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Wenn die RP in ihrer heutigen Ausgabe titelt „Wendemanöver mit ‚Sven‘“, ist das nicht einmal die halbe Wahrheit.

Es ist allenfalls ein Ausweichmanöver, um den Mönchengladbacher NEW-Protagonisten aus der Schusslinie zu verhelfen.

Dazu musste der NEW-Vorstand Frank Kindervatter nichts anderes tun, als sich der unmissverständlichen Vorgabe der Bezirksregierung Düsseldorf zu beugen und den Versuch zu unternehmen, die umstrittenen NEW-Anteile an „Share2drive GmbH“ zu verkaufen.

Momentan ruhen die Aktivitäten des einzigen Mitarbeiters dieser Firma und damit die des gesamten Unternehmens.

Mit bisherigen Versuchen die Anteile der NEW AG zu verkaufen, war Kindervatter gescheitert.

Als „Rettungsanker“ präsentierte er dem Rat in der Sitzung am 11.12.2019 zwei mögliche Wege, wobei keiner der beiden dazu geeignet scheint, die Verantwortung für das rechtwidrige Verhalten des Aufsichtsrates zu „heilen“.

Nach allen bisherigen Erfahrungen wird die Kommunalaufsicht sich damit zufrieden geben, dass „tätige Reue“ unterstellt wird und es dann dabei belässt.

Als „Lösung“ bot Frank Kindervatter auf 4 Folien zwei Wege an, die er demonstrativ über einen Beamer im Ratssaal präsentieren ließ, und die gut und gerne auf zwei DIN A 4-Seiten gepasst hätten.

Zum einen könne der Mit-Anteilseigner an „Share2drive“, die FEW GmbH, die Anteile übernehmen, zum anderen habe der Anteilseigner an der NEW AG, die innogy GmbH (ehemals Teil der RWE AG), Interesse am NEW-Anteil von „Share2drive“ bekundet, um sie weiter zu veräußern.

Dafür sprach sich die Ratsmehrheit aus CDU und SPD dann auch aus, wohlwissend, dass für den Fall, dass auch deren Verkaufsbemühungen fehlschlagen würden, der Verlust von 2,5 Mio. EURO bei der NEW AG verbleiben würde.

Das Ganze soll auf den Sommer 2021 terminiert werden und damit auf deutlich nach der Kommunalwahl im September 2020.

Aufatmen können die Mönchengladbacher Vertreter im NEW-Aufsichtsrat, Dr. Hans Peter Schlegelmilch (CDU), Felix Heinrichs (SPD) indes ebenso wenig, wie die übrigen Aufsichtsratsmitglieder und NEW-Vorstand Kindervatter.

Schlegelmilch und Heinrichs wird dieses Thema mindestens bis zur Kommunalwahl 2020 unter der Überschrift „widerrechtliches Verhalten“ begleiten.

Für Heinrichs mehr noch als Schlegelmilch, weil ein potentieller SPD-Hauptverwaltungsbeamter Felix Heinrichs dafür Sorge zu tragen hat, dass sowohl in der Kernverwaltung als auch in den Beteiligungsgesellschaften nach „Recht und Gesetz“ gehandelt und entschieden wird.

Seine Beteuerungen, er habe geglaubt, dass die Entscheidung des NEW-Aufsichtsrates, den Vorstand zu beauftragen den notariellen Beteiligungsvertrag abzuschließen – ohne das vorherige Plazet des Stadtrates einzuholen – richtig gewesen sei, wird ihn solange nicht aus seinem „Erklärungsnotstand“ befreien, bis geklärt ist, wer veranlasst hat, dass die entsprechende Passage aus dem Beschluss des Aufsichtsrates gestrichen wird.

Dem Vernehmen nach soll das Protokoll der fraglichen Sitzung des Aufsichtsrates nur eine allgemein Formulierung enthalten „der Aufsichtsrat hat beschlossen …“. Dass es zwei NEW-Juristinnen gewesen sein sollen, die Protokoll geführt haben zu denken geben.

Auch wird es Heinrichs kaum helfen, wenn er weiterhin beteuert, mit dem „heutigen Wissensstand“ anders entschieden zu haben.

