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Am letzten Dienstag (03.08.2021) nominierten 96 (von nominell 100) Delegierte aus den sieben SPD-Ortsvereinen in der Kaiser-Friedrich-Halle ihre beiden Direktkandidaten für die Wahlkreise 49 und 50 zur Landtagswahl 2022, die nach derzeitigem Planungsstand am 17. Mai 2022 stattfinden wird.

Lässt man diesen Parteitag Revue passieren, lassen sich einige Feststellungen treffen:

Alle Delegierten wählten Kandidaten für beide Wahlkreise

Die SPD nutzte die Option aus dem Landeswahlgesetz, dass sämtliche 100 Delegierte sich an der Wahl der Kandidaten für die beiden Mönchengladbacher Wahlkreise 49 und 50 beteiligen durften.

Auf Nachfrage beim Versammlungsleiter Winfried Kroll erläuterte dieser:

„Das Landeswahlgesetz sieht drei Möglichkeiten der Kandidierendenaufstellung vor:

I.
Eine separate Aufstellungsversammlung je Wahlkreis. Hier stimmen nur die in dem betreffenden Wahlkreis zum Landtag wahlberechtigten Personen ab.

II.
Eine organisatorische Zusammenfassung der Versammlungen für mehrere Wahlkreise. Hier muss organisatorisch eine getrennte Abstimmung nach Wahlkreisen erfolgen. Für die jeweiligen Wahlkreise dürfen nur die in diesem Wahlkreis zum Landtag wahlberechtigten Personen abstimmen.

III:
Eine gemeinsame Versammlung für alle Wahlkreise. In einem solchen Fall ist nicht nur eine organisatorische Zusammenfassung mehrerer Aufstellungsversammlungen an einem Termin und an einem Versammlungsort zulässig, bei der weiterhin wahlkreisbezogen unter Berücksichtigung des Wohnsitzes der Mitglieder bzw. Delegierten im jeweiligen Wahlkreis abgestimmt wird. Vielmehr erlaubt die Ausnahmeregelung nach § 18 Abs. 4 LWahlG darüber hinaus, dass alle stimmberechtigten Mitglieder aus dem Stadtgebiet in einer gemeinsamen Mitglieder- oder Vertreterversammlung über alle Wahlkreisbewerber abstimmen.

Wie in III. haben wir es gestern vollzogen, da die Satzung der NRW SPD nunmehr keine andere Möglichkeit zulässt.“ (Zitat Ende)

Der Landeswahlleiter NRW bestätigte auf Nachfrage, dass (der seit 1993 unverändert geltende) §18 Abs. 4 dahingehend ausgelegt werden könne, dass alle wahlberechtigten Personen auch die Kandidaten ALLER Wahlkreise in einer Kommune wählen könnten.

Diese Option diene den Parteien der organisatorischen Erleichterung der internen Kandidatenwahl.

Ähnlich hatte es die CDU bei der Nominierung ihrer Kandidaten zur Landtagswahl 2010 gehandhabt, bei der nicht Delegierte, sondern alle CDU-Mitglieder die Kandidaten wählen dürfen.

Seinerzeit stellten sich im Wahlbezirk 49 der Mönchengladbacher Michael Schroeren und der Odenkirchener Erwin Rüttgers zur Wahl, woraus Schroeren als „Sieger“ hervorging.

Schroeren war noch an diesem Abend massiv von der Jungen Union mit ihrem damaligen Vorsitzenden Martin Heinen durch ein „Flugblatt“ unterstützt worden.

http://www.bz-mg.de/zu-vergangenen-wahlen/landtagswahl-2010/landtagswahl-2010-kandidatenwahl-cdu-vs-kandidatenwahl-spd/
http://www.bz-mg.de/politik-verwaltung-parteien/cdu/cdu-zieht-mit-post-und-schroeren-in-den-landtagswahlkampf-2010/

Damals waren sich viele CDU-Mitglieder sicher, dass es bei einer wahlkreisbezogenen Wahl zu einem anderen Ergebnis gekommen wäre.

