In einer noch nicht verabschiedeten Neufassung der Wahlordnung für den Seniorenrat plant die Stadtverwaltung eine deutliche Begrenzung der Zahl der Bewerberinnen und Bewerber: Maximal 50 Kandidatinnen und Kandidaten sollen zur Briefwahl im kommenden November zugelassen werden.
Kommt es zu mehr gültigen Bewerbungen, soll das Los entscheiden, wer tatsächlich auf dem Stimmzettel landet.
Der entsprechende Passus der geplanten Regelung lautet:
„Die Zahl der Wahlvorschläge ist auf maximal 50 Personen begrenzt. Gehen mehr als 50 gültige Wahlvorschläge ein, entscheidet das Los aus der Gesamtheit der eingereichten gültigen Wahlvorschläge, wer als Kandidat zugelassen wird. Das Losverfahren ist öffentlich und wird vom Wahlleiter durchgeführt.“
Verwaltung verweist auf „praktische Erwägungen“
In der Sitzung des Seniorenrats am 20.05.2025 in der Zentralbibliothek erklärte die Verwaltung, diese Maßnahme sei aus organisatorischen Gründen notwendig, etwa im Hinblick auf die Gestaltung der Wahlunterlagen und den Aufwand der Auszählung.
Eingriff in das passive Wahlrecht?
Doch die geplante Regelung trifft nicht überall auf Zustimmung.
Befragte Juristen äußern grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedenken. So greife die Maßnahme in das passive Wahlrecht ein – also das Recht, sich zur Wahl zu stellen.
„Wenn ein Bewerber nicht kandidieren darf, nur weil das Los entscheidet, ist das ein schwerwiegender Eingriff in demokratische Grundrechte“, erklärt ein auf Verfassungsrecht spezialisierter Anwalt gegenüber unserer Redaktion.
Besonders kritisch sei, dass nicht inhaltliche Kriterien oder formale Fehler, sondern reiner Zufall über die Teilnahme an der Wahl entscheide.
Auch der Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes (Art. 3 GG) werde verletzt: „Alle Bewerberinnen und Bewerber haben ein Recht auf gleiche Chancen“, so der Jurist.
Entscheidung offen
Die umstrittene Regelung steht derzeit zur Beratung in den zuständigen Gremien an und soll in der letzten Ratssitzung vor der Sommerpause und der Kommunalwahl am 14. September beschlossen werden
Ob sie in dieser Form verabschiedet wird, ist offen.
Die Diskussion zeigt: Auch eine vermeintlich technische Frage wie die Anzahl von Namen auf einem Wahlzettel kann schnell zu einer grundsätzlichen Debatte über Demokratie, Teilhabe und Grundrechte werden.

Zwei Aussagen, ein Kandidat – und eine Frage, die bleibt: Was gilt eigentlich?
Anfang Mai betont der grüne OB-Kandidat, wie wichtig es sei, aus der „Blase“ herauszukommen, sich auch der AfD zu stellen – um deren menschenverachtende Positionen klar sichtbar zu machen.
Anfang Juni dann das Gegenteil: Kein Podium mit der AfD, Punkt.
Begründung: Man dürfe solchen Kräften keinen Raum geben.
Was davon ist Überzeugung – was ist Inszenierung?
Es geht hier nicht um eine akademische Spitzfindigkeit, sondern um das Fundament politischer Glaubwürdigkeit.
Wer mit Werten wirbt, muss sie auch dann vertreten, wenn es unbequem wird.
Wer aber Haltung als tagespolitische Variable behandelt, vermittelt vor allem eines: Beliebigkeit.
Und genau das ist der Nährboden, auf dem die AfD wächst.
Nicht durch Inhalte, sondern durch den Eindruck, dass „die anderen“ sich winden, taktieren, zurechtbiegen.
Gerade unentschlossene oder frustrierte Wähler sehen genau hin – und merken sich solche Widersprüche.
Wenn sie dann den Eindruck gewinnen, dass in der Politik nicht das ehrlich gesagt wird, was wirklich gedacht wird, sondern nur das, was gerade gut ankommt, dann wenden sie sich ab.
Oder schlimmer: Sie laufen denen zu, die einfache, autoritäre Antworten anbieten.
Auch Medien tragen in diesem Spiel Verantwortung. Es reicht nicht, Zitate nebeneinanderzustellen.
Es braucht klare Nachfragen, offene Benennung von Widersprüchen und die Weigerung, sprachliche Glättungen durchgehen zu lassen.
Demokratie lebt vom Streit – aber auch von der Klarheit, wo jemand steht.
Wer sich als OB-Kandidat darin verheddert, schwächt am Ende nicht nur sich selbst, sondern auch seine Partei … und letztlich das Vertrauen in die Demokratie als Ganzes.