Für viele der etwa 200 eng gedrängt stehenden Besucher des SPD-Neujahrsempfangs 2020, zu dem der Kandidat für das Amt des Hauptverwaltungsbeamten, Felix Heinrichs, eingeladen und den Geschäftsführer Hans Smolenaers professionell organisiert hatte, war die toughe Elfriede Brand das Highlight der Mittagsveranstaltung am vergangenen Sonntag, die als einzige für eine 65-jährige Mitgliedschaft geehrte werden konnte.
Sie „okkupierte“ kurzerhand eines der Mikrofone, bedankte sich für Ehrung und machte den geschundenen SPD-Seelen Mut, indem sie diese tröstenden Worte fand:
„… Ich freue mich, hier so viele Menschen zu sehen, die noch zur SPD halten. Aber das Hoch kommt auch wieder. Die Leute werden sich besinnen, was gut für uns ist.“
Wann dieser Tag sein wird, kann niemand voraussehen und erst recht nicht, ob es der 13. September sein wird.
Es gehört schon ein gerüttelt Maß an Optimismus dazu, sich vorzustellen, dass die SPD in Mönchengladbach ihr 29%-Ergebnis aus der Kommunalwahl 2014 wiederholen bzw. erreichen wird.
Insofern könnte sich Heirnrichs Beginn seiner Rede in dem er erklärte, dass 2020 das Jahr der Entscheidung sei, genau darauf beziehen.
Optimismus versuchte Felix Heinrichs auch in seiner Rede zu verbreiten, wobei er es aufmerksamen Zuhörern schwer machte zu unterscheiden, ob er als OB-Kandidat, als amtierender Fraktionsvorsitzender oder als SPD-Mitglied sprach, das schon Inhalte des (noch zu veröffentlichenden) SPD-Kommunalwahlprogrammes zu vermitteln versuchte.
Nun könnte man diese Rede als typischen „Politikersprech“ abtun.
Damit würde man es sich jedoch recht einfach machen.
Man sollte schon versuchen, zuzuhören und zu verstehen, was zugegebenermaßen nicht immer einfach war.
Dass er (mit oder ohne Optimismus) nicht alle – vielleicht sogar nur wenige – wirklich erreichte, kann zum einen daran gelegen haben, dass der Geräuschpegel bei ca. 200 Personen in einem solchen, zu engen Raum recht hoch war, oder aber daran, dass die Leute in erster Linie gekommen waren, um sich zu unterhalten und damit den Anlass solcher Empfänge „miteinander ins Gespräch zu kommen“ wirklich ernst nahmen.
Anders als in seiner Nominierungsveranstaltung am 10. Oktober vorigen Jahres und am nachfolgenden Parteitag am 12.10.2019, als seine Kandidatur beschlossen wurde, hielt er sich mit der Aufforderungen „mutiger zu sein“ zunächst bemerkenswert zurück.
Dafür waren seine Behauptungen durchaus „mutig“ indem er behauptete, dass es in den letzten Jahren mehr Arbeitsplätze in Mönchengladbach gebe und dass in Schulen, Straßen und öffentlichen Gebäuden investiert werde und vor allem, dass der Radverkehr in Mönchengladbach ausgebaut werde, um nach einem deutlichen „Aber“ diese Fragen zu stellen:
- Sind die geschaffenen Jobs nachhaltig?
- Sind sie DIE Lösungen für die Beschäftigten?
- Sind die Investitionen ausreichend und gehen sie in die richtige Richtung?
- Wird mit den eingesetzten „Mittel“ der Verkehrspolitik eine echte Mobilitätswende erreicht?
Abgesehen von den Fragen, für die Heinrichs keine erkennbaren Antworten aufzeigte, sollte man mindestens den Versuch unternehmen, ernst zu nehmen, was Heinrichs „seinen“ Gästen sagen wollte, wenn er über „drei D‘s“ referiert – denen er im Übrigen später noch zwei weitere hinzufügte.
Digitalisierung, De-Karbonisierung (Anm.: Ausstieg aus der Braunkohle) und Demografie waren diesmal seine Schlagworte, die er in einen gesamtgesellschaftlichen und übergeordnetem politischen Zusammenhang setzte und versuchte, auf Mönchengladbach herunter zu brechen.
Weil die demographische Entwicklung alle Kommunen nachweislich schon jetzt und in den nächsten Jahren vor außerordentliche Herausforderungen in allen sozialen Bereichen stellt und stellen wird, wären richtungsweisende, inhaltliche Aussagen seitens des OB-Kandidaten sicherlich sehr hilfreich gewesen.
Aber: Fehlanzeige. Das gelang ihm insgesamt kaum, weil er mit Bezug auf die Situation in Mönchengladbach durchweg im Ungefähren blieb.