Das hätte bei wahlkreisbezogenen Wahlen auch beim SPD-Wahlparteitag in der KFH passieren können, wie vereinzelt nach dem Feststehen der durchaus überraschenden Wahlergebnissen spekuliert wurde.

Bewerbungsreden der drei Kandidaten thematisch beliebig austauschbar

Bewerbungsreden werden gehalten, um die (internen) Wähler zu veranlassen, sich für den Kandidaten zu entscheiden, dem sie am ehesten zutrauen, ein Amt im Sinne der thematischen Vorstellungen der Abstimmenden auszufüllen.

Soweit die Theorie.

Würde es bei solchen Entscheidungen nur nach den Inhalten gehen, hätte es bei der Wahl der Mönchengladbacher SPD-Landtagskandidaten fast immer die gleiche Zustimmung geben müssen.

Denn alle drei Kandidaten „bedienten“ mehr oder weniger ausgeprägt die gleichen Problemfelder:

  • Bezahlbarer Wohnraum
  • Bildungsgerechtigkeit
  • Gesellschaftlicher Zusammenhalt
  • Klima

Im Grunde nach waren alle drei Bewerbungsreden – abgesehen von den persönlichen Aspekten – beliebig austauschbar.

Austauschbar nicht nur untereinander, sondern auch austauschbar gegen Bewerbungsreden bei anderen Parteien.

Wahlkreis 49
(Rheydt, Odenkirchen, Giesenkirchen, Wickrath …)
 

Wahlkreis 50
(Stadtmitte, Rheindahlen, Hardt, Neuwerk, …)

 

Oliver Büschgens   Michael Roth   Josephine Gauselmann
   
   

 

 

 

Unterstellt man allen Kandidaten, dass sie sich für die gleichen Inhalte einsetzen möchten, bleibt die (spekulativen) Frage nach den Gründen, warum die Delegierten letztendlich in geheimer Wahl so votiert haben, wie sie es taten:

  • War es die Art der Voträge?
  • Waren Sympathie/Antipathie ausschlaggebend?
  • Gönnte man dem einen das „winkende“ Einkommen als MdL in Höhe von monatlich ca. 12.000 EURO mehr als dem andern?
    oder
  • Spielte die unterschwellig nach wie vor auch innerhalb der SPD zu beobachtende „Rivalität“ zwischen Mönchengladbach (alt) und Rheydt/Odenkirchen/Wickrath auch bei diesen Abstimmungen eine Rolle?

ÜBERRASCHUNG NR. 1: Michael Roth setzte sich gegen Oliver Büschgens durch

Es hat sich insbesondere bei einigen Medienvertreter eingebürgert, von „Kampfkandidatur“ zu sprechen, wenn zwei Menschen dasselbe Amt anstreben.

Diese martialische Begrifflichkeit ist für einen ganz normalen demokratischen Vorgang innerhalb einer Partei oder auch beim Wettbewerb von Kandidaten unterschiedlicher Parteien vollkommen unangebracht.

Das trifft auch auf den Wettbewerb zwischen Oliver Büschgens und Michael Roth für das Amt des Landtagskandidaten im Wahlbezirk 49 zu.

Büschgens und Roth haben auf dem Parteitag am 03.08.2021 nicht gegeneinander „gekämpft“, sondern durch ihre Vorstellungsreden um die Gunst der Delegierten geworben.

Welche Diskussionen es im Vorfeld des Parteitages zwischen Unterstützern des einen mit Unterstützern des anderen oder gar zwischen den beiden Kandidaten selbst gegeben hat, spielt schlussendlich keine wesentliche Rolle.

Auch nicht Überlegungen, nach denen Roth zunächst im Wahlkreis 50 gegen Josephine Gauselmann antreten wollte, sich dort aber geringere Chancen ausgerechnet hatte und somit im Wahlkreis 49 seinen Hut in den Ring warf.

Seine Kandidatur im Wahlkreis 49 statt im Wahlkreis 50, könnte aber auch mit parteiinternen Befürchtungen zusammenhängen, dass die Kandidatur Roths zu einer „Schwächung“ von Gauselmann hätte führen können, so dass deren Ziel, für den Landtag zu kandidieren, gefährdet sein könnte.

