„Ich verpflichte mich dazu, meine Aufgaben nach bestem Wissen und Können wahrzunehmen, das Grundgesetz und die Verfassung des Landes zu achten und meine Pflichten zum Wohle der Gemeinde zu erfüllen.“
Mit dieser Formel werden alle Ratsmitglieder, sachkundige Bürger und sachkundige Einwohner, die in Gremien tätig sind, verpflichtet, bei der Abgabe eines Votums sich so zu verhalten, wie es ihrer Auffassung nach richtig ist.
Davon, dass sich diese Personen, die unmittelbar oder mittelbar von den Bürgern in diese Ämter gewählt wurden, immer nach dem Willen der jeweiligen Fraktion und/oder einer jeweiligen Kooperation zu richten haben, ist keine Rede.
Entscheidungsfreiheit in der Kommunalpolitik auf „Gewissensentscheidung“ reduzieren zu wollen wirkt geradezu „pervers“.
In der Kommune geht es um Sachentscheidungen „vor Ort“ und nicht um ethische Grundthemen.
Man stelle sich vor, ein Mandatsträger müsse erst sagen, er könne es „mit seinem Gewissen nicht vereinbaren“, wenn an einer bestimmten Stelle eine Hundewiese eingerichtet würde, um seine von der Fraktion abweichende Meinung „durchzustehen“.
Geradezu lächerlich!
Dennoch gibt es Fraktionen, die glauben, Demokratie und Meinungsvielfalt und -freiheit einschränken zu können, indem sie – ohne den Begriff explizit zu artikulieren – „Fraktionszwang“ einfordern … und dies sogar in ihrer Geschäftsordnung manifestieren.
Wie beispielsweise die Fraktion der Mönchengladbacher SPD, die in §2 ihrer Geschäftsordnung vom 26.05.2014 (Die Pflichten der Fraktionsmitglieder) den „Fraktionszwang“ so umschreibt:
„3. Können sich die Fraktionsmitglieder einem Beschluss der Fraktion nicht anschließen, müssen sie ihre abweichende Meinung rechtzeitig und schriftlich dem/der Fraktionsvorsitzenden mitteilen. Die Fraktion entscheidet über eine mögliche Vertretung.“ (Zitat Ende)
Eine „Vertretung“ im Stadrat ist ausgeschlossen, weil es sich hierbei um ein entweder durch Direktwahl oder über die Partei-Reserveliste für den Rat erlangtes persönliches Amt handelt.
Für sachkundige Bürger und sachkundige Einwohner,die durch die SPD-Fraktion benannt wurden bedeutet das Im Klartext: „Wenn Du die Fraktionsmeinung nicht vertritts, wirst Du gegen eine andere Person ausgetauscht, die »auf Linie ist«“.
Spricht man mit Spitzen von Fraktionen wird ein Fraktionszwang vehement abgestritten.
Dennoch gibt es ihn, wie Beispiele aus der Mönchengladbacher Kommunalpolitik zeigen:
Beispiel 1
ALDI-MARKT an der Hofstraße
In diesem „Fall“ war die CDU involviert, als im Juni 2009 die Entscheidung getroffen werden sollte, ob die „Bücker-Brüder“ und CDU-Mitglieder mit ihrer (mittlerweile insolventen) Firma Jessen an der Hofstraße einen ALDI-Markt errichten dürften.
Mindestens 11 der 33 CDU-Ratsmitglieder stimmten einem „Verhinderungsantrag“ der Grünen zu, was den damaligen CDU-Parteichef und -OB-Kandidaten Norbert Post zu der klugen Äußerung veranlasste: „Bei einer Sachentscheidung muss man nicht geschlossen sein“.
Beispiel 2
Abstimmung zur Errichtung eine „Methangas-Fabrik“ in Wanlo im Jahr 2011.
Die beiden Wickrather SPD-Ratsmitglieder Uli Mones und Dennis Hutschenreiter hatten sich schon früh gegen eine solche Anlage ausgesprochen und dieses Versprechen an die Bürger auch bis zur entscheidenden Ratssitzung durchgehalten.
Dennis Hutschenreiter und Uli Mones verließen vor dieser Abstimmung den Rheydter Ratssaal.
Hutschenreiter legte sein Ratsmandat nieder und verließ die SPD, Uli Mones verzichtete vor der Kommunalwahl 2014 auf eine Kandidatur für den Rat.
Beispiel 3
Abwahl des Baudezenenten Andreas Wurff
Ob der dritte „Fall“ (2013), nämlich die von den Fraktionsvorsitzenden Dr. Hans Peter Schlegelmilch (CDU) und dem jetzigen Oberbürgermeister Felix Heinrichs (SPD) ein gestielte und von der FDP-Ratsmitgliedern unterstützte Abwahl des parteilosen Baudezernenten Andreas Wurff in die Kategorie „Sachentscheidung“ einzuordnen ist, oder ob es sich um ein „Freischaufeln“ dieses Dezernentenpostens für seinen Nachfolger Dr. Gregor Bonin (CDU) handelte, kann nur vermutet werden.
Keine Vermutung ist jedoch, dass bei CDU, SPD und FDP ein „Fraktionszwang“ gegriffen hatte.
Doch zurück in die Gegenwart und zum Abstimmungsverhalten der Vertreter von B90/Die Grünen Klaus Bartels und Jürgen Mülders im Mobilitätsausschuss am letzten Donnerstag.
