Das Oberverwaltungsgericht hat mit heute verkündetem Urteil entschieden, dass der Luftreinhalteplan vom 01.04.2019 für die Stadt Köln rechtswidrig ist und das Land Nordrhein-Westfalen ihn deshalb fortschreiben muss.
Nach derzeitigem Stand müssen Fahrverbote für Dieselfahrzeuge der Abgasnorm Euro 5/V und älter in den Luftreinhalteplan aufgenommen werden, um eine zügigere Einhaltung des Grenzwerts für Stickstoffdioxid jedenfalls an folgenden Messstellen zu erreichen: Clevischer Ring, Justinianstraße, Luxemburger Straße und Neumarkt.
Welche konkreten Straßenabschnitte dafür gesperrt und welche Fahrzeuge von den Fahrverboten ausgenommen werden, muss die Bezirksregierung Köln prüfen und festlegen.
Das Oberverwaltungsgericht hat damit das von der Deutschen Umwelthilfe erstrittene Urteil des Verwaltungsgerichts Köln insoweit bestätigt, als die bisherige Luftreinhalteplanung unzureichend ist.
Es hat allerdings nicht entschieden, dass auf jeden Fall eine Fahrverbotszone eingerichtet werden muss; bloße streckenbezogene Fahrverbote könnten unter Umständen genügen.
An verschiedenen Messstellen in der Stadt Köln ist der seit dem 1. Januar 2010 ein-zuhaltende Grenzwert für Stickstoffdioxid (im Jahresmittel 40 Mikrogramm pro Ku-bikmeter) deutlich überschritten.
Die Jahresmittelwerte für 2018 betragen an den Messstellen
- Clevischer Ring 59 Mikrogramm pro Kubikmeter,
- Justinianstraße 48 Mikrogramm pro Kubikmeter,
- Luxemburger Straße 45 Mikrogramm pro Kubikmeter.
Die Messstelle Neumarkt weist für das zweite Halbjahr 2018 einen Mittelwert von 47 Mikrogramm pro Kubikmeter auf.
Die zuständige Bezirksregierung hat einen Luftreinhalteplan mit Wirkung ab 1. April 2019 aufgestellt, der verschiedene Maßnahmen enthält, um die Luftqualität in Köln zu verbessern.
Fahrverbote hat sie nicht vorgesehen. Mit der zusätzlichen Anordnung von Fahrverboten könnte nach den Prognosen der Bezirksregierung Köln an allen vier vorgenannten Straßen im Jahr 2020 der Grenzwert hinreichend sicher eingehalten werden bzw. wäre mit 41 Mikrogramm pro Kubikmeter am Clevischen Ring nur noch knapp überschritten.
Ohne Fahrverbote ist die Einhaltung des Grenzwerts hingegen nicht vor dem Jahr 2022 bzw. 2023 hinreichend sicher zu erwarten.
Zur Begründung hat der Vorsitzende des 8. Senats heute ausgeführt: Der Luftreinhalteplan für die Stadt Köln ist rechtswidrig, weil die darin vorgesehenen Maßnahmen nicht den Anforderungen der Europäischen Richtlinie 2008/50/EG vom 21. Mai 2008 und des Bundes-Immissionsschutzgesetzes genügen.
Nach den bisherigen Prognosen und Messwerten sind für die Messstellen Clevischer Ring, Justinianstraße, Luxemburger Straße und Neumarkt keine anderen Maßnahmen als Fahrverbote für Dieselfahrzeuge der Abgasnorm Euro 5/V und älter ersichtlich, um den geltenden Grenzwert für Stickstoffdioxid zumindest im Jahr 2020 einzuhalten.
Für die übrigen Messstellen in Köln erscheint es nach derzeitigem Sachstand und unter Berücksichtigung der bisher vorliegenden Messwerte im Jahr 2019 nicht zwingend geboten, auch dort Fahrverbote anzuordnen.
Dies gilt aus Gründen der Verhältnismäßigkeit auch für die Aachener Straße (Köln-Weiden), wo der Grenzwert nach derzeitiger Prognose 41 Mikrogramm pro Kubikmeter im Jahre 2020 nicht übersteigen wird, spätestens aber 2021 eingehalten werden wird.
Fahrverbote müssen unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls verhält-nismäßig sein.
In dem neuen Luftreinhalteplan muss das Land Nordrhein-Westfalen, vertreten durch die Bezirksregierung Köln, unter Berücksichtigung der weiteren Entwicklung der Messwerte daher zunächst streckenbezogene Fahrverbote prüfen.
Dabei müssen insbesondere der dadurch bedingte Ausweichverkehr und dessen Auswirkungen näher untersucht werden.
Sollten durch den Ausweichverkehr Grenzwerte in anderen Straßen überschritten werden, kann dies Fahrverbote für weitere Straßen erforderlich machen.
Die Bezirksregierung Köln muss auch prüfen, für welche Fahrzeuge Ausnahmen vom Fahrverbot erteilt werden können, ohne die Einhaltung der Grenzwerte zu gefährden (z. B. Fahrzeuge von Handwerkern oder Anwohnern oder nachgerüstete Fahrzeuge).
Sollte allerdings aufgrund der bereits ergriffenen Maßnahmen der Jahresmittelwert für 2019 entgegen der bisherigen Prognose der Bezirksregierung an einzelnen Stellen günstiger ausfallen und eine aktualisierte Prognose ergeben, dass der Grenzwert kurzfristig eingehalten werden wird, kann dort gegebenenfalls aus Gründen der Verhältnismäßigkeit auch von einem Fahrverbot abgesehen werden.
Soweit die Bezirksregierung Köln jenseits der vier genannten Straßen in einem neuen Luftreinhalteplan von Fahrverboten absieht, weil die Grenzwerte nach ihrer Prognose kurzfristig eingehalten werden, muss sie schon im Luftreinhalteplan für den Fall vorsorgen, dass die Prognose sich nicht bewahrheitet.
