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Es war eine dieser denkwürdigen Mitgliederver­sammlungen der Bündnisgrünen, bei das Dilemma deutlich wurde, wie schwierig es für die Partei sein kann, wenn ein neuer und hochengagierter Parteivorstand auf gewiefte Fraktionspolitiker trifft.

So geschehen bei der gestrigen Mitgliederver­sammlung von B90/Die Grünen in der Kleingarten­anlage Windberg, die um 11:00 Uhr begann und mit ca. einer Stunde Verspätung erst gegen 15:00 Uhr endete.

Das lag keineswegs an der Versammlungsleitung durch Lena Zingsheim-Zobel, die auf Vorschlag des veranstaltenden Parteivorstandes von den etwas über 40 anwesenden Grünen-Mitgliedern (von ca. 300) in diese Funktion gewählt wurde.

Es lag vielmehr an einigen Anträgen, die vom Parteivorstand zur Abstimmung gestellt wurden und auf das offensichtlich nicht wirklich funktionierende Zusammenwirken von Partei und Fraktion hinwiesen.

Ämterhäufung

In einem Antrag plädierte der Parteivorstand dafür, dass Ratsmitglieder, die bei der Kommunalwahl auch auf der Liste einer Bezirksvertretung (BV) kandidiert hatten, auf eines dieser Ämter verzichten sollten.

Dies war in der auslaufenden Wahlperiode kein Thema, weil die Grünen mit bis zu fünf Mitgliedern in den BV vertreten waren und dadurch und durch eine – gegenüber zukünftig – größere Zahl von Sitzen in den Ausschüssen hinreichend Plätze vorhanden waren, um auch neuen interessierten Mitgliedern die Möglichkeit zu eröffnen, sich kommunalpolitisch einzubringen.

Bei nur noch zwei Sitzen in den BV und in Ausschüssen sei diese Möglichkeit kaum noch gegeben und dadurch weiter eingeschränkt, dass in zwei BV jeweils ein Sitz durch ein Ratsmitglied „blockiert“ würden, so die Argumentation des Kreisvorstandes.

„Betroffen“ davon wären Marion Manske (BV Nord) und Marcel Klotz (BV Süd) gewesen.

Letzterer war nicht anwesend und überließ es Ratsfrau Laura Steeger einen Änderungsantrag zum Vorstandsantrag formell „einzubringen“.

Klotz hatte den Änderungsantrag gestellt, man möge eine solche Regelung erst ab der Wahlperiode ab 2030 zur Wirkung bringen.

Dieser Änderungsantrag wurde von der Versammlung abgelehnt.

Für den eigentlichen Vorstandsantrag wurde von einer ehemaligen Ratsfrau und Mitglied im Kreisvorstand geheime Abstimmung beantragt.

Dieser wurde dann knapp mit 21 Nein-Stimmen, 20 Ja-Stimmen bei wenigen Enthaltungen abgelehnt.

Im Ergebnis können beide Ratsmitglieder ihre BV-Sitze für die nächsten fünf Jahre einnehmen (jeweils ca. 3.200 EURO/Jahr), es sei denn sie würden frei­willig darauf verzichten und Nachrückern auf der jeweiligen BV-Liste die politische Mitwirkung ermöglichen.

Über die Gremienbesetzungen

Ein weiterer Antrag des Parteivorstandes offenbarte, dass es hinsichtlich der „Interessenbekundungen“ von Grünen-Mitgliedern, die sich für die politische Arbeit in Ausschüssen usw. interessieren würden, keine Abstimmung zwischen Fraktion und Partei gegeben habe.

In diesem Kontext stellte der Parteivorstand zur Abstimmung, ein so genanntes „GremienTeam“ aus Mitgliedern von Fraktion und Parteivorstand zu bilden, das eine Vorschlagsliste für die Besetzung in allen politischen Gremien mit „grünen“ Personen (incl. Aufsichtsräte) erarbeiten solle und über die dann (so ein weiterer Antrag) eine Mitgliederversammlung befinden solle.

