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Wenn Wähler sich ernsthaft Mühe geben, sich über die Ziele der zur Wahl stehenden Parteien zu informieren, könnten sie sich die etwa 750 Seiten an Wahlprogrammen antun.

Aber wer kann oder macht das schon.

Hinzu kommt, dass die vielen Triels, Duelle, Frontal-Interviews, Diskussionsrungen und was es da alles so gab und im „Endspurt“ noch gibt, in denen man immer die gleichen Argumentationen vorgetragen bekommt, so dass der eine oder die andere mittlerweile schon wegschaltet, wenn so etwas auch nur angekündigt wird.

Bekanntlich fallen viele Ankündigungen und Versprechungen vor der Wahl den Koalitions­vereinbarungen nach der Wahl zum Opfer, wie übrigens auch vor der letzten Kommunalwahl und der Kooperations­vereinbarung danach.

Es ist in unserem Wahlsystem nun mal so, dass der einzelne Wähler keinen unmittelbaren Einfluss auf das Zustandekommen von Koalitionen hat, sondern nur einem Direktkandidaten oder einer Direktkandidatin seine Stimme geben und ihm oder ihr so zu einem „Job“ in Berlin verschaffen kann.

Mit der zweiten Stimme kann man die Landesliste einer Partei wählen, die man stärken möchte.

Damit wählt man mittelbar auch die örtliche Kandidatin oder den Kandidaten, der/die man vielleicht direkt gar nicht wählen möchte und auch nicht „direkt“ gewählt hat.

Insofern hat Wählen auch immer etwas von einer Art von „Pokerspiel“.

Im Wahlkreis 109 (Mönchengladbach) stellt sich die Sache so dar:

Chancen der Direktkandaturen

Der Wahlzettel weist 27 zugelassene Parteien auf, wovon neun einen Direktkandidaten aufgestellt haben.

Vier dieser Direktkandidaten denken nicht ernsthaft daran, in den Bundestags einzuziehen, auch weil sie in den NRW-Landeslisten ihrer Parteien gar nicht auftauchen.

Einzelne haben (als so genannte „Image-Kandidaten“) die ehrliche Hoffnung mit Ihrem Gesicht in der Öffentlichkeit ihrer Partei einen Dienst zu erweisen.

So verbleiben unterm Strich nur zwei Kandidatinnen und ein Kandidat übrig, denen man die Erststimme geben kann, die nicht von vorne herein als „verloren“ angesehen werden muss.

Bei realistischer Betrachtung dürfte auch bei der Bundestagswahl am 26. September 2021 der CDU-Kandidat Dr. Günter Krings in Mönchengladbach „das Rennen machen“ und auch zukünftig seinen Arbeitsplatz in Berlin haben.

Zwischen 2002 und 2017 lag Kring bei den Erststimmen nicht unter 40%. Sein niedrigsten Wert von 43,6% datiert aus dem Jahr 2002, dem erstmaligen Einzug in den Deutschen Bundestag.

Angesichts der aktuellen Schwäche seiner Partei könnte er möglicherweise unter die 40%-Marke rutschen, aber dennoch das Direktmandat erreichen.

Damit würde sein 7. Platz in der CDU-Landesliste für ihn ohne Bedeutung sein.

Stimmen für Gülistan Yüksel (SPD) und Kathrin Henneberger (Grüne) wären in diesem Fall ebenfalls „verloren“, weil nur für Statistiker von Bedeutung.

Chance von Kandidaturen über die Landeslisten

Geringfügig anders sieht es bei den Mönchengladbacher Direktkandidaten, die vermeintlich über die Landeslisten ihrer Parteien „abgesichert“ sind.

Dazu zählt Annette Schrader Schoutz, die in der Landesliste der Freien Wähler auf Platz 6 rangiert.

Damit diese Liste überhaupt zu Tragen kommen kann, müssten die Freien Wähler bundesweit die 5%-Hürde überspringen oder mindestens drei Direktmandate in NRW erringen, was wenig wahrscheinlich ist.

Neben Dr. Krings (CDU) erscheinen nur noch die SPD-Kandidatin Gülistan Yüksel (Platz 22) und die Grünen-Kandidatin Kathrin Henneberger (Platz 20) auf den Landeslisten ihrer Parteien.

Die Chancen dieser beiden Kandidatinnen wieder bzw. erstmalig in den Bundestag einziehen zu können, hängt sehr stark davon ab wie groß der Anteil ihrer Parteien in NRW wird und/oder wie hoch die Zahl der Überhangs- und Ausgleichsmandate im neuen Bundestag sein wird.

Überhangmandate sind eine Besonderheit des personalisierten Verhältniswahlrechts im föderal verfassten Deutschland. Sie kommen zustande, wenn eine Partei in einem Bundesland mehr Direktmandate erringt, als ihr dort nach dem Zweitstimmenergebnis zustehen.

