So unterschiedlich wie die vier Mönchengladbacher Stadtbezirke sind auch die „Vorsteher-Riegen“, die nach der Wahl im Stadtbezirk Süd nun vollständig sind.
Was alle eint, ist der erklärte Wille zu einer parteiübergreifenden Zusammenarbeit.
In diesem Sinne wurden die Bezirksvorstände nicht – wie man den Eindruck aus dem Beginn der GroKo-Zeit haben konnte – „konsequent“ nach den Mehrheitsverhältnissen aus der Kommunalwahl gewählt, sondern durchaus auch Platz gelassen für die unterlegene CDU.
Wie sich die neu gewählten Bezirksvorsteher die fünf Jahre ihrer Amtszeit vorstellen und wo sie politische Handlungsschwerpunkte sehen, brachte sie in ihren teils kurzen oder langen Antrittsreden zum Ausdruck.
Bezirksvertretung Nord
Für Monika Halverscheid (B90/Die Grünen), einzige Frau und einzige Grüne in der Vorsteher-Riege war es nach 20-jähriger Zugehörigkeit zur BV Nord ein aufregender und spannenden Tag, der 10. November 2020 im Haus Erholung.
Es wird für sie eine vollkommen neue Erfahrung sein, aus der Rolle als Fraktionssprecherin in der „Opposition“ in die Leitung von bislang männerdominierten Versammlungen zu wechseln, ihren Wunsch nach interfraktioneller Zusammenarbeit Realität werden zu lassen und vor allem die neu gewählten Mandatsträger einzubinden.
In Ihrer Antrittsrede zeigte sie die wesentlichen „Knackpunkte“ der nächsten Jahre für die BV Nord auf, bei denen es bei nicht unwesentlichen Aspekten zu Richtungsänderungen gegenüber den sechs Jahren GroKo kommen könnte.
Zu Vertretern der neuen Bezirksvorsteherin wurden in der konstituierenden Sitzung der BV Nord der bisherige Bezirksvorsteher Herbert Pauls (CDU) und als 2. Vertreter Michael Hildemann (SPD) gewählt.
Im Vorfeld dieser Sitzung hatte sich Pauls in einem Brief an viele Organisationen und Personen verabschiedet und sich für die Zusammenarbeit bedankt.
Bezirksvertretung Ost
Nicht unerwartet wurde SPD-Mann Volker Küppers neuer Vorsteher im Stadtbezirk Ost.
Er folgte auf seinen Parteifreund Hermann-Josef Krichel-Mäurer, der seit 2004 diesem geografisch geteilten und durchaus heterogenen Bezirk vorstand. Krichel-Mäurer hatte sich vor der Kommunalwahl 2020 aus beruflichen Gründen aus der Politik „in vorderen Reihen“ zurückgezogen.
Dem in Giesenkirchen verwurzelten Küppers stellt sich nun der Aufgabe, die Interessen der ehemals (vor 2002) eigenständigen und „selbstbewussten“ Stadtbezirke weiter unter „einen Hut“ zu bringen.
Diese Aufgabe geht er mit Zuversicht an und wird dabei von Ralf Krämer (CDU) als 1. Stellvertreter und Mona Aranea Guillén (B90/Die Grünen) als 2. Stellvertreterin unterstützt.
Der bisherige stellvertretende Bezirksvorsteher der Grünen, Hajo Siemes, war bezeichnenderweise von seinem Mandat in der BV Ost zurückgetreten und machte dadurch einem „Nachrücker“ seiner Partei Platz.
Küppers ging in seiner Antrittsrede auf diverse anstehende Projekte in der BV Ost ein, bot den Mitgliedern der BV seine Zusammenarbeit an und positionierte sich mit deutlichen Worten abschließend gegen Hass und radikalen Tendenzen gegenüber vermeintlichen „Randgruppen“ der Bevölkerung.
Damit reagierte er auf die hasserfüllten Angriffe aus der Mönchengladbacher AfD in einem so genannten „sozialen Netzwerk“, die sich Tage zuvor insbesondere gegen Mönchengladbacher Politiker islamischen Glaubens gerichtet hatten.
In gleicher Weise hatte sich der Fraktionssprecher der CDU in der BV Ost, Dieter Breymann, vor dem formalen Eintritt des „Altersmitglieds“ der BV Ost, Robert Baues (CDU) „für seine Fraktion“ geäußert.
Bezirksvertretung Süd
Die Bezirksvertretung Süd ist immer schon für Überraschungen gut.
Am 19 November war es nicht die Tatsache, dass Ulrich Elsen (SPD) für das Amt des Bezirksvorstehers kandidieren würde und auch gewählt wurde, sondern dass die CDU-Fraktion es nicht geschafft hatte, vollständig zu erscheinen.
CDU-Bezirksvertreter Daniel Durst (Spross der Odenkirchener „Bauunternehmerdynastie“) tauchte erst nach Schließung des Wahlganges zur Stichwahl zum Amt des 2. Stellvertreters auf, für das Roderich Busch kandidierte, nachdem Durst offensichtlich telefonisch an die konstituierende Sitzung der BV erinnert worden war.
Diese Stichwahl wurde notwendig, weil Busch (wegen des Fehlens der Stimme von Durst) und Marcel Klotz (B90/Die Grünen) jeweils vier Stimmen erhalten hatten.
Den Mehrheitsverhältnissen in der BV Süd entsprechend hatte Klotz „die Nase vorn“ und wurde 2. stellvertretender Bezirksvorsteher, nachdem der Liberale Peter König zum 1. Stellvertreter gewählt worden war
Die größte Überraschung lag bei Marcel Klotz, der sich erst vor Kurzem entschieden hatte, sich für die Grünen kommunalpolitisch zu engagieren und auf Anhieb auch über die Grünen-Liste in den Rat eingezogen war.
In seiner ausführlichen Antrittsrede bekannte Ulrich Elsen, dass er die Bezirksvertretung Süd lieber als Bezirksvertretung „Rheydt/Odenkirchen“ bezeichnen würde.
Das gleiche Bekenntnis hatte der in Odenkirchen geborene und weitgehend in Rheydt aufgewachsene, zwischenzeitlich pensionierte Pädagoge am 10.03.2009 im Rheydter Naturfreundehaus abgegeben.
Schon seinerzeit hatte er Ambitionen gezeigt, Bezirksvorsteher des Stadtbezirks Süd zu werden, konnte sich jedoch im Zuge der Bildung der (1.) Mönchengladbacher „politischen Ampel“ gegen den Grünen Karl Sasserath nicht durchsetzen.
Als einer der Vorsitzenden der Otto-von-Bylandt-Gesellschaft war es naheliegend, dass Elsen in seiner Antrittsrede auf die Inhalte der aktuellen 33. Ausgabe des „Rheydter Jahrbuches“ einging, das sich mit Geschichte und Kultur der Stadt Mönchengladbach befasst und das er allen Teilnehmern an der konstituierenden Sitzung der BV Süd zur Verfügung stellte.
In seinen Ausführungen orietierte sich Elsen besonders am Titelbild Buches, das den Rheydter Stadtkern zeigt.
Er zeigte die wesentlichen Entwicklungszielen auf, die naturgemäß zum großen Teil aus den vergangenen Jahren (auch von vor der GroKo-Zeit) herrühren.
Keinen Zweifel ließ Elsen an der Notwendigkeit des Verwaltungszentrums in Rheydt und spricht in diesem Zusammenhang von 1.500 Arbeitsplätzen.
Für Odenkirchen sieht er „Potential für Entwicklungsperspektiven“ und will den Blick auch in die kleineren Honschaften richten.
Abschließend erinnert er an die „unsere Vorfahren“, die notwendige Wandel aktiv gestaltet hätten und appelliert, sich diese zum Vorbild zu nehmen.
Bezirksvertretung West
Anders als bei der Wahl der übrigen Bezirksvorstände hatten sich die in der BV West vertretenen Fraktionen auf nur eine Liste verständigt, über die in einem Wahlgang der Bezirksvorstand mit Ulrich Mones (SPD) an der Spitze gewählt wurde.
Das spricht für zumindest für den Start in die Wahlperiode bis 2025 für ein „harmonisches“ Miteinander.
Garant dafür könnte der neue Bezirksvorsteher sein, der als einziger von den Bezirksvorstehern – beginnend mit der Funktion des Vorstehers des (ehem.) Stadtbezirks Wickrath und in der Fortsetzung als stellvertretender Bezirksvorsteher West über eine langjährige Praxis in der Führung einer Bezirksvertretung verfügt.
Mones kann ausgleichend agieren und polarisiert nicht.
Andererseits gilt er als politisch konsequent, indem er sich – ebenso, wie sein Wickrather Parteifreund Dennis Hutschenreiter – im Februar 2011 bei der Abstimmung zum Bau einer Methangasanlage in Wanlo nicht dem SPD-Fraktionszwang unterwerfen wollte, wie er es den Wanloern zuvor versprochen hatte.
Als Konsequenz aus diesen Vorgängen verzichtet Mones zur Kommunalwahl 2014 auf eine erneute Kandidatur für den Rat und widmete sich seitdem den Belangen der Bürger im Bezirk West und verstärkte sein Engagement im Heimatverein Wickrath.
Die ursprüngliche Wahl des Bezirksvorstehers war für den 10.11.2020 vorgesehen.
