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In einem Offenen Brief wandten sich vier besorgte Bürger an Oberbürgermeister Hans Wilhelm Reiners (CDU), dessen Amtszeit in sechs Monaten abläuft und brachten ihren Unmut zu aktuellen Entwicklungen und zum Grundverhalten der Stadtspitze zum Ausdruck.

Fernab von den Diskussionen in den so genannten sozialen Netzwerken, in denen ähnliche Kritikpunkte in noch massiverer Form diskutiert werden, stellen sie fest:

„Sie werden unseres Erachtens Ihrer Verantwortung als Oberbürgermeister der Stadt Mönchengladbach dann gerecht, wenn Sie entschlossen dafür sorgen, dass es keine Entscheidungen geben wird, die im Interesse einiger weniger und gegen die der meisten Menschen gerichtet sind.“ (Zitat Ende)

Inhaltlich beziehen sich die Briefschreiber u.a. auf

  • das Vorgehen beim Projekt Europaplatz,
  • unzureichende Planungen für den ÖPNV,
  • Missachten von Wohnbedürfnissen breiter Bevölkerungsgruppen,
  • Ignorieren von Klimaentwicklungen,
  • Verkauf städtischer Grundstücke (= Eigentum der Bürger) an Investoren statt Verpachtungen

Sie scheiben:

„Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, wir wenden uns mit diesem offenen Brief als Bürger dieser Stadt an Sie, die für die Planungen, den öffentlichen Raum und damit die Lebensqualität für alle Menschen in Mönchengladbach betreffend, nur noch zwei passende Worte finden: skandalös und beschämend!

Höhepunkt dieser Entwicklung, die seit vielen Jahren nicht nur uns, sondern viele BürgerInnen zunehmend empört, droht der Um- bzw. Neubau des Europaplatzes und von Haus Westland zu werden.

Die wichtigsten Gründe für unsere Befürchtungen lassen sich wie folgt zusammenfassen:

Das Bahnhofsumfeld ist, wie in vielen anderen Städten, ein Aushängeschild der Stadt Mönchengladbach:

Wer hierher anreist, bekommt einen ersten Eindruck von ihrem Charakter bzw. von der Atmosphäre, die in der Stadt herrscht.

Dieser zentrale Ort gehört allen BürgerInnen, sie alle sollen wissen und spüren, dass die Stadt sich hier angemessen präsentiert.

Alleine aus diesem Grunde hat ein privater Investor, dem die Stadt und die in ihr lebenden Menschen völlig gleichgültig sind, der allenfalls sein Profitinteresse durch eventuelle Konzessionen an lokale Wünsche kaschiert, hier nichts zu suchen.

Die Interessen der BürgerInnen würden Sie ernst nehmen, wenn Sie eine Arbeitsgruppe einrichten, in der interessierte BürgerInnen mit Fachleuten aus der Verwaltung und bürgernahen Politikern das Bahnhofsumfeld gemeinsam planen.

 

Sind Sie mal mit dem Zug nach Düsseldorf oder Bremen oder in eine andere größere – oder auch kleinere – Stadt gefahren?

Sie verlassen den Bahnhof und fallen fast in Straßenbahnen, die Sie in alle Richtungen transportieren, oder erreichen dort alle möglichen Busverbindungen, und wenn Sie die U-Bahn nehmen wollen, müssen Sie das Bahnhofsgelände gar nicht verlassen.

So direkt und übersichtlich kann die Anbindung der Bundesbahn an den ÖPNVsein, so selbstverständlich kann eine Stadt für die Menschen sorgen, die sich und es werden hoffentlich immer mehr werden — mit Bus und Bahn und nicht mit ihrem jetzt schon anachronistischen Automobil fortbewegen wollen.

Die Planideen, die bisher bekannt sind, lösen diesen Anspruch an öffentliche Versorgung von BürgerInnen und Besuchern nicht im Entferntesten ein, sie sind, gelinde gesagt, eine planerische Missachtung ihrer alltäglichen Bedürfnisse und Notwendigkeiten.

Wir fordern Sie auf, diesen Affront gegenüber den BürgerInnen aufzuhalten.

 

Darüber hinaus werden diese Planungen in ganz Deutschland ein homerisches Gelächter auslösen, weil eine Großstadt mit ihnen um Jahrzehnte zurückschreitet.

Mönchengladbach ist hinreichend verhunzt worden durch den absoluten Vorrang des Autoverkehrs.

Die vierspurigen Schneisen, die die Stadt durchziehen, sind und bleiben eine schmerzliche Verunstaltung der städtischen Infrastruktur. Spätestens mit der Gewissheit, dass die Klimakatastrophe kaum noch aufzuhalten ist, sagen nicht nur Tausende Wissenschaftler, sondern Hunderttausende klimapolitischer Aktivisten, von ganz jung – Fridays for Future — bis ganz alt – Seniors for Future – und über viele Berufs- und andere gesellschaftliche Gruppen hinweg, dass eine konsequente Reduktion des Autoverkehrs – Elektroautos, das wissen Sie sicherlich genauso gut wie ich, sind keine Lösung, sondern nur eine Neuauflage des Übels – nötig ist.

In vielen Städten wird umgeplant, der ÖPNV gefördert – nur ein Beispiel: Augsburg, und es gibt zahlreiche Städte europaweit -, die den Autoverkehr aus den Innenstädten verbannen und öffentlichen Raum den Menschen zurückgegeben.