Ausgleichsmandate dienen dazu, die bei zustande kommenden Überhangmandaten so auszugleichen, dass andere Parteien, die keine oder weniger Überhangmandate bekommen haben, nicht benachteiligt werden.

So wird erreicht, dass die Parteien im Parlament entsprechend ihrem Zweitstimmenanteil (d. h. gemäß der Verhältniswahl) vertreten sind.

Durch die Vergrößerung der Anzahl der im Bundestag vertretenen Parteien stieg die Zahl der ursprünglich vorgesehenen Sitze von nominell 598 (299 über Direktmandate und 299 über die Zweitstimmen) im Jahr 2013 auf 709 im Jahr 2017.

Veränderungen in der Parteienlandschaft lassen den Anstieg auf über 1.000 durch Ausgleichsmandate nach der Bundestagswahl im September erwarten.

Davon könnten auch die beiden Mönchengladbach Kandidatinnen profitieren … sofern die Platzierungen dies hergeben.

Welche Optionen hat der einzelne Wähler? • Ist „strategisches Wählen“ möglich? • Welcher „Wähler­typ“ ist Mann oder Frau?

Natürlich gibt es nicht DEN Typ von Wähler und auch die nachfolgend beschriebenen sind als nur „rein theoretisch“ zu verstehen, aber warum sollte Theorie nicht zur Praxis werden?

Typ „Traditionswähler“

Viele Wähler werden mit der Erst-Stimme den Kandidaten/die Kandidatin der Partei, die sie „immer schon gewählt haben und geben dementsprechend ihre Zweitstimme, ohne auf die Inhalte der Programme und der Versprechungen zu achten.

Rationalität ist bei diesen eher unterentwickelt, so dass die gegen Einflüsse anderer Parteien und deren Kandidaten immun sind.

Typ „Wechselwähler“

Solche sind mit dem Direktkandidaten/der Direktkandidatin und deren Partei nicht zufrieden, wechseln das „Lager“ und geben Erst- und Zweitstimme einer anderen politischen Richtung.

„Trigger“ für solche Wähler können emotional und/oder rational sein, möglicherweise aber auch abhängig von der Sympathie für einen Kandidaten/eine Kandidatin sei.

Typ „Strategiewähler“

Solche Wähler sind sehr stark von der Ratio „gesteuert“.

Sie wägen Vor- und Nachteile ihrer Wahloptionen ab und scheuen sich auch nicht, die Erststimme jemandem zu geben, der aller Erfahrung nach „sowieso“ die meisten Stimmen auf sich vereinen wird, damit diese nicht „verloren“ geht, und orientieren sich bei der Vergabe ihrer Zweitstimme an Inhalten der Partei, von denen sie hoffen, dass sie der Mehrheit angehören werden.

Das kann zu Kuriositäten auf dem Wahlzettel führen weil beispielsweise die Erstimmen an den vermutlichen „Sowieso-Gewinner“ geht, die Zweitstimme jedoch bei einer Partei landet, die vollkommen andere Ziele vertritt, als die Partei des „Sowieso-Gewinners“.

Typ „Halbwähler“

Weil niemand gezwungen ist, sein Wahlrecht auszuüben, indem er zwei Kreuzchen macht, kann es durchaus angebracht sein, beispielsweise nur mit der Zweitstimme die Partei zu wählen, deren Programm und Versprechungen den Vorstellungen der Wählerin/des Wählers am nächsten kommt.

Zu „Halbwähler“ können beispielsweise auch die werden, die im aktuellen Bundestagswahlkampf einem der drei „Kanzler-Kandidaten“ zutrauen, dieses Amt gut ausfüllen zu können.

Das ist nicht bekanntlich nicht „direkt“ möglich, wohl aber „indirekt“ über die Landesliste.

Aber aufgemerkt: Damit stärkt man mittelbar aber auch den „Direktkandidaten“ auf der Landesliste, dem/der man eigentlich bewusst nicht die Stimmen geben wollte.

Typ „Kooperationswähler“

Das sind „Strategie-Wähler“ der ganz besonderen Art, die man auch als „Wahlgemeinschaft“ titulieren könnte.

Klingt verschroben, ist es auch, aber dennoch möglich.

Wünscht sich beispielsweise ein Ehepaar oder eine andere Lebensgemeinschaft, dass zwei Parteien miteinander koalieren, dann kann der eine Partner der einen Partei seine Zweitstimme geben und der andere der anderen Partei.

Man kann es dann dabei belassen oder aber die Erststimmen den „Sowieso-Gewinner“ zuschanzen.

Weitere Informationen zu „Aspekten des Wählens“ in diesen beiden Themenreihen: