die Befürworter in einer AGFS-Mitgliedschaft ein „Druckmittel“ gegenüber der Stadt sehen, in der Verwaltung (und Teilen der Politik) werden möglichereweise aber die Kräfte überwiegen, die nach wie vor alles daransetzen, dass Mönchengladbach den Nimbus „autofreundliche Stadt“ nicht verliert.