Weder darf einem Investor noch einer Verwaltung zugestanden werden, gegen die Interessen der meisten Menschen rückwärtsgewandte Projekte zu verwirklichen.

Wir erinnern daran, dass die Antwort des Rates der Stadt Mönchengladbach auf die Forderung vieler Menschen, den Klimanotstand auszurufen, war: Wir machen doch schon so viel für die Umwelt, solche Symbolpolitik – Ausrufung des Klimanotstands – brauchen wir nicht.

Nehmen Sie diesen Satz bitte ernst, indem Sie dafür sorgen, dass die Planungen für den Bahnhofsvorplatz und das Westland-Gelände annähernd klimaneutral geschehen.

 

Und ein weiterer Anachronismus, der viele Menschen noch viel unmittelbarer betrifft und trifft, soll hier umgesetzt werden.

Viele Städte sind seit vielen Jahren dabei, öffentliches Gelände im eigenen Besitz zuhalten oder zurückzukaufen.

Es geht den Verantwortlichen darum, gemeinsam mit den BürgerInnen die Städte zu gestalten, vor allem aber um Bauland zur eigenen Verfügung zu haben, damit Wohnungen für Menschen mit geringem oder ohne Einkommen in städtischer Regie gebaut werden können, also der soziale Wohnungsbau als zentrale Aufgabe kommunaler Politik und Verwaltung erkannt oder wieder erkannt wird.

Investoren dürfen das Land nicht mehr erwerben, sondern nur auf ihm bauen, und auch das nur, wenn sie eine mindestens 40%ige Quote an Sozialwohnungen bauen, die armen Menschen unbefristet zur Verfügung stehen, und die für Wohnprojekte notwendige soziale Infrastruktur zur Verfügung stellen.

Zeitnah, am 07. Februar 2020, widmete die Rheinische Post in einem ausführlichen Bericht und einem engagierten Kommentar sich dem Mangel an bezahlbarem Wohnraum in NRW und Mönchengladbach und der Notwendigkeit, den sozialen Wohnungsbaudrastisch zu fördern.

Vor diesen Hintergründen ist der Verkauf des Geländes am Hauptbahnhof nicht nur absurd, er verscherbelt wieder Eigentum, das allen BürgerInnen gehört, an einen Investor, der mit ihm – Sie wissen: im Wohnungssektor riesige – Gewinne erzielen, aber keine Wohnungsnot lindern will.

Wir fordern Sie auf, diese Privatisierung städtischen Bodens zu verhindern und klare Kante für ein Projekt zu zeigen, das dort ein Vorzeigemodell für soziales Wohnen und Leben entwickelt und umsetzt.

 

Diese Einwände und Vorschläge gelten übrigens auch für andere teilweise riesige städtische Gelände wie Maria Hilf, Reme usw.

Teilweise sind Entscheidungen gefallen, die Privatisierung und Wohnungsbau für Menschen mit guten bis sehr guten Einkommen oder als Eigentum vorsehen – so weit möglich, sollten sie rückgängig gemacht werden und in ein Konzept für sozialen Wohnungsbau integriert werden.

Wir halten Europaplatz und Haus-Westland-Gelände für ein Menetekel:

An der Gestaltung dieses städtischen Zentrums wird entschieden, ob sich ein „Weiter so“ durchsetzt, also Priorität für den Autoverkehr, Vernachlässigung des ÖPNV, Missachtung der Lebensbedürfnisse vieler weniger begüterter Menschen und Ignoranz gegenüber der Notwendigkeit, den Klimawandel durch kommunale Planungsprioritäten ernst zu nehmen, oder ob der Weg in eine moderne, soziale, lebenswerte und alsbald klimaneutrale Großstadt beginnt. …“ (Ende des Briefes)

Martin Hahnen
(BAUM e.V.)

Ralph Kettler
(Antragsteller
Klimanotstand)

Dr. Günter Rexilius
(Bürger der Stadt)

Kurt Sasserath
(NABU Mönchengladbach)

AUTOREN­KOMMENTAR

Bei der Vorstellung der Visionen für ein neues Rathaus in Rheydt am 30.01.2020 im Ernst-Christoffel-Haus sagte OB Hans Wilhelm Reiners (CDU) vor etwa 200 Bürgern mit Bezug auf dieses Projekt:

„… sollte jemand denken, der macht sich im Herbst vom Acker … das hat nichts damit zu tun, dass ich nicht an dieses Projekt glaube. Ich werde in den neun Monaten, die mir in diesem Amt noch bleiben, tun, was in meinen Möglichkeiten steht, das weiter nach vorne zu bringen. … (Zitat Ende)

Dass Reiners eine solche Äußerung auch hinsichtlich der erhebliche Kritikpunkte der vier Briefschreiber tun würde, darf angezweifelt werden.

Es wäre schon ein „Erfolg“, wenn der Mönchengladbacher OB dieses Schreiben beantworten würde … besonders aber, wenn dies im gleichem Detaillierungsrad geschehen würde.

Denn viele Bürger sind empört darüber, dass Reiners an ihn gerichtete Briefe (nicht etnwa nur „offene“) nicht beantwortet oder qualifiziert beantworten lässt … und sei es zunächst „nur“ mit einer Eingangsbestätigung mit einem Hinweis, wer die Briefe beantworten wird.

Da das Handeln des OBs und seiner „Freunde“ im Verwaltungsvorstand uneingeschränkt von CDU und SPD gestützt wird, kann der Begriff „Menetekel“ (im Sinne von drohendem Unheil) durchaus zutreffend gewählt worden sein.