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Während Bewerber auf andere hochbezahlte Positionen in Wirtschaft und Verwaltungen mindestens eine fachliche Grundqualifikation erfüllen und über einschlägige Berufserfahrungen verfügen müssen, können noch so gering qualifizierte Kandidaten zum „Hauptverwaltungs­beamten“ gewählt werden.

Dass dieses „Phänomen“ beispielsweise auch auf Bundes- und Landesminister zutrifft, macht die Situation in den Kommunen nicht besser.

Eine Stadtverwaltung zu führen und zu leiten erfordert Erfahrung auf vielen Gebieten. Dabei muss der Hauptverwaltungsbeamte in vielem Spezialist sein.

Vor allem muss er strikt zwischen Verwaltungs- und politischem Handeln trennen können.

Als Verwaltungschef ist der OB zunächst einmal seinem Beruf verpflichtet, zu dem die Bürger ihm durch seine Wahl „verholfen“ haben. Dabei sind Grundkenntnisse in juristischen, betriebswirtschaftlichen, ablauf- und aufbauorganisatorischen Bereichen sicherlich nicht störend.

In der Vergangenheit fehlte es manchem OB genau an diesen Einstellungen (dem Bürger gegenüber) und Fähigkeiten.

Damit war der Nährboden dafür geschaffen, dass (partei-)politische Einflüsse – teilweise am Hauptverwaltungsbeamten vorbei – unmittelbar in die Verwaltung hinein erfolgreich ausgeübt werden konnten, bis hin zur Besetzung von Führungspositionen und Beförderungen parteibuch-orientierter Verwaltungsmitarbeiter.

Die Kernanforderungen

Will man die Anforderungen an einen Hauptverwaltungsbeamten beschreiben, kann man die Kriterien zugrunde legen, die auch in der „freien Wirtschaft“ ausschlaggebend sind:

  • Sozialkompetenz im Sinne einer motivierenden Mitarbeiterführung
  • Kommunikations- und Lernfähigkeit  und -wille
  • Durchsetzungsvermögen insbesondere im Zusammenhang mit externen Einflußnahmen
  • Organisations- und Führungserfahrung
  • Empathie beim Umgang mit Kunden (= Bürgern)
  • Kritikfähigkeit
  • Hintanstellen parteipolitischer Interessen

Die Rechenschaftspflicht

Anders als eine Spitzenkraft in der „freien Wirtschaft“ hat der OB als Hauptverwaltungsbeamter keinen Vorgesetzten, demgegenüber er Rechenschaft ablegen müsste.

Fehlverhalten, Fehlentscheidungen oder gar Unfähigkeit werden kaum bis gar nicht geahndet, wie die Vorgänge um den Duisburger OB Sauerland im Zusammenhang mit der Loveparade-Katastrophe gezeigt haben.

Einmal gewählt, kann sich ein OB des Arbeitsplatzes als Hauptverwaltungsbeamter über fünf (oder aktuell sechs) Jahre sicher sein.

Dabei spielt es für ihn dann auch keine Rolle mehr, ob er einmal gewählt wurde, weil er als netter Mensch von nebenan, populistischer Bierzeltkönig oder als Volkstribun Bürger animierte, sich für ihn zu entscheiden.

Er muss schon die berühmten „goldenen Löffel“ klauen, dass die Kommunalaufsicht aktiv wird und beim Regierungspräsidenten vorschlägt, dass er seines Amtes enthoben wird.

Unfähigkeit kann erst am Ende der Amtszeit geahndet werden

(Einer „Amtsenthebung) vorgeschaltet wäre dann meist ein Disziplinarverfahren, zu dem es wirklich gute Gründe geben muss. Unfähigkeit o.ä. können allenfalls die Wähler bei der nächsten Wahl „ahnden“.

Somit könnte sich erst nach der Wahlperiode herausgestellt haben, ob es dem OB gelingen kann, erneut einen Wahlkampf für sich zu entscheiden, der nicht nur auf Beliebtheit, Bekanntheitsgrad oder gar auf Populismus aufbaut.

Je mehr bei den Bürgern (= Wählern) klar ist, dass ihr OB nicht als repräsentierender Politiker und für die Abgabe von Versprechungen, sondern in erster Linie als Hauptverwaltungsbeamter da zu sein hat, der für die Führung und Leitung einer Stadtverwaltung zuständig ist und bezahlt wird, umso deutlicher werden sie ein anderes Anforderungsprofil zugrunde legen, als möglicherweise bei der vorangegangenen Wahl.

Das "Bild" des Hauptverwaltungsbeamten in der (Bürger-)Öffentlichkeit

Ob der (wählenden) Öffentlichkeit bekannt wird, wie der Hauptverwaltungsbeamte den an ihn zu stellenden Anforderungen gerecht wird, hängt allerdings davon ab, inwieweit seine Arbeit von politischen Gremien und der Lokalpresse kritisch begleitet wird.

Nicht selten sind die politischen Verquickungen mit Gremienmitgliedern und auch mit Teilen der Lokalpresse so ausgeprägt, dass sich alles als „Eitel-Freude-Sonnenschein“ darstellt und letzlich der Wähler kaum etwas Kritisches erfährt.

Je länger ein Hauptverwaltungsbeamter im Amt ist, umso eher läuft er – je nach charakterlicher Stärke – Gefahr, mehr und mehr Interessengruppen oder Interessen Einzelner zu Diensten sein zu wollen.

Lobbyismus im Amt

Jahrelanges Hofiertwerden hinterlässt unauslöschliche Spuren und suggeriert „Wichtigkeit“.

Der Schritt zum „Lobbyismus im Amt“ ist dann nicht mehr weit.

Da verstrickt sich ein Hauptverwaltungsbeamter mal schnell in Netzen und Netzwerken, die auch dem Wähler – trotz aller Vertuschungsbemühungen – auf Dauer nicht verborgen bleiben.

Das kann bei nicht selten strategisch gesteuerten, positiven Presseberichten beginnen und noch lange nicht damit enden, eine Wohnung im Objekt eines „Interessierten“ anzumieten oder zu erwerben und seien solche Vorgänge noch so „sauber“ abgelaufen.

Als Vor- oder Gegenleistung hat ein Verwaltungschef die Macht, Verwaltungsentscheidungen zu modifizieren oder nach dem Motto „Ober sticht Unter“ zu treffen, die nicht dem Gemeinwesen, also der Bürgerschaft, sondern den Interessen Einzelner nutzen.

Manchmal „hilft“ ein Einzelner (oder eine Interessengruppe) dem Hauptverwaltungsbeamten „aus einer Klemme“, wodurch sich dieser aufgrund seiner „Macht“ zu einer Gegenleistung „verpflichtet“ sieht.

Bedeutung für „neue“ Kandidaten

„Neue“ Kandidaten für das Amt des Hauptverwaltungsbeamten sollten sich recht früh die Frage beantworten, ob sie dieser Anforderung nach „Unabhängigkeit“ gerecht werden wollen oder können, wenn ihnen der Bürger durch eine Wahl die „Macht“ überträgt.

Dies vor allem dann, wenn ein Kandidat von seiner Partei oder von Interessengruppen darum gebeten, ja dazu aufgefordert oder gar gedrängt wird – vielleicht auch, weil man „keine Besseren“ hat.