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Es war einer der Tagesordnungspunkte, bei dem sich erneut der Eindruck bestätigte, dass die verkehrsplanende Verwaltung des Bonin‘schen Dezernates die Mitglieder eines Ausschusses nach dem Prinzip „Vogel friss oder stirb“ vor vollendete Tatsachen stellte und so einen ihr genehmen Beschluss „erzwang“.

Es war einer der Tagesordnungspunkte, bei dem deutlich wurde, dass die meisten Gremienmitglieder nicht erkannt hatten, dass dieser „Druck“ nur dadurch entstanden war, dass die Verwaltung vorangegangene Beschlüsse ignoriert und Planungen (bewusst?) verzögert hatte.

Es war einer der Tagesordnungspunkte, bei denen Gremienmitglieder trotz offensichtlicher und während der Debatte deutlich aufgezeigter Planungsmängel wieder einmal gegenüber der Verwaltung „einknickten“ und nach der Diktion „die Planungen sich schon so weit fortgeschritten sind, dass wir nur noch zustimmen können“, einen von der Verwaltung vorbereiteten Beschluss fassten.

Die Rede ist von TOP 6 des Ausschusses für Umwelt und Mobilität am 19.05.2022, bei dem es um die Einrichtung eines Kreisverkehrs im Bereich Speicker Straße/Luisenstraße/Blumenberger Straße/Hügelstraße und der Anbindung der Speicker Straße an die Hittastraße ging.

Anlass für die Planungen war die spätestens seit 2016 bekannten Planungen der SMS Meer AG, auf ihrem Gelände im Bereich der Hügelstraße eine neue Firmenzentrale („Campus“) mit ca. 1.500 neuen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und einem neuen Parkhaus zu errichten.

Der Bau des „Campus“ und des Parkhauses sind im Gange.

Seinerzeit beauftragte der Planungs- und Bauausschuss am 31.05.2016 die Verwaltung mit entsprechender Erschließungsplanung (Vorlage 1566/IX).

Maßgeblich für die Erschließung ist neben der Zuführung des erwarteten zusätzlichen Pkw-Verkehrs vom geplanten Kreisverkehr über die Hügelstraße (Einbahnstraße mit gegenläufigem Fahrradverkehr) zum Campus und dem SMS-Parkhaus die Anbindung des Areals an den ÖPNV und einer entsprechenden Bushaltestelle.

Auszug aus der Niederschrift der BV Nord vom 12.08.2020

Auszug aus der Niederschrift des Planungs- und Bauausschusses vom 25.08.2020

Auszug aus Planungs- und Bauausschusses vom 25.08.2020
hier: Stellungnahme des ADFC

Eine erste konkrete Planung wurde am 12.08.2020 der BV Nord vorgestellt.

Deren Mitglieder sprachen einstimmig ausdrücklich keine Empfehlung zur Planung aus und baten den (nachfolgenden) Planungs- und Bauausschuss diesen Punkt von der Tagesordnung zu nehmen.

Dieser Bitte der BV Nord entsprach der Planungs- und Bauausschuss nicht, sondern schob das Thema „in den nächsten Ratszug“.

Im „nächsten Ratszug“ hätte es auch Gelegenheit gegeben, auf die Stellungnahme des ADFC vertiefend einzugehen.

Ein „Ratszug“ endet mit einer Ratssitzung, nachdem im „Vorlauf“ Bezirksvertretungen und Ausschüsse mit den anstehenden Themen befasst wurden.

Aufgrund der Kommunalwahl im Jahr 2020 fand am 05.11.2020 die Konstituierung des neuen Stadtrates statt, gefolgt vom „nächsten“ (vollständigen) Ratszug im Jahr 2020, der am 16.12.2020 endete.

In diesem Ratszug hätte die Verwaltung die Möglichkeit gehabt, den Beschluss des Planungs- und Bauausschusses vom 25.08.2020 umzusetzen und das Thema „Kreisverkehr Speicker Straße/Luisenstraße/Hügelstraße“ bei der Ausschusssitzung am 01.12.2020 erneut vorzustellen und dort ggf. zu einem Beschluss zu führen.

Dies geschah nicht!

Stattdessen ließ die Verwaltung 16 Monate verstreichen bevor sie am 18.05.2022 in der BV Nord und am 19.05.2022 im Umwelt- und Mobilitätsausschuss die vermeintlich neue Vorlage 1214/X präsentierte und von den zuständigen Ausschussmitgliedern eine „ad ho-Entscheidung“ erwartete.