Damit würde – so die Begründung – die Mit­glieder­ver­sammlung als „höchstes beschlussfähiges Organ des Kreisverbandes“ transparent und nachvollziehbar unmittelbar in die Entscheidung eingebunden und die Legitimität deutlich gestärkt.

Da Anträge mit der Verabschiedung durch die Mitgliederversammlung üblicherweise „ab sofort“ gelten, sah Dr. Boris Wolkowski (Co-Fraktions­vor­sitzender) sich zu der Erklärung veranlasst, es habe sehr wohl Abstimmungen über die „Interessen­bekundungs­liste(n)“ gegeben, ohne dabei hinsichtlich Terminen und Ergebnissen konkret zu werden.

Wolkowski kündigte an, dass er -für den Fall, dass diese Anträge beschlossen und „ab sofort“ gelten würden – in der Konstituierenden Sitzung am 5. November für B90/Die Grünen keine Anträge zur Besetzung von Ausschüssen usw. stellen würde.

In diesem Kontext hatte er kurz zuvor erklärt, dass es unzulässig sei, der Fraktion irgendwelche Weisungen zu erteilen.

Wolkowski dennoch wörtlich: „… Dann besetzen wir keinen Ausschuss und dann besetzen wir auch keine einzige Gesellschaft. ..:“

Diesem Statement, das einzelne Mitglieder nach der Veranstaltung gegenüber BZMG als „manipulative Drohung“ empfunden hatten, folgte ein Geschäftsordnungsantrag (der dann auch angenommen wurde), besagten Antrag des Kreisvorstandes in die nächste Mitgliederversammlung zu verschieben.

Pikant im Zusammenhang mit der gesamten Listenproblematik:

Obwohl Andreas Wurff von allen Direktkandidaten von B90/Die Grünen das beste Wahlergebnis erzielt hatte, wurde er bei keinem Gremium, für das er seine Interesse an einer Mitarbeit in mehreren Gremien bekundet hatte, berücksichtigt.

Da die Gremienbesetzung federführend vom Fraktionsvorstand bestimmt wurde, scheint mindestens für diesen Fakt noch Klärungsbedarf zu bestehen.

Auch wenn Wurff über die Grünen-Liste in die BV Nord gewählt wurde, verzichten die Verfasser der Interessentenliste – aus welchen Gründen ist unbekannt – offensichtlich auf die Kompetenz einer Person mit weitreichender Politik- und Verwaltungserfahrung.

Keine Aufarbeitung des schlechten Abschneidens bei der Kommunalwahl

Auch dieser Tagesordnungspunkt wurde „verschoben“.

Und zwar auf eine Sonder-Mitgliederversammlung, die noch vor Weihnachten einberufen werden soll.

Dabei soll dann auch das Ergebnis einer parteiinternen Online-Umfrage zur Abwicklung des Wahlkampfes der Grünen näher behandelt werden.

Ein mündlich vorgetragener Bericht ließ erkennen, dass dabei nicht auf die Politik der Grünen in den vergangenen fünf Jahren eingegangen wurde, sondern überwiegend auf Organisatorisches.

Auf politische Gründe des Scheiterns, die hauptsächlich bei Programmatischem und in der Fraktion zu finden sein werden, ging hingegen eine ausführliche und fundierte Analyse eines langjährigen Fraktionsmitgliedes ein.

Diese stand allen Mitgliedern zur Verfügung, wurde jedoch nicht behandelt.

Bei der Lektüre dieser Analyse darf nicht außer Acht gelassen werden, dass der aktuelle Parteivorstand von B90/Die Grünen mit neuen Ehrenamtlern erst seit wenigen Monaten im Amt ist und eine politische Situation und eine Faktenlage vorgefunden hatte, die kaum noch beinflussbar war.

Hinzu kam, dass die vorgezogene Bundestagswahl zu „stemmen“ war.