Im Koalitionsvertrag 2017 hatte die schwarz-gelbe NRW-Landesregierung vereinbart, die Ausweisung von Versorgungs- und Reservezeiträumen für die Rohstoffsicherung zu verlängern.
Im Februar 2019 beschloss die Landesregierung, die Versorgungszeiträume für die Sicherung und den Abbau oberflächennaher Bodenschätze (wie den insbesondere am Niederrhein vorkommenden Kies) von 20 auf 25 Jahre anzuheben.
Das Oberverwaltungsgericht hat heute (03.05.2022) für unwirksam erklärt und damit den Normenkontrollanträgen der Kreise Viersen und Wesel sowie der Kommunen Kamp-Lintfort, Neukirchen-Vluyn, Rheinberg und Alpen stattgegeben.
Diese hatten sich gegen die Anhebung der Versorgungs- und Fortschreibungszeiträume für Rohstoffe um jeweils fünf Jahre im Landesentwicklungsplan gewandt.
Hinsichtlich der Verpflichtung der Regionalplaner, diese Zeiträume fortzuschreiben, wurde der Zeitraum von 10 auf 15 Jahre erhöht.
Die Gemeinden und Kreise haben dagegen eingewandt, dies werde voraussichtlich zu einem höheren Flächenbedarf führen und damit dazu, dass die – den Landesentwicklungsplan umsetzende – Regionalplanung auf ihrem Gebiet weitere Kies-Abgrabungsbereiche festlegen werde.
Damit erhalte die Rohstoffsicherung zu Unrecht Vorrang vor anderen Belangen wie dem Umweltschutz, dem Städtebau oder der Land- und Forstwirtschaft.
Das Oberverwaltungsgericht hat den Normenkontrollanträgen stattgegeben.
Zur Begründung hat der 11. Senat im Wesentlichen ausgeführt:
Bei den angegriffenen Plan-aussagen handelt es sich um verbindliche Ziele der Raumordnung, die für nachgeordnete Planungsbehörden verbindlich und einer Abwägung nicht mehr zugänglich sind.
Die Antragsteller sind als Behörden befugt, dagegen mit Normenkontrollanträgen vor-zugehen.
Denn sie müssen die verbindlichen Ziele der Raumordnung bei der Land-schafts- und Bauleitplanung beachten.
Dabei ist es unerheblich, dass es sich bei den streitigen Zielbestimmungen lediglich um textliche Festlegungen handelt, die einer weiteren sachlichen und räumlichen Konkretisierung durch die Träger der Regionalplanung bedürfen.
Denn einerseits ist die Notwendigkeit entsprechender Veränderungen dem Grunde nach durch die Zielbestimmungen verbindlich vorgegeben, andererseits ergeben sich hieraus auch bereits räumliche Konsequenzen, jedenfalls im Hinblick auf die schon bisher regionalplanerisch festgelegten Abgrabungsbereiche.
Außerdem kann die Klärung der Gültigkeit der angegriffenen Ziele im Landesentwicklungsplan dazu führen, dass keine weiteren Rechtsstreitigkeiten, wie etwa spätere Normenkontrollverfahren gegen die die verbindlichen Ziele umsetzenden Regionalpläne, geführt werden müssen.
Die geänderten Planaussagen verstoßen gegen das Abwägungsgebot.
Für die Anhebung der Versorgungs- und Fortschreibungszeiträume um jeweils fünf Jahre fehlt es bereits an einer hinreichenden Ermittlung der hierdurch berührten gegenläufigen Be-lange als wesentliche Grundlage für die Abwägung.
Das beklagte Land NRW hat seiner Abwägung tragend zugrunde gelegt, dass die maßvolle Verlängerung der Zeiträume eine bessere Planungssicherheit für die abbauenden Betriebe ermögliche.
Tatsächliche Erkenntnisse zum Bedarf für die Verlängerung liegen aber nicht vor.
Konkrete Sachverhaltsermittlungen fehlen auch, soweit die Änderung mit mehr Sicherheit für die Rohstoffversorgung der Bevölkerung begründet worden ist.
Weder aus der Abwägungsentscheidung selbst noch aus dem Abwägungsmaterial ergeben sich eindeutige Informationen, welche „durch den Rohstoffabbau ausgelösten Konflikte“ in der Entscheidung berücksichtigt worden sind.
Zu den von den Antragstellern geltend gemachten Befürchtungen einer erhöhten Flächeninanspruchnahme und zu den durch die Planänderungen betroffenen Umweltbelangen fehlen ebenfalls Ermittlungen oder sind jeden-falls unzureichend.
Auch wenn beides auf der Ebene der Landesplanung noch nicht mathematisch genau bzw. gebietsscharf ermittelt werden kann, war eine Verortung der Betroffenheit, herunter gebrochen auf konkrete Teilräume des Landes Nordrhein-Westfalen, möglich.
Schließlich sind die vorhandenen Abgrabungsbereiche für Kies bekannt, wie sich aus einem Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU und der FDP vom Mai 2019 ergibt, der ausdrücklich auf „Niederrhein“ als „besonders belasteten Teilraum“ hinweist.
Das Oberverwaltungsgericht hat die Revision nicht zugelassen.
Dies kann durch Beschwerde angefochten werden, über die das Bundesverwaltungsgericht entscheidet.
Aktenzeichen: 11 D 109/19.NE, 11 D 2/20.NE und 11 D 135/20.NE
Reaktion von B90/Die Grünen im Landtag NRW in heutiger Pressemitteilung:
„Rüße: Schallende Ohrfeige für schwarz-gelbe Planungspolitik
Zur Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Münster zu den Normenkontrollanträgen gegen die im Landesentwicklungsplan festgelegte Anhebung der Versorgungszeiträume für den Abbau von Kies und Sand erklärt Norwich Rüße, Sprecher für Natur- und Umweltschutz der GRÜNEN Landtagsfraktion NRW:
„Es ist die Aufgabe der Landesregierung, die Interessen der Industrie und den Schutz unserer Landschaften in Einklang zu bringen.
Dieses Ziel hat Schwarz-Gelb bei der Novellierung des Landesentwicklungsplans völlig aus den Augen verloren, das hat das Gericht heute unmissverständlich klargestellt.
CDU und FDP hatten den Zeitraum, für den der Rohstoffabbau den Kiesbedarf decken muss, auf mindestens 25 Jahre verlängert. Dadurch müssten mehr als 300 Hektar Abbaufläche zusätzlich abgebaggert werden.
Den Raubbau an Natur und Umwelt hat die schwarz-gelbe Landesregierung dabei systematisch gegen den Willen der betroffenen Bevölkerung durchgesetzt.
Wir begrüßen es daher sehr, dass das OVG Münster den Bedenken der betroffenen Kommunen gefolgt ist.
Jetzt braucht es eine grundlegende Neuausrichtung der nordrhein-westfälischen Rohstoffpolitik, die der Versorgungssicherheit und der Bewahrung von Heimat gleichermaßen gerecht wird.
Dazu braucht es endlich Fortschritte beim Baustoffrecycling. Vor dem Hintergrund der Klimakrise, müssen wir davon wegkommen immer mehr Rohstoffe abzubauen und neuen Zement zu produzieren und stattdessen beginnen anfallenden Bauschutt wo möglich in großen Mengen wiederzuverwenden.
Auch der Einsatz anderer nachhaltiger Baustoffe wie beispielweise Holz, muss endlich mehr Berücksichtigung finden.“