Bemerkenswert war in diesem Zusammenhang, dass Baudezernent Dr. Gregor Bonin (CDU) in der laufenden Sitzung, weit  vor dem entsprechenden TOP das Gespräch mit dem Grünen Fraktionsvorsitzenden Dr. Boris Wolkowski suchte und außerhalb des Sitzungssaals scheinbar vereinbarte, eine Sitzungsunterbrechung durchzuführen, um – außerhalb der Öffentlichkeit – mit den Ampelvertretern die Situation zu erörtern.

In der Tat beantragte Wolkowski – nach dem Bericht des Verkehrsplaners Jörg Clages – die Sitzungsunterbrechung und zog sich mit den Ampel-Vertretern und Bonin und Clages in einen Nebenraum des Ratssaals zurück.

Während des Vortrages und den Diskussionsbeiträgen aus dem Gremium bestanden Bonin und Clages darauf, die nunmehr vorgestellte Planung nicht ändern zu wollen, da nur diese mit dem „Fördergeber“ abgestimmt sei und dieser keine Änderungen akzeptieren würde.

„Fördergeber“ ist das Land NRW, das 75% der Kosten dieser Maßnahme übernehmen und aus dem GVFG (Gemeindeverkehrsfinanzierunggesetz des Bundes) finanzieren wird.

Genehmigungsbehörde ist die Bezirksregierung Düsseldorf, der Anträge auf Fördermittel aus dem GVFG zum 01.06.2022 vorliegen müssen.

Dieser Termin wäre verpasst worden, wenn der Ausschuss für Umelt und Mobilität der Vorlage der Verwaltung nicht zugestimmt hätte.


Keine Änderung zwischen den Planungen 2020 und 2022


Radweg auf kurzer Entfernung auf Gehweghöhe


Planung der gefährlichen „Fahrradschleuse“ bleibt

Dass dieser „Termindruck“ verwaltungsseitig „hausgemacht“ und zu verantworten ist, wurde von den Ausschussmitgliedern nicht thematisiert und demnach auch nicht, dass ihre inhaltlichen Änderungserfordernisse für die Planungen keine Berücksichtigung finden würden.

Ebenfalls nicht thematisiert wurde, dass die Gesamtkosten für die Maßnahme um über 40% gestiegen sind, nämlich von 853.219 EURO (2020) auf  1.196.850 EURO (2022).

Der Vergleich der Vorlagentexte 1214/X (2022) mit der „Vor-Version“ 5284/IX (2020) ergab keine signifikanten Unterschiede, was ebenso auf die präsentierten Pläne zutrifft.

Nach der Sitzungsunterbrechung ging der Sprecher der SPD-Fraktion und Vorstandsmitglied des Mönchengladbacher ADFC, Thomas Maria Claßen, noch einmal auf wesentliche Kritikpunkte an der Planung ein.

Insbesondere zeigte er wenig Verständnis dafür, dass zwischen dem linksabbiegenden und dem rechtabbiegenden Kfz-Verkehr ungeschützt – also ohne Sicherheitsabstand und ohne bauliche Absicherung – ein linksabbiegender Fahrradstreifen angeordnet werden soll.

Diese so genannte „Radschleuse“ sei abenteuerlich.

Nicht erkennbar sei auf der Ostseite der Speicker Straße der Sinn der geplanten Anhebung des Radweges auf Gehweghöhe, der kurz vor der Ampel wieder auf Straßenniveau abgesenkt werden soll.

Die vorgelegte Planung sei für die verantwortungsbewussten Kfz- und Fahrradfahrer eine Zumutung.

An dieser Stelle werde – trotz ausreichenden Verkehrsflächen und weiterer Flächen im städtischen Eigentum – die Chance vertan, für den Fuß- und Radverkehr eine sichere und komfortable Situation zu schaffen.

Klaus Bartels (B90/Die Grünen) ergänzt, dass die vorliegende Planung für den Kraftverkehr optimiert sei und nicht für die schwächsten Verkehrsteilnehmer, nämlich die Fußgänger und Fahrradfahrer.

Eine solche Planung sei nicht mehr zeitgemäß.

Jürgen Mülders (B90/Die Grünen) bekräftigte die uns verwies darauf, dass ein solcher Kreisverkehr nicht „Stand der Erkenntnisse“ sei und auch an dieser Stelle für Fahrradfahrer eine weitere Gefahrenstelle „geplant“ werde.