Mit den beiden weiteren „D‘s“ (Dynamik und Demokratie) gelang Heinrichs der Schwenk zu Metaphern, die schon als solche keinen Widerspruch hervorrufen, ja sogar zu Applaus anregen würden und ihn zu seiner aktuellen Lieblingsaussage „Mut“ auch fehlerhafte Entscheidungen zu treffen, führte.
Dass er darin auch die Anwesenden einbeziehen wollte, war seinerseits „mutig“.
Wusste er doch, als er sagte „alle gemeinsam“, dass nur ein verschwindend geringer Teil derer, die ihm zuhörten, tatsächlich an Entscheidungen beteiligt sind oder beteiligt werden sollen.
Er forderte die Zuhörer in Anlehnung an den großen SPD-Vorsitzenden Willy Brandt auf, „mehr Demokratie“ zu wagen.
Und das vor dem Hintergrund, dass Heinrichs selbst als glühender Verfechter des „repräsentativen“ Demokratiesystem alles daran setzt, dass es nicht zur unmittelbaren Beteiligung von Bürgern an Entscheidungen – gleich welcher Art – kommt.
Auffallend oft sprach er pauschal von „Wir müssen …“, ohne konkret zu sagen, wen er damit meinte.
Waren es seine Genossen, oder meinte er damit die Politiker anderer Gruppierungen oder die groko-nahen Unternehmer, die er in seiner Begrüßung namentlich erwähnte oder meinte er die vielen geladenen Ehrenamtler aus sozialen Organisationen und Bürgerinitiativen mit deren politik- und verwaltungskritischen Naturell, die er unerwähnte ließ?
Wenn Heinrichs Rede der Versuch war, staatstragend zu wirken, dann ist ihm das sicherlich gelungen.
Ob es jedoch der richtige Anlass und der richtige Zuhörerkreis war, sei ebenso dahingestellt, wie die Frage, ob er sich damit als Chef einer Verwaltung empfohlen hat.
AUTORENKOMMENTAR
Auch wenn es vielleicht den Anschein haben sollte, dass die Veranstaltung in der Schaffrath-Küche sei ein Jahresempfang der Mönchengladbacher SPD, sollte es doch der Versuch sein, die Öffentlichkeitsarbeit für die OB-Kandidatur Heinrichs‘ fortzusetzen und zu intensivieren.
Ein solcher Rahmen ist durchaus legitim und wird nur von den Wahlkampfmitteln begrenzt, die dem Unterbezirk zur Verfügung stehen. Die scheinen trotz der aufwendigen Personality-Show in den Boetzelen Höfen im Oktober noch nicht am Limit angekommen zu sein.
Ungeachtet dessen fragt man sich angesichts seiner anfänglichen Aufzählung konkreter Fragen (zu denen er keine konkreten Antworten parat hatte).„Warum sind er und die SPD in der auslaufenden sechsjährigen Ratsperiode die erkannten Fragen nicht schon längst angegangen?“
Um konkreter zu werden:
- Wo sind die SPD Mönchengladbach und ihr Fraktionsvorsitzender Felix Heinrichs beispielsweise vor der Entscheidung für die Ansiedlung von Zalando und Amazon und den damit einhergegangenen Verkäufen von Gewerbegrundstücken der Frage nachgegangen, wie nachhaltig die Jobs dort wirklich sind?
- Welche Antwort hatten die SPD Mönchengladbach und ihr Fraktionsvorsitzender Felix Heinrichs auf die Frage, ob sie DIE Lösung für die Beschäftigten sind?
- Wo hatten sich die SPD Mönchengladbach und ihr Fraktionsvorsitzender Felix Heinrichs erkennbar Gedanken dazu gemacht, ob Investitionen der Stadt und deren Töchter wirklich in die „richtige“ Richtung gingen?
- Was haben die SPD Mönchengladbach und ihr Fraktionsvorsitzender Felix Heinrichs – außer Absichtserklärungen – wirklich unternommen, den Radverkehr auszubauen, um eine echte Mobilitätswende zu erreichen?
Der Radverkehr wurde wohl eher „in die Schranken“ verwiesen, wie in der handfesten Auseinandersetzung um die Umgestaltung der Burggrafenstraße und das damit einhergehende geradezu sklavische Festhalten am so genannte indirekte Linksabbiegen für Radfahrer.
Auch bei der „Blauen Route“, die sich kaum mehr als ein „PR-Gag“ findiger „Spitzenverwalter“ war, kann man nicht einmal im Ansatz als „Ausbau“ des Radverkehrs einstufen.
„Mut haben, auch Fehler zu machen“, wie Heinrichs das ausdrückte, mag in privaten Unternehmungen richtig zu sein, das jedoch auf eine Kommune übertragen zu wollen und „alle“ (Anwesende) dazu aufzurufen, grenzt tendenziell an Überheblichkeit.