Einstimmig hatten die Mitglieder der Bezirksvertretung die Wahl vertagt, weil der Kandidat Ulrich Mones sich zu diesem Zeitpunkt in Quarantäne befand.
In seiner kurzen Antrittsrede erklärte Mones, dass er Wert auf eine faire, offene, konstruktive und menschliche Zusammenarbeit im Gremium lege.
In den vergangenen Jahren habe im Bezirk West eine sachorientierte Arbeit stets Vorrang vor Parteipolitik gehabt.
Man könne über Wege streiten, aber gemeinsame Ziele zum Wohle des Bezirks und der Bürgerinnen und Bürger zu erarbeiten sollten stets im Auge behalten werden.
(c) BZMG
Die Vorbereitungen zur Wahl der Bezirksspitzen verliefen weitgehend harmonisch ab.
Zum einen auch deshalb, weil es die Ampel-Kooperationspartner vermieden hatten, auf Proporz bei der Besetzung der Bezirksvorsteher zu bestehen und weil man der in der Kommunalwahl unterlegenen CDU aus Prinzip einen Sitz im „Spitzen-Trio“ ermöglichte.
Das war nach vorangehenden Kommunalwahlen anders.
Seinerzeit war man peinlich darauf bedacht der so genannten Opposition möglichst keinen Sitz in der Führung der BV zuzugestehen.
Dass dieses Prinzip in der BV Süd durchbrochen wurde, hat sich die CDU selbst zuzuschreiben, weil die örtlichen CDU es nicht geschafft hatte, „alle Mann an Bord“ zu bringen.
Man muss keine prophetischen Fähigkeiten besitzen, um einzuschätzen, dass die BV Süd die erste sein wird, in der die Harmonie zwischen den ehemaligen „Bündnispartnern“ deutliche Risse bekommen wird.
Wie schnell und intensiv dieser Harmonie-Riss entstehen wird, dürfte davon abhängen, wie schnell „CDU-Alt-Südler“, wie ein Joachim Roeske, begreifen, dass nicht sie es sind, die im Süden die Richtung bestimmen, sondern die Bezirksvertreter, die jahrelang vor vollendete Tatsachen gestellt wurden.
Deutliches Indiz dafür, dass Roeske seine wirkliche Rolle in der BV Süd noch nicht verstanden hat, waren die drei Anträge, die er kurz vor der BV-Sitzung als Tischvorlagen präsentierte und die von den übrigen BV-Mitgliedern zunächst (intern) beraten werden müssen.
Die Vehemenz, mit der er gegen ein Verschieben in die nächste BV-Sitzung wetterte, war bezeichnend.
Dass Roeske „seine“ Beratungsvorlagen in seiner ihm eigenen „gerne-sich-elbst-reden-hörenden“ Art in epischer Breite vortrug erschwerte dem grundsätzlich auf Harmonie bedachten Bezirksvorsteher Ulrich Elsen die Sitzungsleitung zusehends.
Die CDU sollte überlegen, ob Roeske auf Dauer der „richtige“ Fraktionssprecher in der BV Süd ist.
Und das nicht nur wegen der neuen „Machtverhältnisse“.
Festzuhalten ist in diesem Kontext, dass die vom CDU-Fraktionsvorsitzenden im Stadtrat, Dr. Hans Peter Schlegelmilch, ausgerufene „100-Tage-Schonfrist“ für die Ampel – so sie denn wirklich ernst gemeint war – entweder den „CDU-Süden“ noch nicht erreicht hat, oder schlichtweg ignoriert wird.
Ob diese „Frist“ im Mönchengladbacher „Norden“ eingehalten wird, wird sich bald erweisen.
Spätestens dann nämlich, wenn die lange kontrovers diskutierten Themen, wie der Busverkehr auf der Hindenburgstraße, der ZOB und andere „Herzensthemen“ von CDU und „ihrem“ Baudezernenten und dessen unmittelbarem Umfeld aufs Tapet kommen.
Auch hier wird sich zeigen, wie sich die CDU in ihre neue Rolle einfindet.
Hier und vereinzelt auch in anderen Bezirksvertretungen hat die CDU das latente, selbstgeschaffene Grundproblem, dass viele Kandidaten für einen Sitz im Rat auch in führender Position auf den Listen zu den Bezirksvertretungen kandidiert haben und es nicht schaffen, nach dem Einzug in den Rat sich aus den BV zurückzuziehen.
Gründe dafür können so einfach wie einleuchtend sein.
Zum einen wollen die stimmberechtigten Ratsmitglieder in den Bezirksvertretungen den Weg für das Durchsetzen ihrer (persönlichen) Ideen in den Fachausschüssen und dem Rat „vorbereiten“.
Andererseits steht auch den in die BV gewählten Ratsmitgliedern eine Pauschale in Höhe von ca. 2.600 EURO pro Jahr zu.