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Die Sonne schien, als am gestrigen Freitagmittag (28.05.2021) die drei Vertretungsberechtigten des Bürgerbegehrens „Radentscheid Mönchengladbach“ dem Mönchengladbacher Oberbürgermeister Felix Heinrichs (SPD) die Ziele des Radentscheides übergaben und ihn um die nach der Gemeindeordnung NRW vorgeschriebene Kostenschätzung zu bitten.

Weil Heinrichs das ursprünglich im Ratssaal Abtei geplante Treffen in den Rathaushof verlegte, konnten auch weitere Mitglieder des Radentscheid-Teams, weitere Interessente und Medienvertreter an der Übergabe der Unterlagen teilnehmen.

Über Monate hatten viele Mönchengladbacher Radfahrinteressierte in unzähligen regelmäßigen ZOOM-Konferenzen an der Erarbeitung der Ziele des Radentscheides mitgearbeitet, mussten gesetzliche Regularien berücksichtigen bis hin zu Detailformulierungen und sich darauf verständigen, wie das Bürgerbegehren organisatorisch abgewickelt werden sollte.

Ein offensichtlich sehr gut harmonierendes Vertretungsberechtigten-Team aus Susanne Jud, Claudia Busenius-Pongs und Lucas Vasarhelyi Nagy stellte sich dem anschließenden BZMG-Vis-á-vis-Interview:

Insgesamt zufrieden zeigte sich Susanne Jud vom Gespräch mit OB Felix Heinrichs, und hatte den Eindruck, dass er das Bürgerbegehren gerne unterstützen würde,  jedoch skeptisch zu sein scheint, ob dies auch die Bürger tun würden.

Politiker – zu denen auch der Oberbürgermeister zähle -, die das Bürgerbegehren unterstützen, müssten zwangsläufig der Straßenraum anderes aufteilen, meinte Jud und erinnert dran, dass Felix Heinrichs auch mit dem Thema „Fahrrad“ im letzten Jahr Wahlkampf gemacht habe.

Es sei an der Initiative die notwendigen Unterstützungsunterschriften zu sammeln.

Die Motivation, sich in vorderster Linie für einen Radentscheid einzusetzen schöpft Claudia Busenius-Pongs aus ihren Erfahrungen als Lehrerin und aktuellen Beobachtungen, dass Schüler sich kaum trauen würden, mit dem Fahrrad zur Schule zu fahren. Sie selbst fahre seit einem Jahr nicht mehr Fahrrad, weil sie sich auf Mönchengladbacher Straße nicht mehr sicher fühle und berichtete von einem persönlichen „Schlüsselerlebnis“, bei dem es zu einem Beinaheunfall mit einem Pkw gekommen sei.

Lucas Nagy beschreibt das Anliegen des Radentscheides mit der Verbesserung der Radwege insgesamt und hierbei insbesondere der Kreuzungssituationen. Wenn diese beiden Punkte konsequent angegangen würde, würde sich die Situation für die Fahrradfahrer in Mönchengladbach durch ein leistungsfähiges „Alltagsnetz“ deutlich verbessern.

Hierbei müsse den Gefahrensituation für Rad fahrende Schülerinnen und Schüler deutlich mehr Beachtung geschenkt werden, damit sie sicher zur Schule fahren und damit gleichzeitig mehr Eigenständigkeit und Eigenverantwortung erlangen könnten.

Bei der Erarbeitung der Ziele habe man sich auf das Radfahren „von A nach B“ innerhalb der Stadtgrenzen von Mönchengladbach konzentriert und Radschnellverbindungen und Fahrradstraßen ausdrücklich nicht zum Bestandteil der Ziele des Radentscheides gemacht.

Dazu werde es auch keine Positionierungen des Radentscheides geben.

Zum weiteren Ablauf erläutert Jud, dass man nun auf die Kostenschätzung der Verwaltung und hofft, dass diese in ca. 6 bis 7 Wochen vorliegt, damit mit der Unterschriftensammlung begonnen werden kann.

Für ein erfolgreiches Bürgerbegehren werden etwas über 8.600 Unterschriften benötigt, erklärt Nagy und verweist auf einige Bürgerbegehren denen das Quorum erreicht wurde.

