Sie sind keine Partei und wollen auch nicht in den Rat: Die Aktiven der unabhängigen Kommunalwahlinitiative „Die BürgerLobbyisten“. Dennoch haben sie die Kommunalwahl 2020 am 13. September fest im Blick.
Träger dieser Initiative sind Organisationen aus Mönchengladbach, die sich zum Ziel gesetzt haben, den Wählern „Wahlprüfsteine“ zur Verfügung zu stellen, die diese als Grundlage für ihr ganz persönliches „Wahlfundament“, also für ihre Wahlentscheidungen nutzen können.
Die Träger dieser Initiative sind:
- Bundesverband Selbsthilfe Körperbehinderter Mönchengladbach (BSK)
- Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland, Mönchengladbach (BUND)
- Die AlltagsRadler Mönchengladbach
- Interessengemeinschaft Gebührenzahler Mönchengladbach (IGGMG)
- Internationalen Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges/Ärzte in sozialer Verantwortung, Mönchengladbach (IPPNW)
- Naturschutzbund Deutschland, Mönchengladbach (NABU)
Die „Wahlprüfsteine“ sind ganz konkrete Fragen von Bürgern an die Kandidaten, die nach dem 13. September (oder erst nach der Stichwahl etwa 2 bis 3 Wochen später) und die Parteien, die in den Mönchengladbacher Stadtrat einziehen möchten.
Dabei würden nicht die Fragen der Träger der Initiative im Vordergrund stehen, sondern die der Bürger unmittelbar, wie der Leiter des Pressegespräches am 04.02.2020 im „freiRaum“ des Kolpinghauses, Werner Knor (BSK) erklärte.
„Die BürgerLobbyisten“ wollen ganz konkrete Fragen der Bürger bei ihnen „einsammeln“.
Nicht an der Haustür, sondern an mehreren Samstagen auf Wochenmärkten mit eigenen Ständen, über ihre Homepages, bei persönlichen Kontakten und über E-Mails.
Obwohl viele Bürger digital unterwegs sind, soll es auf den Wochenmärkten und bei persönlichen Kontakten primär „analog“ zugehen.
Als Ziel geben „Die BürgerLobbyisten“ aus, dass Bürger, ihre Sorgen, Nöte, ihren Ärger und ihren Frust artikulieren oder schlichtweg ihre Meinung sagen, sollen diese in einer offenen Fragen handschriftlich auf einen Zettel schreiben, den ihnen die „Die BürgerLobbyisten“ zur Verfügung stellen.
Geschlossene Fragen, also solche die mit Ja oder Nein beantwortet werden können soll es nicht geben.
Natürlich stehen auch elektronische Wege offen.
Ausgeschlossen sind dabei jedoch bewusst die so genannten „Sozialen Netzwerke“.
Auch wird es keine andere Art von „Forum“ geben.
Außerdem verzichten „Die BürgerLobbyisten“ bewusst auf eine eigene Homepage, weil die Homepages der Träger der Initiative ausreichen, interessierte Bürger zu informieren und mit ihnen zu kommunizieren.
„Die BürgerLobbyisten“ sammeln die Fragen, bringen sie in eine einheitliche Form, ohne auf die Inhalte Einfluss zu nehmen, kategorisieren sie und senden sie anonymisiert und gesammelt entsprechend an die beiden Adressatengruppen „Kandidaten für das Amt des Hauptverwaltungsbeamten“ und „Parteien“ mit der Bitte die Fragen in einem Textdokument mit maximal 25 Zeilen zu beantworten.
Die Adressaten haben ca. 6 Wochen Zeit, die Dateien mit den beantworteten Fragen zurück zu senden.
Die Antworten werden vom BürgerLobbyisten-Team ausgewertet, vergleichend zusammengestellt, etwa 4 Wochen vor der Kommunalwahl veröffentlicht und stehen somit allen interessierten Wählern als Grundlage für ihre Wahlentscheidungen zur Verfügung.
Die Auswertung wird keine inhaltlichen Bewertungen der Antworten enthalten und demnach auch keine Wahlempfehlungen.
Zum Anlass dieser Kommunalwahlinitiative zählt Werner Knor einige Punkte auf.
Dies seien aus der Erfahrung heraus, dass Entwicklungen in Mönchengladbach hinsichtlich der wirklichen Belange der Bürger diesen nicht zugewandt seien, sondern häufig eher in eine entgegengesetzte Richtung gehen würden.
Beispielhaft nennt Knor konkret:
- Da würden sich engagierte Bürger Gedanken zu Klima- und Umweltentwicklungen machen und Konzepte vorlegen, die zwar dankend entgegen genommen würden, dann aber in irgendwelchen Schubladen zu verschwinden.
- Da würden Vorschläge für die Verbesserung der Situation von Menschen mit Behinderungen beispielsweise bezüglich der Barrierefreiheit in öffentlichen Bereichen gemacht, die unreflektiert ignoriert werden und anderen „Prioritäten“ zum Opfer fallen.
- Da würden Politiker und Verwaltungsleute seit Jahren davon „faseln“, dass dem Radverkehr mehr Beachtung geschenkt würde, gleichzeitig würde dazu genau nichts getan.