 

Von den anwesenden 96 (von 100) Delegierten votierten 57 für Michael Roth und Oliver Büschgens 35.

Das bedeutet, dass Büschgens nicht einmal alle Delegierten der zu „seinem“ Wahlbezirk gehörenden Ortsvereine auf sich vereinen konnte.

Möglicherweise konnte er mit seiner stark auf Rheydt und auf kommunalpolitische ausgerichtete Rede nicht „punkten“.

Nicht auszuschließen ist aber auch, dass er  „Opfer“ einer stark auf Mönchengladbach (alt) ausgerichteten SPD-Führung in Mönchengladbach wurde.

Ein Indiz für diese „These“ ist die Tatsache, dass Büschgens auch bei seiner Bewerbung auf den Vorsitz der Ratsfraktion gegen den Vorsitzenden des Ortsvereins NORD, Jannan Safi, unterlegen war.

ÜBERRASCHUNG NR. 2: Josephine Gauselmann erhält ohne Gegenkandidaten nur 66 Stimmen

Weil Josephine Gauselmann im Wahlkreis 50 ohne Gegenkandidaten antreten konnte, wurde ihr ein Ergebnis oberhalb von 80% zugetraut.

Doch es kam anders: Sie erreichte nur 66 vom 96 Delegierte und blieb damit sogar noch unter einem 70%-Anteil.

 

 

Mehr als deutlich war dabei auch die Ablehnung von 20 Stimmen (= ca. 21%).

Ein Trost könnte sein, dass wahrscheinlich alle anwesenden Delegierten der Ortsvereine im Mönchengladbach Wahlkreis 50 für sie gestimmt haben.

Dass es an ihrer ambitioniert vorgetragenen Rede mit vielen sozialdemokratischen Facetten gelegen hat, dass 30% der Delegierten ihr nicht die Stimme gaben, kann ausgeschlossen werden.

Viel mehr könnte auch das ein Indiz dafür sein, dass es um die der nach außen getragenen Harmonie in der Mönchengladbacher SPD doch nicht so gut bestellt ist, wie es den Anschein hat.

EXKURS Bundestagswahl: Gülistan Yüksel muss um Bundestags- mandat fürchten und wirbt um Wahlkampfunterstützung

 

Naheliegend, durchaus legitim aber auch notwendig war es, dass die Unterbezirksvorsitzende Gülistan Yüksel die Delegierten eindringlich um Unterstützung im bevorstehenden Bundestagswahlkampf bat.

Dass Yüksel am 26. September 2021 das Mönchengladbacher Direktmandat erreichen wird, ist wenig wahrscheinlich.

Zu groß ist die Dominanz des CDU-Kandidaten Dr. Günter Krings.

Während für Krings die Zweitstimmen eher eine untergeordnete Rolle spielen wird, könnten sie für Yüksel quasi existentiell werden.

Ausschlaggebend ist dabei das Ergebnis, welches die SPD NRW „einfahren“ kann.

Denn daraus wird sich ergeben, wie viele Kandidaten der SPD-Landesliste auf diesem Weg (wieder) in den Bundestag einziehen können sowie die Platzierung der Kandidaten auf dieser Liste.

Bei der letzten Bundestagswahl im Jahr 2017 rangierte Gülistan Yüksel auf Listenplatz 12 und zog als 10. (von 15) Gewählten der SPD-NRW-Liste in den Bundestag ein.

Seinerzeit erhielt die SPD auf Bundesebene 20,5% der Stimmen.

Angesichts der aktuellen Umfragen, nach denen die SPD im Bund mit ca. 17% noch hinter den Grünen liegt, und der Tatsache, dass Yüksel auf der SPD-Landesliste nur noch auf Listenplatz 22 liegt, ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie neben Krings als weitere Mönchengladbacher Bundestagsabgeordnete in Berlin bleibt, sehr gering.

Helfen kann ihr (und ihren Wahlkämpfern) nur noch eine „Zweitstimmen-Kampagne“ für die SPD, damit die NRW-SPD (und damit deren Liste) ein so großes Gewicht erhält, dass auch Listenplatz 22 noch „zieht“.