So sei beispielsweise in Aachen ein Radentscheid erfolgreich gewesen und die Stadt Aachen sich mit einer Vielzahl konkreter Maßnahmen schon in der Umsetzung befinde.

Abschließend beschreibt Susanne Jud noch die Rolle der Vertretungsberechtigten in diesem Verfahren.

Diese sieben Ziele sollen nach dem Willen des Radenscheides innerhalb von 8 Jahren umgesetzt werden:

Ziel 1: Radwege an Hauptstraßen

Die Stadt Mönchengladbach schafft durch Sanierung oder Neubau entlang dem Vorrangstraßennetz (Straßenhauptnetz) in ihrer Baulast je Kalenderjahr beidseitig Radwege an mindestens 20 km Straße.

Dabei werden zwei Knotenpunkte stets lückenlos miteinander verbunden.

Es gelten folgende Vorgaben:

  • mind. 2,30 m Breite;
  • Einrichtungsradwege an jeder Straßenseite entsprechend der jeweiligen Fahrtrichtung;
  • durchgehend roter Belag, eben und bei jeder Witterung gut befahrbar;
  • niveaugleich insbesondere an Grundstückszufahrten, Einmündungen und Knotenpunkten;
  • baulich getrennt vom ruhenden und fahrenden Kraftverkehr sowie vom Fußverkehr;
  • nicht zum Halten für Kfz nutzbar.

Ziel 2: Sichere Kreuzungen

An Knotenpunkten / Kreuzungen, die neu gebaut oder umgebaut werden, trifft die Stadt Mönchengladbach folgende Maßnahmen:

  • vorgezogene Haltelinien für den Radverkehr mit ausreichender Aufstellfläche für Fahrräder mit Kinderanhänger, Tandems, Dreiräder und Lastenräder;
  • Verkleinerung des Abbiegeradius für den Autoverkehr durch Schutzinseln, sodass sich seine Geschwindigkeit verringert und er möglichst rechtwinklig auf den querenden Rad- und Fußverkehr trifft.

An beampelten Kreuzungen:

  • Vorausgrün für Radfahrer und Fußgänger;
  • getrennte Lichtsignalanlagen jeweils für Rad-, Fuß- und Autoverkehr, mit Ampelphasen, die Rad- und Fußverkehr nicht benachteiligen.

Ziel 3: Zusammenhängendes Alltagsnetz ausbauen

Die Stadt Mönchengladbach schafft ein Alltagsradnetz aus durchgängigen Fahrradrouten, welches alle Ortsteile möglichst direkt miteinander vernetzt und an die Zentren anbindet. Fahrradrouten, die nicht im Straßenhauptnetz geführt werden, werden durchgängig mit einem ebenen und dauerhaft gut befahrbaren Belag versehen.
 
In Naturschutzgebieten wird der komfortabelste zulässige Belag verwendet. Bestehende Netzlücken und Hindernisse im Alltagsradnetz, auch solche für Lastenräder und Fahrradanhänger, werden beseitigt.

Ziel 4: Beseitigung "freier Rechtsabbieger"

Die Stadt Mönchengladbach beseitigt alle freien Rechtsabbieger für den motorisierten Verkehr.

Ziel 5: Sicher zur Schule

Die Umsetzung der Forderungen nach den Zielen 1-4 wird vorrangig an den Schulen beginnend angefangen, da die Kinder die schwächsten und am meisten gefährdeten Verkehrsteilnehmer sind.
 
Der Schulweg muss durchgängig sicher auf Wegen zurückzulegen sein, die den vorgenannten Zielen entsprechen.

Ziel 6: Beachtung aktueller Regelwerke

Alle vorgenannten Planungen und baulichen Maßnahmen für den Fuß- und Radverkehr richten sich nach dem Stand der Technik.

Mindestens sind die Empfehlungen für Fußgängerverkehrsanlagen (EFA) und die Empfehlungen für Radverkehrsanlagen (ERA) in der jeweils gültigen Fassung einzuhalten.