Nicht das „Vielleicht-anders-entschieden-zu-haben, wenn …“ ist ausschlaggebend, sondern das tatsächliche Entscheiden – offenkundig ohne zu wissen, wozu er seine Zustimmung gab und welche Voraussetzungen hätten erfüllt sein müssen.

Sich hinter „Unkenntnis“ verstecken zu wollen, reicht bei weitem nicht aus.

Für ihn und für alle anderen „ehrenamtlichen“ Entscheider in Räten gilt die Feststellung eines Oberlandesgerichtes mit Bezug auf die Haftung von Gemeinderatsmitgliedern:

„…Insoweit gilt, dass jeder Beamte i.S.v. § 839 BGB, auch ein ehrenamtlicher Gemeinderat, die zur Führung seines Amtes notwendigen Rechts- und Verwaltungskenntnisse besitzen bzw. sich vor seiner Entschließung verschaffen muss.

Anderenfalls würde das Schadensrisiko bei Entscheidungen kommunaler Vertretungskörperschaften in unzumutbarer Weise auf den einzelnen Bürger verlagert werden. …“ (Zitat Ende)

Das gilt auch – oder gerade – für „ehrenamtliche Mitglieder“ in Aufsichtsgremien von Beteiligungsgesellschaften. Diese sind nichts anderes als „verselbständigte Aufgabenbereiche“ der Kommunverwaltung.

Auch vor diesem Hintergrund muss die Frage, ob sich die NEW AG an der Entwicklung eines Straßenfahrzeuges überhaupt beteiligen durfte, klar negiert werden.

Schließlich handelt es sich dabei um eine „wirtschaftliche Betätigung“ eines Teils der Kommune, die nicht unter die nach §107 der Gemeindeordnung NRW (GO NRW) zugelassenen wirtschaftlichen Betätigungen fällt.

„wenn

  1. ein öffentlicher Zweck die Betätigung erfordert,
  2. die Betätigung nach Art und Umfang in einem angemessenen Verhältnis zu der Leistungsfähigkeit der Gemeinde steht und
  3. bei einem Tätigwerden außerhalb der Wasserversorgung, des öffentlichen Verkehrs sowie des Betriebes von Telekommunikationsleitungsnetzen einschließlich der Telekommunikationsdienstleistungen der öffentliche Zweck durch andere Unternehmen nicht besser und wirtschaftlicher erfüllt werden kann.“ (Zitat Ende)

Dessen hätten sich sowohl der NEW-Vorstand als auch alle NEW-Aufsichtsratsmitglieder schon zu dem Zeitpunkt bewusst sein müssen, als die Beteiligung an der „Share2drive GmbH“ zum ersten Mal thematisiert wurde.

Insofern haften sowohl die Mandatsträger im Rat als auch die „Entsandten der Stadt in Aufsichtsräten und Verwaltungsräten von kommunalen Unternehmen“ persönlich.

Dazu heißt es unzweideutig in §43 Absatz 4 GO NRW zu den Rechten und Pflichten der Ratsmitglieder:

„Erleidet die Gemeinde infolge eines Beschlusses des Rates einen Schaden, so haften die Ratsmitglieder, wenn sie

  1. in vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung ihrer Pflicht gehandelt haben, …“ (Zitat Ende)

Gehaftet werden muss dann, wenn der Schaden eingetreten ist.

Vorliegend wäre das der Fall, wenn die Innogy GmbH beim Verkauf der temporär übernommenen NEW-Anteile an der „Share2drive GmbH“ erfolglos bleibt und damit der Verlust von 2,5 Mio. EURO tatsächlich entsteht.

Das wird frühestens im Sommer 2021 der Fall sein, wenn der „Deal“ mit Innogy SE so vollzogen wird, wie vom NEW-Vorstandsvorsitzenden Kindervatter vorgeschlagen wurde.

Das als „Wendemanöver“ zu bezeichnen, ist völlig unzutreffend.

Bei diesem „Deal“ handelt es sich ganz offensichtlich

  • zum einen um den Versuch, „Sven“ aus dem Kommunalwahlkampf heraus zu halten (was kaum gelingen dürfte),
  • zum anderen wird für alle Aufsichtsratsmitglieder der Zeitpunkt hinausgeschoben, zu dem fest steht, ob und in welcher Höhe sie haften müssen und
  • letztendlich um den strategischen Versuch, den Einfluss von Innogy SE auf die NEW AG zu vergrößern.