Als der fraktionslose Mönchengladbacher Ratsherr Hans-Werner Schoutz (LKR) in der Ratssitzung am 19.12.2018 darauf bestand, dass seine Ablehnung des Wirtschaftsplans der mags AöR und weiteren Beschlüssen ausdrücklich in der Niederschrift protokolliert werden solle, erntete er von den meisten seiner Ratskollegen nur mitleidiges Grinsen.
Der Grund für diesen Schritt erklärte Schoutz damit, dass in den Protokollen die Abstimmungsergebnisse nur pauschale Angaben in Form von Zahlen über Ablehnungen gemacht würden und ihm daher in evtl. „Haftungsfällen“ die Möglichkeit genommen sei, einen Nachweis darüber zu führen, dass er den mags-Wirtschaftsplan abgelehnt habe.
Als Begrundung erklärte Schoutz seinerzeit wörtlich: „… zum Ausschluss persönlicher Haftungsrisiken bei potenziell „haftungskritischen“ Abstimmungen …“.
Einigen seiner Ratskollegen dürfte das „mitleidige Grinsen“ mittlerweile vergangen sein.
Besonders denen, die in die Affäre „Sven“ (Beteiligung der NEW AG an der „share2drive GmbH“) verwickelt sind.
Im Mönchengladbacher Rat sind das der Oberbürgermeister Hans Wilhelm Reiners (CDU) als Vertreter des NEW-AG-Gesellschafters Stadt Mönchengladbach im Aufsichtsrat der NEW AG, der CDU-Fraktionsvorsitzende Dr. Hans Peter Schlegelmilch in seiner Funktion als NEW-Aufsichtsratsvorsitzender und Felix Heinrichs (SPD) als Mitglied im Aufsichtsrat der NEW AG.
Schlegelmilch und Heinrichs haben dem „Deal“ zugestimmt, der ohne Zustimmung des Stadtrates, der sie in den Aufsichtsrat „entsandt“ hatte, nicht hätte vollzogen werden dürfen.
Für den Schaden in Höhe von 1,7 Mio. EURO, der der NEW AG entstanden ist, sind sie verantwortlich und dementsprechend auch haftbar.
Die Bezirksregierung hatte mehrmals darauf gedrungen, die NEW AG müsse sich als kommunales Unternehmen von diesem Investment trennen, weil es ohne Beteiligung des Stadtrates und der Bezirksregierung vollzogen worden war.
Zuletzt bezeichnete auch die NRW-Landesregierung das umstrittene „Sven“-Investment für rechtlich unzulässig.
Auch wenn OB Reiners in öffentlicher Ratssitzung erklärte, er habe sich – wie auch die weiteren Gesellschaftervertreter der Stadt Viersen (Bürgermeisterin Sabine Anemüller) und des Kreises Heinsberg (Landrat Stephan Pusch) – bei der Abstimmung im NEW-Aufsichtsrat der Stimme enthalten, dürfte auch er in der Ersatzpflicht bleiben.
Diese Schlussfolgerungen basieren auf §116 in Verbindung mit §111 des Aktiengesetzes (AktG) sowie auf §93 des AktG.
§93 AktG trifft besonders auf den Vorstandsvorsitzenden der NEW AG, Frank Kindervatter zu, der in der Verantwortungs- und Haftungskaskade an oberster Stelle „rangiert“.
Auch für die Mitglieder des Aufsichtsrates gilt §93 AktG, wie in §117 AktG ausdrücklich festgelegt ist.
Für den Fall, dass die NEW AG zur „Absicherung“ der Risiken für ihren Vorstand aus dessen beruflicher Tätigkeit eine Versicherung abgeschlossen hat, hätte dieser mindestens als „Selbstbehalt“ 10% des Schaden (hier mindestens 170.000 EURO) bis mindestens des Eineinhalbfachen der festen jährlichen Bezüge (nach Stand 31.12.2018: 467.000 EURO x 1,5 = 700.500 EURO) zu tragen.
Obwohl nach § 116 AktG die Regeln des §93 AktG auch für Aufsichtsratsmitglieder gelten, sind die Regelungen zum Thema „Versicherung“ ausdrücklich ausgeschlossen.
Dies kann nur bedeuten, dass die Aufsichtsratsmitglieder, die nicht nachweislich (also dokumentiert) dem Beschluss widersprochen haben, der NEW AG gegenüber (gesamtschuldnerisch) ersatzpflichtig wären.
§93 AktG basiert auf der so genannten, aus dem US-Rechtssystem stammenden „Business Judgement Rule“, die die Haftung von Vorständen und Geschäftsführern gegenüber den Eigentümern regelt.