Als Mindestmaße sind die in den Regelwerken genannten Regelbreiten zzgl. der jeweiligen Sicherheitstrennstreifen zu verwenden.

Die Planungen werden nach Änderungen der Regelwerke angepasst.

Ziel 7: Transparenz

Eine Dokumentation über den aktuellen Stand der Umsetzung aller Ziele ist zu jeder Zeit öffentlich im Internet einsehbar.

Insbesondere sind einsehbar: der aktuelle Planungsstand, die Beantragung von Fördermitteln, der Vergabestand von Teilprojekten, der Baufortschritt und die Einbindung Dritter.

Sobald die Kostenschätzung vorliegen, beginnen die Akteure des Radentscheides mit der Unterschriftensammlung.

Dazu muss jeder Unterstützer/jede Unterstützerin mit Wohnsitz in Mönchengladbach das nebenstehend im Entwurf dargestellte Formular beispielsweise auf von der Homepage des Radentscheides downloaden, ausfüllen und auf diversen Wegen der Initiative zugestellt werden.

Die ausgefüllten Formulare wird die Verwaltung anschließend u.a. daraufhin prüfen, ob die Unterstützer Mönchengladbacher Einwohner sind und dass sie auch nur einmal votiert haben.

Die Initiative hofft, im Sommer auch vor Ort an Infoständen vor Ort Unterschriften sammeln zu können, womöglich in der Nähe von Wahlständen zur Bundestagswahl.

Gleichzeitig werden über die Stadt verteilt Sammelboxen und Briefkästen aufgestellt, um kontaktloses Sammeln zu ermöglichen.

Dazu konkretisiert Susanne Jud auf Nachfrage: „Wir haben von Beginn an so geplant, dass uns auch harte Corona-Maßnahmen nicht am Sammeln hindern.

Eine relativ neue Möglichkeit dazu ist https://Innn.it[tatsächlich mit 3x n] von change.org.

Das zum Download angebotene und unterschriebene Formular können die Unterzeichnenden dann ganz einfach kostenfrei an die angegebene Adresse senden.

Auch die unterstützenden Organisationen aus Mönchengladbach wie ‚Tante Lemi / Eine Erde‘, VCD, ADFC, BUND, NABU, BSK und Pulse of Europe haben Ihrerseits das Sammeln von Unterschriften auf Ihren Kanälen zugesagt.“

Es ist eine kluge Entscheidung der Entwickler des Radentscheides Mönchengladbach, sich aus den Diskussionen um Fahrradstraßen und Radschnellverbindungen herauszuhalten.

Ansonsten hätten sie Versuche beispielsweise von Parteien abzuwehren gehabt, den Radentscheid zu instrumentalisieren.

Durch die präzisen und dennoch weitreichenden Forderungen bieten sie auch den Mönchengladbachern, die beispielsweise in Sachen „Blaue Route“ und der Führung so genannter „Schellverbindungen“ über die Mönchengladbacher Stadtgrenzen hinaus kritische oder ambivalente Positionen einnehmen, die Ansinnen des Radentscheides zu unterstützen.

Gleichzeitig wird sich aber auch herausstellen, inwieweit die Parteien, die sich vor der Kommunalwahl im letzten Jahr teils sehr vehement für die Stärkung des Radverkehrs in der Vitusstadt ausgesprochen haben, ihre Versprechen tatsächlich offensiv einlösen.

Festzustellen ist davon ist über 250 Tage nach der Wahl jedenfalls kaum etwas.

Im Übrigen auch nicht von OB Felix Heinrichs, zu dessen Kernthemen im Wahlkampf um den Posten des Oberbürgermeisters der Ausbau der Infrastruktur für den Radverkehr zählte.

Als eine nicht zu unterschätzende „Hürde“ könnte sich das 7. Ziel „Transparenz“ entpuppen.

Denn mit „Transparenz“ tut sich das fachlich zuständige Dezernat des Dr. Gregor Bonin (CDU) äußerst schwer.

Besonders dann, wenn es sich um Themen handelt, die nicht seine Handschrift „mg+“ tragen und so gar nicht in seine städteplanerischen Vorstellungen fallen und/oder in die Vorstellungen „seiner“ Partei.