Für Dr. Boris Wolkowski schien – trotz der Kritikpunkte der Ampel-Vertreter – im Vordergrund zu stehen, dass man bei dieser Angelegenheit „zum Schluss“ kommen müsse und plädierte für eine entsprechende „Anpassungen“ im weiteren Umsetzungsprozess.

Dr. Bonin und Verkehrsplaner Clages stellten in Aussicht, die vorgetragenen Einwände auch dann noch zu berücksichtigen, wenn auf Grundlage der wegen des Förderantrages nicht mehr änderbaren Planungen die Genehmigung vorläge.

Auch für den FDP-Vertreter im Umwelt und Mobilitätsausschuss Stefan Dahlmanns ist die Linksabbiegerspur für Fahrräder inmitten der Abbiegespuren für Autofahrer nicht sicher.

Es gebe zwar die Möglichkeit rechts auf den Bürgersteig zu fahren, dann mit den Fußgängern zusammen die Hittastraße zu queren. Hier würden dann jedoch die Fußgänger gefährdet.

Was ihn dazu bewogen habe, der Vorlage der Verwaltung dennoch zuzustimmen begründete Dahlmanns gegenüber BZMG damit, dass die Verwaltung zugesagt habe, zu versuchen eine Querung der Hittastraße parallel zum Fußgängerüberweg zu planen und vor dem Linksabbieger von der Speicker Straße in die Hittastraße eine Aufstellfläche vorzusehen.

Um die Förderung nicht zu gefährden, hätten er und die übrigen Ampelvertreter zugestimmt.

Gegen diesen („faulen“) Kompromiss gestimmt haben die Grünenvertreter Klaus Bartels und Jürgen Mülders sowie Sabine Cremers von DIE LINKE.

Als Beobachter der „Szenerie“ stellt man sich die Frage, wie lange die Ampel-Kooperation diese Art von „Arbeit“ der Spitze der „planenden Verwaltung“ noch tolerieren will.

Vielleicht dann, wenn man sich einzelne Ampel-Protagonisten sich von der Diktion befreien: „Die Planungen sich schon so weit fortgeschritten sind, dass wir nur noch zustimmen können“.

Sich davon zu „befreien“, scheint beispielsweise vom Grünen-Fraktionsvorsitzende (noch) nicht bereit zu sein.

Dieser ist mehr subtil „unterwegs“, indem er vorgibt sich kritisch mit Themen und Vorgängen im Sinne von Bürgern auseinanderzusetzen, sich tatsächlich jedoch vollkommen anders verhält.

Das war beim Thema „Brücke Bettrather Straße“ so, ist beim Thema „Ratshausneubau“ kaum anders und gab auch beim Thema „Kreisverkehr Speicher Straße/Hügelstraße“ deutlichen Anlass zu einer solchen Vermutung, als er nicht etwa während oder nach einer Debatte, sondern schon beim Aufruf des Tagesordnungspunktes eine Sitzungsunterbrechung beantragte.

Und das bezeichnenderweise nach einem „Vier-Augen-Gespräch“ mit dem Planungsdezernenten außerhalb des Ratssaals.

Was im Beisein während der Sitzungsunterbrechung zwischen dem Planungsdezernenten und dessen Verkehrsplaners und den Ampel-Vertretern „im Nebenzimmer“ verabredet wurde, ist natürlich im Einzelnen nicht bekannt, das Ergebnis schon, als – bis auf zwei Ampel-Vertreter – alle der Verwaltungsvorlage zugestimmt haben.

Es spricht für einige Ausschussmitglieder, dass sie trotz der offensichtlich verabredeten Zustimmung zur Verwaltungsvorlage auf ihre kritischen Wortmeldungen nicht verzichtet hatten.

Dass – wenn auch nur in einem Nebensatz – der SPD-Sprecher Thomas Maria Claßen vom Verkehrsplaner Jörg Clages die Zustimmung erbat (und erhielt), dass der ADFC weiterhin rechtzeitig in Verkehrsplanungen eingebunden werde, war bezeichnend und pikant gleichermaßen.

Man darf gespannt sein, wie in der Niederschrift zu diesem TOP die Zusagen von Dr. Bonin und Verkehrsplaner Clages an die Ampels dokumentiert werden, woraus hervorgehen müsste, dass die Planungen zwar für den Förderantrag unverändert blieben, schon jetzt aber vorgesehen sei, sich an eben dieser Planungen nicht gehalten wird.