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Seit Langem versuchen Mönchengladbacher Bürger das Recht zu erhalten, ihre Anregungen, Beschwerden und sonstigen schriftlichen Eingaben mündlich zu erläutern, indem ihnen ein Rederecht in Gremien eingeräumt wird.

Ebenso häufig wie „Rederechtsanträge“ gestellt werden, werden sie von den Mehrheitsfraktionen im Ausschuss für Anregungen und Beschwerden oft ohne für die Einreicher nachvollziehbare inhaltliche Gründe abgelehnt.

Auch unterstützende Anträge beispielsweise von B90/Die Grünen und der FDP, die eine Änderung der Geschäftsordnung des Mönchengladbacher Stadtrates vorschlugen, scheiterten an CDU und SPD, unterstützt durch den Verwaltungschef Hans Wilhelm Reiners (CDU).

Als einziges Gremium, in dem Bürgern ein Rederecht eingeräumt wird, ist die so genannte „Anhörungskommission“ des Planungs- und Bauausschusses.

Diese „Kommission“ tagt immer unter Ausschluss der Öffentlichkeit, trifft keine Entscheidungen und räumt nur Bürgern ein Rederecht ein, die zuvor zu einem bestimmten (Bau-)vorhaben Einwendungen nach dem Baugesetzbuch (BauGB) eingereicht hatten.

Diesem Gremium gehören neben Vertretern der Bauverwaltung, der Vorsitzende des Planungs- und Bauausschusses, der auch die Leitung übernimmt und je ein Vertreter der Stadtratsfraktionen an.

Diskussionen lässt der Kommissionsvorsitzende in aller Regel nicht zu.

Es gab Bestrebungen in Verwaltung und Politik, dieses (freiwillige) Gremium wieder abzuschaffen. Mittlerweile scheint man dieses Vorhaben nicht weiter zu verfolgen, wie der Homepage der Stadt zu entnehmen ist (siehe aktuelle Grafik)

Die bislang umfangreichste Kommissionssitzung fand zum Jahreswechsel 2010/2011 statt, als weit über 1.300 Mönchengladbacher Bürger sich gegen den geplanten Bau einer Methangasanlage wandten und zwei Sitzungen notwendig wurden.

Die erste Sitzung war nach einem Eklat gescheitert und als nichtig eingestuft, nachdem bekannt wurde, dass diese ohne Wissen und Zustimmung der beteiligten Bürger vom damaligen „Hauptgegner“ der Initiative, der NVV AG (heute: NEW AG) aufgezeichnet wurde.

Erst die zweite Sitzung lief aus Sicht der Beteiligten rechtskonform ab.

Schlussendlich hatte der Widerstand der Mönchengladbacher Bürger gegen die Methangasanlage Erfolg: Eine politische Mehrheit im Rat versagte der Änderung des Flächennutzungsplans und dem Bebauungsplan die Zustimmung; die Anlage wurde nicht gebaut.

Rederecht bei Bürgebegehren

Anders als bei nicht formalisierten Bürger-Eingaben sah die Praxis zum „Rederecht“ bei formellen Bürgerbegehren aus.

Vor Entscheidungen des Rates, ob einem formal erfolgreichen Bürgerbegehren stattgegeben oder es abgelehnt wird – was „automatisch“ zu einem Bürgerentscheid führen würde – wurde den Sprechern des  Begehrens im Rat ein Rederecht eingeräumt.

So geschehen, als jüngst der Verkauf von „Haus Erholung“ zur Debatte stand und die Initiatoren weit mehr als das vorgeschriebene Quorum an Gegnern dieses von CDU und SPD vorangetriebene Vorhaben hinter sich vereinen konnten.

Das neben dem Haus Erholung geplante Hotel wird nicht gebaut. Stattdessen sehe die Planungen für dieses Gelände eine Sprotanlage vor.

Rederecht erhielten auch die Initiatoren des Bürgerbegehrens „Gegen Giesenkirchen 2015“ im Jahr 2008/2009, als der ehemalige Bezirksvorsteher und aktuelle CDU-Oberbürgermeisterkandidat Frank Boss (CDU) versuchte, die Giesenkirchener Bezirkssportanlage zum Bauland zu machen.

Auch dieses Bürgerbegehren war erfolgreich, die Bezirkssportanlage blieb. Mit der politischen Konsequenz, dass die CDU bei der Kommunalwahl 2009 in Mönchengladbach massiv einbrach und sich bis 2014 mit der so genannten „Oppositionsrolle“ zufrieden geben musste.

 

An der generell abweisende Haltung zum Rederecht von Bürgern in Mönchengladbacher Gremien haben die beschriebenen „Fälle“ nicht geändert.

Vielmehr setzt sie sich in den Bezirksvertretungen fort, obwohl die Bezirksvorsteher die Möglichkeit hätten, Bürgern ebenso ein Rederecht einzuräumen, wie sie das bei „Externen“, wie beispielsweise Architekten und Vertretern von Unternehmen, an der die Stadt beteiligt ist (oder auch nicht) geschieht.

Insgesamt Grund genug für BZMG bei umliegenden Kommunen nachzufragen, wie dort mit Eingaben, Anregungen und Beschwerden und in diesem Zusammenhang mit dem Recht der dortigen Bürger, in Gremien zu reden, umgegangen wird.

BZMG-Kurzumfrage

Von Mitte Mai bis Mitte Juni 2020 wurden den Pressestellen der 68 Kommunen (Kreisfreie Städte, Kreise, kreisangehörige Städte und Gemeinden) im Regierungsbezirk Düsseldorf angeboten, an einer anonymisierten Umfrage teilzunehmen.

Über diese Umfrage stehen die entsprechenden Daten und Informationen von 22 Kommunen (34,4%) zur Verfügung, unter ihnen fünf kreisfreie Städte und ein Kreis.

.. und als PDF downloaden:

Das Ergebnis zeigt, dass ein hohes Bedürfnis besteht, dass Bürger ihre Anliegen nicht nur schriftlich, sondern auch persönlich vortragen – zumindest erläutern – möchten.

Indiz dafür ist, dass die größte Zahl der Bürger-Eingaben in kreisfreien Städten mit Rederecht zu finden ist, was durchaus auch auf die hohe Einwohnerzahl zurückgeführt werden kann.

Insgesamt gesehen scheinen die Belange der Bürger in Kommunen mit Rederecht besser „wahrgenommen“ zu werden, als in den übrigen Kommunen.

Wie sehr auch in manchen Kommunen Bürger-Eingaben ernst genommen und nicht nur als „notwendiges Übel“ behandelt wird, zeigt die Tatsache, dass zwei der teilnehmenden Kommunen der BZMG-Redaktion ergänzend zur Umfrage die Passagen aus ihren Hauptsatzungen zusandte, in denen das Rederecht fixiert ist.

Eine tiefergehende und beispielsweise auf ganz NRW ausgedehnte Umfrage – ggf. auch mit strukturierten Interviews – könnte die Frage nach dem Umgang von Kommunen mit der Bürgerbeteiligung außerhalb spezifischer gesetzlicher Vorgaben sicherlich umfassender beantworten.