Als am gestrigen Spätnachmittag der Viersener Stadtrat nach vielen Videokonferenzen zur ersten „Präsenzsitzung“ zusammentrat, standen über 40 Punkte auf der Tagesordnung.
Hierzu war der Saal der Festhalle so vorbereitet, so dass die 64 Ratsmitglieder und der Verwaltungsvorstand in corona-konformem Abstand zu einander saßen.
Auf der Empore folgten in den Logen etwa 10 Zuhörer der Sitzung und unter anderem auch den TOP 4 der Debatte um den Entwurf der „Gemeinsamen Erklärung“ der Städte Viersen, Mönchengladbach und Willich und dem Kreis Viersen rund um das Vorhaben „Weiterführung der S28 bis Viersen“.
Eine wirkliche „Debatte“ im Sinne eines Streitgespräches fand zu TOP 4 jedoch nicht statt, weil alle Fraktionen gewillt waren, der mittlerweile mehrfach geänderten Erklärung zuzustimmen.
Mit einer für Viersen wesentlichen Besonderheit, die Stephan Sillekens, Fraktionsvorsitzender der CDU, thematisierte, nämlich die Ablehnung der Viersener gegen die so genannte „Viersener Kurve“.
Diese kam – entgegen der Ursprungsfassung der Erklärung in der zur Abstimmung stehenden Fassung – nicht mehr vor, ja wurde nicht einmal erwähnt.
Diese hatte die Stadt Mönchengladbach aus ihrem Änderungsvorschlag ersatzlos gestrichen.
Aufgrund dieser (neuen) Situation beantragte Sillekens eine Sitzungsunterbrechung, um sich mit allen Fraktionsvorsitzenden beraten zu können
Aus den von der sitzungsleitenden Bürgermeisterin Sabine Anemüller (SPD) auf ca. 10 Minuten geschätzte Beratungspause wurden gefühlte 45 Minuten.
Zur Bedeutung der Ablehnung der „Viersener Kurve“ für die Stadt Viersen erläuterte Sillekens auf Nachfrage in einem Telefonat:
„Die Viersener Kurve soll die Strecke von Venlo mit der in Richtung Krefeld verbinden soll und Güterverkehr aus Richtung Venlo unmittelbar nach Duisburg möglich machen.
Diese würde mitten durch den Stadtteil Viersen-Rahser führen und wie die aktuellen Strecken von Venlo nach Viersen und von Viersen nach Krefeld in einer Hochlage angelegt.
Die beiden vorhandenen Strecken durchschneiden das Rahser schon heute, die Viersener Kurve wäre die dritte Durchschneidung des Rahsers.
Zu den vorhandenen Lärmbelastungen kämen weitere Lärm- und andere Belastungen aus den täglich zu erwartenden ca. 60 Güterzugpaaren.
Nutznießer wären nur die Benelux-Häfen Rotterdam und Antwerpen auf der einen Seite und der Duisburger Hafen an der anderen Seite.
Daher lehnt Viersen seit Jahren Überlegungen zur „Viersener Kurve“ generell ab. Das ist Beschlusslage sowohl im Viersener Stadtrat als auch im Kreistag.“
Für den Personenverkehr gäbe diese Kurve keine Vorteile. Wohl unterstütze man die Planungen für die durchgehende Zweigleisigkeit zwischen Viersen und Kaldenkirchen, ergänzt Sillekens.
Diese Zweigleisigkeit sei im aktuellen Bundesverkehrswegeplan konkreter geplant, eine „Viersener Kurve“ sei allenfalls in einem darauf folgenden Bundesverkehrswegeplan konkreter angegangen werden, also nach 2035; momentan sei diese Maßnahme nur nachrichtlich genannt.
An Spekulationen, warum die Passage zur „Viersener Kurve“ im neuerlichen Entwurf nicht mehr enthalten war, wolle er sich nicht beteiligen, erklärte Sillekens auf Nachfrage.
Während der Sitzungsunterbrechung verständigten sich die Fraktionsvorsitzenden darauf, dass eine Ablehnung der „Gemeinsamen Erklärung“ wegen des Fehlens der Passage „Viersener Kurve“ nicht zielführend sei.
Dazu Stephan Sillekens:„In dieser Diskussion gab es die einen – zu denen auch ich gehörte -, die über die Erklärung hinaus deutlich machen wollten, dass sich an der Viersener Position gegen die Viersener Kurve nichts ändert und dass diese unseren Nachbarn bekannt ist.
Andere meinten, man dürfe Mönchengladbach durch ein Bestehen auf eine Wideraufnahme des Passus‘ keinen erneuten Anlass geben, aus der Diskussion auszusteigen.
So kam es zu dem Kompromiss, dass wir sagen, dass wir nach wie vor gegen die „Viersener Kurve“ sind und wir unterzeichnen den Letter of Intent so, wie er uns vorliegt und schicken beide Beschlüsse nach Mönchengladbach.“
Sollte es dennoch dazu kommen, dass der LoI in Mönchengladbach nicht unterzeichnet werde, könne er sich vorstellen, dass die bislang von Viersener Seite praktizierte Zurückhaltung aufgegeben werde.
Zum Thema Güterverkehr auf der Strecke der S28 bestätigte Sillekens abschließend: „Seitdem ich mich mit der S28 befasse war immer die Rede davon, dass dort kein Güterverkehr stattfinden soll. Das wird auch technisch so umgesetzt.“
Nach der Sitzungsunterbrechung beschloss der Stadtrat Viersen jeweils einstimmig, dass
- die Verwaltung eine Resolution erarbeitet, die zum Ziel hat, deutlich zu machen, dass die Stadt Viersen die „Viersener Kurve“ nach wie vor ablehnt und
- die Bürgermeisterin die „Gemeinsame Erklärung“ in der aktualisierten Form unterzeichnen möge.