Als Ausgleich für die mit einer Prognose stets verbundenen Unsicherheiten muss der fortzuschreibende Luftreinhalteplan vorsehen, dass die Entwicklung der Luftschadstoffwerte regelmäßig kontrolliert wird.
Ferner muss der Luftreinhalteplan auf einer zweiten Stufe zusätzliche Maßnahmen wie etwa Fahrverbote an den davon noch nicht erfassten Stellen für den Fall enthalten, dass die Grenzwerte mit den bisherigen Maßnahmen entgegen der Prognoseerwartung doch nicht schnellstmöglich eingehalten werden.
Die Bezirksregierung Köln muss den Luftreinhalteplan 2019 unverzüglich, d. h. ohne schuldhaftes Zögern, fortschreiben.
Dies dauert erfahrungsgemäß mehrere Monate.
Dabei wird sie die Vorgaben des Senats zu beachten und im Rahmen ihres Gestal-tungsspielraums die konkreten Einzelheiten festzulegen haben.
Diese Einzelheiten hängen auch von der Entwicklung der Messwerte und einer hinreichend einzelfallbe-zogenen Prüfung der Verhältnismäßigkeit durch die Behörde ab.
Der Senat hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen, über die das Bundesverwaltungsgericht entscheidet.
Aktenzeichen: 8 A 4775/18 (I. Instanz: VG Köln 13 K 6684/15)
DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch: „Die Landesregierung sollte nun nach der zweiten Niederlage in den Luftreinhalteverfahren vor dem Berufungsgericht ihren Bürgern reinen Wein einschenken und rechtzeitig mitteilen, dass Diesel-Fahrverbote kommen werden. Nur so gibt man ihnen die Chance, sich rechtzeitig vorzubereiten und gegenüber den Dieselkonzernen eine schnelle Hardware-Nachrüstung durchzusetzen. Da das Land mit diesem zweiten von uns gewonnenen Urteil die Rechtsauffassung des Gerichts auch für die 12 weiteren Städte kennt, freuen wir uns auf die im Oktober terminierten Vergleichsgespräche mit der Landesregierung.“
Rechtsanwalt Remo Klinger, der die DUH in dem Verfahren vertritt, ergänzt: „Ein Rechtszustand, bei dem fixe Grenzwerte seit 10 Jahren überschritten werden, ist eines Rechtsstaats unwürdig. Köln sollte das verstehen, das Land muss das erkennen. Wenn Stadt und Land bis heute über diese vielen Jahre hinweg nicht in der Lage sind, den Grenzwert einzuhalten, müssen sie andere Maßnahmen ergreifen. Wir sind daher sehr erfreut über diese Entscheidung.“
Hintergrund:
Die DUH hat am 17. November 2015 Klage gegen das Land Nordrhein-Westfalen für die Saubere Luft in Köln eingereicht.
Am 8. November 2018 wurde die Klage vor dem Verwaltungsgericht Köln verhandelt und das Land Nordrhein-Westfalen zur Einführung einer Fahrverbotszone verpflichtet, da es keine andere Maßnahme gibt, die vergleichbar schnell zur Einhaltung des geltenden Grenzwerts für Stickstoffdioxid (NO2) führen wird.
Das Land hat Berufung gegen das Urteil eingelegt. Für die Verhandlung der Berufung fand im Vorfeld ein Erörterungstermin im Mai 2019 am OVG Münster statt.
Insgesamt führt die DUH in NRW 14 Verfahren für die Saubere Luft. Neben Köln auch in Bielefeld, Paderborn, Dortmund, Hagen, Bochum, Wuppertal, Aachen, Bonn, Düren, Düsseldorf, Gelsenkirchen, Oberhausen und Essen.
Weitere Verhandlungstermine für NRW stehen noch nicht fest.
Insgesamt klagt die DUH derzeit in 38 Städten für die Saubere Luft.
Zum Urteil des Oberverwaltungsgerichts Münster, wonach der Luftreinhalteplan der Stadt Köln rechtswidrig ist und an vier Hauptverkehrsstraßen keine anderen Maßnahmen als Fahrverbote ersichtlich seien, erklärt Arndt Klocke, Fraktionsvorsitzender der GRÜNEN Fraktion im Landtag NRW:
„Das Gericht hat klar gemacht, dass Fahrverbote in Köln notwendig und zur Durchsetzung der Luftreinhaltungsziele auch verhältnismäßig sind. Für die Besitzer älterer Dieselfahrzeuge ist das ein schwerer Schlag.
Das Urteil ist die Quittung für die Untätigkeit von Bundes- und Landesregierung. Es stellt Ministerpräsident Laschets Behauptung, Fahrverbote seien per sè’unverhältnismäßig und damit rechtswidrig‘ als substanzlose Realitätsverweigerung bloß.
Der Ministerpräsident hat hier eine herbe Klatsche erlitten.
Er hat es die vergangenen beiden Jahre vollkommen verschlafen, die Kommunen bei der Luftreinhaltung ausreichend zu unterstützen.
So hätten Fahrverbote für viele Pendler vielleicht verhindert werden können. Stattdessen hat er versucht, den Gerichten ihre Urteilsfindung vorzuschreiben.
Mit diesem Versuch ist er nun krachend gescheitert.
De Grünen fordern die Landesregierung auf, umgehend tätig zu werden und ein wirksames Sofortprogramm zur Förderung von öffentlichem Nahverkehr, Fahrradinfrastruktur und abgasfreier Mobilität aufzulegen.
Das muss sich auch in der Haushaltsplanung 2020 niederschlagen und kurzfristig umgesetzt werden.“