- Da würde entgegen aller Erfahrungen und begründeten Einwänden der Bürger diesen ein Abfallsystem übergestülpt, das nicht nur zu höheren Kosten führt, sondern darüber hinaus den Gebührenzahlern gesetzwidrig zu viel gezahlte Gebühren vorenthält … und das mit dauerhafter Intransparenz.
- Da müssten sich Bürger damit abfinden, dass ihre Schreiben an den Chef der Verwaltung schlicht nicht beantwortet werden … nicht einmal durch eine einfache Eingangsbestätigung.
- Da würden Millionen Euro in Personal und „bunte Bilder“ gesteckt, um überzogene Marketingkampagnen zu finanzieren, die dem Bürger nichts bringen, die Auguren jedoch in ein geradezu heroischem Licht erscheinen lassen sollen.
- Da würden öffentliche – faktisch den Bürgern gehörende – Grundstücke bedingungslos an Investoren verkauft, auch um diese Einnahmen für Kampagnen zu verwenden.
- Da würde eine so genannte „Öffentlichkeitsbeteiligung“ für Wohnprojekte betrieben, in denen erkennbar Wohnungen entstehen, die von „Otto-Normalbürger“ nicht bezahlbar sein werden.
- Da würden kritisch – auch konstruktiv-kritisch – eingestellte Bürger von Spitzenkräften aus Politik und Verwaltung als notorische Nörgler hingestellt.
- Da würde unterschwellig – auch über die und mit Hilfe der Presse – nach Gutsherrenart „Wohlverhalten“ eingefordert … mit dem offensichtlichen Ziel: „Störe meine Kreise nicht!“
Knor meinte, dass sich diese Litanei noch beliebig fortsetzen ließe.
Sabine Rütten (BUND) betonte, dass es keinen Naturschutz gebe ohne gleichzeitig auch soziale Fragen zu berücksichtigen.
Man wünsche sich konkrete Antworten auf konkrete Fragen, um so auch Transparenz herzustellen.
Bauherren und Politiker würden mit Nachhaltigkeit argumentieren. Dies bedeute, dass man Gleichgewicht herzustellen habe zwischen wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Interessen. Gerade ökologische Aspekte würden vernachlässigt und der BUND fühle sich in diesen Feststellungen durch viele Anrufe und andere Bürgerkontakte bestätigt.
Vielfach würden die Bürger von der Politik einfach vor vollendete Tatsachen gestellt.
Zum hochaktuellen Thema „Gefahrenbäume“ set das Interesse der Bürger sehr groß geworden, ergänzt Kurt Sasserath vom NABU. Es würden sich immer mehr Bürgerinitiativen bilden, von denen er reichlich Fragen zu den „Wahlprüfsteinen“ erwarte. Sasserath erhofft sich von der Kommunalwahlinitiative einen Anstoß für die Verwirklichung von mehr Bürgernähe in Sachen Ökologie.
Fahrradfahren stehe auch in unmittelbarem Zusammenhang mit ökologischen und sozialen Themen, erklärt Susanne Jud von „Die Alltagsradler“. Man betreibe keine eigene Homepage, sei jedoch als facebook-Gruppe aktiv.
Jeder Träger würde E-Mail-Adressen einrichten.
Durch das Zusammenwirken innerhalb der „Die Bürgerlobbyisten“ spiele es keine Rolle, an welche der Träger die Fragen geschickt würden. Die Fragen würden sowieso zusammengeführt. Es gehe nicht um die Interessen der Träger, sondern um die Interessen des einzelnen Bürgers.
Für die IGGMG zeigt sich Karsten Simon hinsichtlich des Erfolge der Initiative optimistisch, weil man mit eigenen Ständen in Rheydt und Gladbach mit den Bürgern ins Gespräch kommen werde, die auch zu Wahlwerbeständen der Parteien gehen würden.
Die Unmittelbarkeit sei dort eher gegeben, als wenn man sich nur auf soziale Medien stützen würde. Die IGGMG habe eine eigene Homepage, die auch bekannt sei.
Dass seitens der Verwaltung und der Politik beispielsweise hinsichtlich des neuen Müllsystems Handlungs- und Korrekturbedarf sei, stehe wohl außer Frage, was auch die über 70 Klagen gegen die Gebührenbescheide 2019 deutlich machen würden.
Ergänzend wies Werner Knor (BSK) auf die Widersinnigkeit von Aussagen zur Fragen von bezahlbarem Wohnraum hin. So hätte der SPD-Ratsherr und Aufsichtsratsvorsitzender der GWSG, Reinhold Schiffer, in einer SPD-Veranstaltung für die GWSG und Kreisbau AG erklärt, diese städtischen Wohnungsbauunternehmen könnten jährlich etwa 100 solcher Wohnungen pro Jahr herstellen.
Wenn man den veröffentlichten Bedarf von 18.000 Wohnungen in Mönchengladbach dem gegenüber stelle, könne man leicht errechnen, wie viele Generationen lang es dauern würde, in Mönchengladbach bezahlbaren Wohnraum errichten zu lassen, schloss Knor.
Dieses Pressegespräch zählte zu den wenigen, in denen Medienvertreter und Einladende intensive, inhaltliche Dialoge führten und nicht einseitig (partei-)politisch motivierte Themen im Vordergrund standen.