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Die Landesregierung hat eine parlamentarische Anfrage von sieben Landtagsabgeordneten der AfD nur unzureichend beantwortet.

Das hat der Verfassungsgerichtshof für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster mit einem heute nach mündlicher Verhandlung verkündeten Urteil entschieden.

Mit einer großen parlamentarischen Anfrage vom 29. November 2017 (LT-Drs. 17/1363) verlangten die Antragsteller von der Landesregierung Auskünfte über sogenannte gefährliche Orte im Sinne von § 12 Abs. 1 Nr. 2 des nordrhein-westfälischen Polizeigesetzes, an denen der Polizei aufgrund einer spezifischen Kriminalitätsbelastung erweiterte Befugnisse zu anlassunabhängigen Identitätsfeststellungen zustehen.

Insbesondere begehrten sie Auskunft darüber, welche Orte, Straßen und Plätze durch die Polizei landesweit als sogenannte gefährliche Orte eingestuft und der Landesregierung anlässlich verschiedener Abfragen bei den Kreispolizeibehörden im Zeitraum von 2010 bis 2017 konkret gemeldet worden waren.

In ihrer Antwort vom 2. Mai 2018 (LT-Drs. 17/2517) weigerte sich die Landesregierung, die ihr in dem genannten Zeitraum gemeldeten 44 Orte zu benennen, sondern gab nur eine Übersicht nach dem Zuständigkeitsbereich der jeweiligen Kreispolizeibehörde heraus.

Es solle eine Stigmatisierung der Orte verhindert und eine Beeinträchtigung des Sicherheitsgefühls der Bevölkerung vermieden werden.

Außerdem könne die Arbeit der Polizei erschwert werden, wenn potenzielle Straftäter Kenntnis von den genauen Orten und einer verstärkten Beobachtung dieser Orte durch die Polizei erlangten.

Die begehrten Informationen seien für die Antragsteller schließlich nur von begrenzter Aussagekraft, weil die Klassifizierung eines Ortes als gefährlich im Sinne des Polizeigesetzes stets von der täglichen Lagebeurteilung abhänge und die der Landesregierung vorliegenden Meldungen daher nur auf Momentaufnahmen beruhten.

Die Antragsteller haben daraufhin vor dem Verfassungsgerichtshof ein Organstreitverfahren gegen die Landesregierung eingeleitet.

Mit dem heute verkündeten Urteil hat der Verfassungsgerichtshof festgestellt, dass die Antwort der Landesregierung den Informationsanspruch der Antragsteller aus Art. 30 Abs. 2 und 3 der Landesverfassung verletzt.

In ihrer mündlichen Urteilsbegründung führte die Präsidentin des Verfassungsgerichtshofs Dr. Ricarda Brandts aus, dass die Landesregierung die begehrte Auskunft mit den angeführten Erwägungen für eine Anonymisierung nicht in pauschaler Weise hätte verweigern dürfen.

Zwar gehörten die Funktions- und Arbeitsfähigkeit der Polizei zu den Belangen des Staatswohls, die grundsätzlich eine Geheimhaltung der einzelnen Orte rechtfertigen könnten.

Die Landesregierung wäre jedoch verpflichtet gewesen, die Geheimhaltungsbedürftigkeit für jeden der in Rede stehenden Orte zu prüfen und mit der Bedeutung, die dem verfassungsrechtlich gewährleisteten Informationsanspruch der Antragssteller für eine effektive Kontrolle der Landesregierung zukomme, sorgfältig abzuwägen.

Soweit im Einzelfall hinreichend gewichtige Geheimhaltungsinteressen bestünden, müsse die Landesregierung zudem eine Unterrichtung der Antragsteller in nichtöffentlicher, vertraulicher oder geheimer Form in Betracht ziehen.

Dabei müsse sie die Gründe für ein solches Vorgehen in einer für die Antragsteller nachvollziehbaren Weise darlegen.

Auch eine für den Fall des Bekanntwerdens befürchtete Stigmatisierung der Orte bzw. der betroffenen Anwohner oder eine Beeinträchtigung des Sicherheitsgefühls der Bevölkerung rechtfertigten die Geheimhaltung unter den gegebenen Umständen nicht.

Aktenzeichen: VerfGH 5/18