Während in den USA den Vorständen und Geschäftsführern nachgewiesen werden muss, dass sie schuldhaft gehandelt haben und damit ersatzpflichtig sind, kam es bei der „Übernahme“ der Regeln in die deutsche Gesetzgebung zur „Beweislastumkehr“.
Das bedeutet, dass Vorstände und Geschäftsführer nachweisen müssen, dass sie nicht schuldhaft gehandelt haben.
Diese Nachweisführung gilt auch nach §116 AktG auch für Aufsichtsrasmitglieder.
Das dürfte sowohl dem NEW-Vorstand Frank Kindervatter als auch den Aufsichtsratsmitgliedern (incl. den Gesellschafter-Vertretern) äußerst schwer fallen, weil sie schon in öffentlichen Sitzungen des Rates der Stadt Mönchengladbach nicht erklären und nachweisen konnten, dass sie dem Beschluss für die Beteiligung der NEW AG an der share2drive GmbH aktiv widersprochen hätten, wie der „Verantwortungskaskade“ und der zugehörige „Faktencheck“ zeigen.
Der „Faktencheck“ zeigt darüber hinaus auch, dass die Aufsichtsratsmitglieder aus der Arbeitnehmerschaft und auch die Gesellschafter-Vertreter der Stadt Vieren und des Kreises Heinsberg allein schon aus der Anwendung des Aktiengesetzes heraus ersatzpflichtig sind.
AUTORENKOMMENTAR
Neben diesen mehr rechtlich einzuordnenden Betrachtungen hat die „Causa SVEN“ auch eine kommunalwahlpolitische Dimension.
Während OB Hans Wilhelm Reiners (CDU) „politisch“ keine unmittelbaren Nachteile aus dieser Causa zu befürchten hat, sieht es mit Hinblick auf seine Kandidatur für das Amt des Hauptverwaltungsbeamten für seinen Parteifreund Frank Boss anders aus.
Dadurch, dass Boss sich nicht ausdrücklich gegen die „Wiederentsendung“ von Dr. Hans Peter Schlegelmilch (CDU) und Felix Heinrich (SPD) in den Aufsichtsrat der NEW AG ausgesprochen hat, sanktioniert er deren erkennbar und nachgewiesenes rechtwidriges Verhalten in der Angelegenheit „Beteiligung an der Share2drive GmbH“ und lässt Frage aufkommen, wie er angesichts dieser Tatsache das Amt des Verwaltungschefs rechtskonform zu führen gedenkt … falls er tatsächlich gewählt würde.
Gleiches – wenn auch in einer anderen „Qualität“ – gilt für den SPD-Kandidaten für das Amt des Hauptverwaltungsbeamten, Felix Heinrichs.
Die in der „politischen Szene“ in Mönchengladbach und in den sozialen Netzwerken deutlich wahrzunehmende Zweifel an seiner rechtlichen Grundausrichtungen lassen die Wirkung seinen pompösen Wahlkampfbeginns durchaus in einem anderen Licht erscheinen.
Tolle Aufrufe etwas ändern zu wollen, blumige und farbenfrohe Zukunftsbeschreibungen verblassen vor der Realität.
Einer Realität in der der OB-Kandidat Heinrichs in einer öffentlichen Ratssitzung erklärt: „… wenn ich eine Vorlage bekommen, die heißt ‚Sie können dem zustimmen‘, gehe ich davon aus, dass ich das tun kann“ (Zitat Ende).
Der gesamte kontext zu dieser und zu weiteren Äußerungen bezüglich seiner Kenntnis und seines Wissens von rechtlichen Zusammenhängen sind hier nachzulesen:
Sollten diese beiden Kandidaten für das Amt des Hauptverwaltungsbeamten (Boss, CDU und Heinrichs SPD) und ihre Parteien der Meinung sein, dass es ja noch eine Zeit hin sei bis zur Kommunalwahl und die Wähler diese Rechtsverstöße vergessen hätten, könnten sie einem Irrtum unterliegen.
Zu sehr verbunden sind mit diesen beiden Parteien Projekte wie „Europaplatz/19 Häuser“, „Neues Rathaus“, „City Ost/Seestadt“, „Verkaufsversuch Haus Erholung“, das neue Abfallentsorgungssystem usw.
Dabei ist es zu vielen in der (Wahl-)Bevölkerung umstrittenen Vorgänge und Verhaltensweisen von Politikern und Führungskräften aus der Verwaltung gekommen.