Dass diese beiden damit eine „Sachentscheidung“ getroffen haben, weil sie ganz offensichtlich über die „Sachkenntnis“ verfügen, die sie im Sinne der Mönchengladbacher Bürger einsetzen wollen, steht außer Frage.
Außer Frage steht auch, dass sich die Ampel-Kooperierenden auf diesen Grundsatz verständigt haben: „Die Fraktionen (bzw. die jeweiligen Mitglieder der Ausschüsse) stimmen ihre Positionen im Vorfeld von Sitzungen rechtszeitig miteinander ab.“ (Zitat Ende)
Das führt besonders unter drei Partnern natur- und regelgemäß zu Friktionen, Verzögerungen und Verschiebung von Entscheidungen „auf später“.
Erschwerend kommt hinzu, dass – wie zu Zeiten der ersten Mönchengladbacher Ampel mit einem SPD-Oberbürgermeister Norbert Bude – ein „4. Player“ mitspielt und seine (persönlichen?) und die Interessen „seiner“ SPD im Auge hat.
Dass die Ampelpartner ob einer vermeintlichen Uneinigkeit innerhalb der Ampel „not amused“ sind, darf erwartet werden, sind sie doch – namentlich die Fraktionsspitze der Grünen – sehr darauf bedacht, alles zu unterlassen, was einen Bruch der Ampel zur Folge haben könnte.
Letztere befürchten offensichtlich, dass es „danach“ zu einer Wiederauflage der GroKo kommen würde und ihnen Macht, Einfluss und Pfründe verloren gehen könnten.
Abgesehen davon muss man beim Sachthema „Kreisverkehr Speicker/Luisenstraße“ konstatieren, dass die Vertreter der Ampel-Partner im Mobilitätsausschuss der von der Verwaltung erheblich verspätet vorgelegten Planung unisono ablehnend gegenüber standen und offensichtlich auch heute noch stehen.
Erkennbar ist des weiteren, dass sich die Ampel-Partner – entgegen ihrer eigenen Kooperationsvereinbarung – vorher nicht oder hinsichtlich des Abstimmungsverhaltens unzureichend abgestimmt hatten.
Dieses von ihm vermutete „Nicht abgestimmt sein“ der Ampel nutzte Baudezernent Dr. Bonin aus, identifizierte den Grünen-Faktionsvorsitzenden Dr. Boris Wolkowski als den für einen „Deal“ Zugänglichsten und verschaffte sich so Zugang zur „Sitzungsunterbrechung“ der Ampel-Fraktion.
Das eröffnete die Möglichkeit, den durch seine Planungen erzeugten „Termindruck“ zu untermauern und damit ungeachtet der aus sich der Ampel-Vertreter geäußerten erheblichen Kritik an der Planung den „Fördermittelbeschluss“ zu initiieren.
Dass diese nunmehr verabschiedete und der Bezirksregierung vorzulegende Planung nicht so ausgeführt werden wird, wie die Pläne ausweisen, dürfte die Bezirksregierung Düsseldorf durchaus interessieren.
Den vermeintlichen „Abstimmungsabweichlern“ Barthels und Mülders einen Kooperationsverstoß vorwerfen zu wollen, wäre nicht nur „zu kurz gesprungen“, sondern auch unfair und unredlich.
Will man sich auf Fehlersuche begeben, wird man sicherlich hier fündig:
- Die Ampel-Kooperation hatte dem in der Beratungsvorlage 1214/X unter „Finanzwirksamkeit“ enthaltenen Passus „Hierzu muss bis zum 31.05.2022 ein modifizierter Förderantrag beim Land NRW für Maßnahmen nach den Richtlinien zur Förderung des kommunalen Straßenbaus (FöRi-kom-Stra) gestellt werden“ (Zitat Ende), nicht gelesen oder verstanden, daher keine „vorherigen“ Abstimmungen getroffen und tappte so in diese „Termin- und Planungsfalle“.
- Nach der von der Verwaltung mit apodiktischer Bestimmtheit vorgetragener Weigerung, die Planungen noch einmal anzupassen, kam niemand aus der Ampel-Kooperation auf den Gedanken nachzufragen, was im Einzelnen geschehen würde, wenn die Planungen dennoch überarbeitet würden.
- Hätten die Ampel-Vertreter die Gelegenheit der Sitzungsunterbrechung – ohne Beisein der Verwaltungsvertreter – genutzt, sich auf ein Abstimmungsverhalten zu verständigen, hätten sie das vorherige „Nicht abgestimmt sein“ korrigieren können.
- Dazu war der die Sitzungsunterbrechung beantragende Grünen-Fraktionsvorsitzende scheinbar nicht bereit oder in der Lage oder fähig.
Dass die beiden „Abstimmungsabweichler“ so abgestimmt hatten, wie sie es taten, war folgerichtig und mit Bezug auf die eingangs zitierte Verpflichtung nur konsequent.
Eine ähnliche Konsequenz hätte man nach dem engagierten und fundierten Wortbeitrag des SPD-Sprechers auch von den SPD-Ampel-Vertretern erwartet.
Dass dies nicht geschah, lag möglicherweise an einer (persönlich) anderen Motivlage, die an dieser Stelle schwer zu ergründen ist.
Fakt ist jedenfalls, dass evtl. Kritiker an den „Abstimmungsabweichlern“ besser „in sich“ gehen sollten und zukünftig in ähnlich gelagerten Fällen „vordenken“, statt „nachdenken“, denn dann kann es oft zu spät sein.
Quod erat demonstrandum!