Mit 74,02 % der abgegebenen Stimmen wurde Felix Heinrichs zum neuen Mönchengladbacher Oberbürgermeister gewählt, der am 01.11.2020 seinen Dienst antritt.
Ins Amt eingeführt wird er in der konstitutierenden Sitzung des Rates am 04.11.2020.
Die Wahlbeteiligung lag am Ende der Auszählungen um 19:40 Uhr bei 33,06% und damit gegenüber 2014 um ca. 4%-Punkte höher.
Insgesamt waren es 67.934 gültige Stimmen, 50.288 für Felix Heinrichs und 17.646 für Frank Boss.
Der 31-Jährige ist nicht nur der jüngste Oberbürgermeister in Mönchengladbach, sondern nach Norbert Bude auch der zweite nach dem Kriege mit SPD-Parteibuch.
Schon um 18:30 Uhr und 116 von 182 ausgezählten Stimmbezirken war zu erkennen, dass Heinrichs für Frank Boss nahezu uneinholbar vorne lag.
Auch wenn es sich um eine „Personenwahl“ zur Führung der Mönchengladbacher Verwaltung handelte und Heinrichs zu der GroKo aus CDU und SPD gehört(e), machten die Wählerinnen und Wähler diese Stichwahl offensichtlich zu einer (nachträglichen) Abrechnung mit der Politik von CDU und SPD in den vergangenen sechs Jahren.
In lediglich einem Stimmbezirk (Gemeinschaftsschule Dohr) wurden für Frank Boss mehr Stimmen (ca. 71%) abgegeben als für Felix Heinrichs.
Selbst in den beiden Giesenkirchener Wahlbezirken (Heimat von Frank Boss) unterlag dieser deutlich mit nur 33,47% bzw. 34,10%.
Diese beiden Wahlbezirke waren die einzigen, die Boss im 1. Wahlgang am 13. September 2020 hatte für sich verbuchen können.
Mit diesem niederschmetternden Ergebnis dürften die kommunalpolitischen Ambitionen des bisherigen stellvertretenden CDU-Fraktionsvorsitzenden im Mönchengladbacher Stadtrat ein vorhersehbares Ende genommen haben.
Weil Frank Boss sich einer Direktwahl in einem Wahlbezirk nicht gestellt hat und die Reserveliste der CDU „nicht zog“ (Boss war Spitzenkandidat), hat er weder im Rat noch in einer Bezirksvertretung einen Sitz.
Er verliert mit hoher Wahrscheinlichkeit auch den Vorsitz im Freizeit-, Sport- und Bäderausschuss, im Aufsichtsrat der NEW Kommunalholding GmbH und weitere Aufsichtsratsposten in städtischen Beteiligungen und seine stellvertretender Mitgliedschaft im Verwaltungsrat der Stadtsparkasse.
Finanziell dürfte ihn der Verlust der Stichwahl zum Hauptverwaltungsbeamten kaum schmerzen.
Er kann weiterhin sein Mandat als Landtagsabgeordneter (monatlich mind. 10.000 EURO) und seine bezahlte „Nebentätigkeit“ als Geschäftsführer der CDU-Fraktion im LVR wahrnehmen.
Auch die Mönchengladbacher CDU wird einiges aufzuarbeiten haben.
Da ist zum einen der lange „unter der Decke“ gehaltene und die Partei in zwei „Lager“ aufteilende Zwist, der spätestens beim Nominierungsparteitag im November 2019 zu erahnen war.
Auf diesem Parteitag hatte sich Frank Boss mit nur 18 Stimmen (von) 390 gegen die Odenkirchenerin Petra Heinen-Dauber durchgesetzt.
Diese war vom CDU-Fraktionsvorsitzenden Dr. Hans Peter Schlegelmilch unterstützt worden, was parteiintern zu Irritationen geführt hatte.
Zum anderen hat es die CDU nicht geschafft, der Wählerschaft für ihre teilweise hochtrabenden Ankündigungen und Maßnahmen zu gewinnen.
Der in der heutigen Ausgabe von ETRA-Tipp Erklärungsversuch des CDU-Fraktionsvorsitzenden „… Die Wahlgergebnisse zeigen uns auch, dass wir hierbei nicht immer den richtigen Ton getroffen haben. ..:“ dürfte angesichts der massiven Niederlage von Frank Boss in seiner Wirkung vollkommen verpuffen.
Dass Schlegelmilch durch die SPD unterstützt und meist kritikfrei vom bisherigen SPD-Fraktionsvorsitzenden Felix Heinrichs „sekundiert“ wurde, hat Letzterem in der Stichwahl offensichtlich nicht geschadet.
Obwohl aus seiner Sicht vielleicht naheliegend, dürfte ein evtl. Vorwurf von Frank Boss an seine Partei-“Freunde“ hinsichtlich mangelder Unterstützung ins Leere laufen.
Auch wenn das desolate Ergebnis der Stichwahl in hohem Maße auch als Reaktion der Wählerinnen und Wähler auf die Politik der CDU „nach Gutsherrenart“ und diesie unterstützenden CDU-Protagonisten in der Verwaltungsspitze zurückgeführt werden kann, war es eine Personen- und eine Persönlichkeitswahl.
Dabei war Felix Heinrichs seinem Mitbewerber um den Unterschied überlegen, den das Wahlergebnis aussagt.
Bei öffentlichen Auftritten und persönlichen Kontakten erschien Heinrichs stets gut informiert, strahlte Souveränität aus und vermied Plattitüden, wie „da ist noch Luft nach oben“ und „das werde ich – wenn ich Oberbürgermeister bin – im Dialog mit Fachleuten prüfen“.
Gleichwohl gab er bei nicht wenigen Themen (öffentliche) Statements ab, die von seinen „Adressaten“ als verbindlich angesehen werden konnten und wurden.
Daran wird er sich messen lassen müssen.
Auch daran, dass er in vielen Themenbereichen im Wahlkampf „eine Wende“ einforderte, und zwar in Bereichen, die in den vergangenen sechs „Groko-Jahren“ von CDU und SPD (und ihm) – bewusst oder fahrlässig – vernachlässigt wurden.
Angesichts der immer noch miserablen Wahlbeteiligung wird auch er sich (wie im Übrigen alle Direktgewählten in den Wahlbezirken) der Frage nach der „Legitimität“ stellen müssen.
Auch wenn er in der heutigen Stichwahl ca. 74% der abgegeben Stimmen auf sich vereinigen konnte, und damit gegenüber dem 1. Wahlgang die Stimmendifferenz zu Frank Boss um etwa 26.000 Stimmen erhöhen konnte, hat er einen „Legitimitätsgrad Wahlberechtigte“ von nur etwa 24% erreicht; sein „Legitimitätsgrad Einwohner“ liegt bei ca. 21%.
Fakt ist, dass viele Wählerinnen und Wähler Felix Heinrichs – trotz „Groko-Vergangenheit“ – gewählt haben, um Frank Boss zu verhindern.
Das könnte auch als Zeichen dafür gewertet werden, auch die GroKo verhindern zu wollen.