Die Sozialverbände VdK NRW, SoVD NRW und die Landesarbeitsgemeinschaft Selbsthilfe NRW erklärten heute (30.09.2020) bei einer gemeinsamen Pressekonferenz, dass die geplanten Änderungen der Landesregierung das
Aus für den barrierefreien Wohnungsbau und eine weitere Verschärfung des Wettbewerbs um barrierefreie Wohnungen bedeuten.
Bislang war in der Landesbauordnung für neu zu errichtende Wohnungen geregelt, dass sie „barrierefrei und eingeschränkt mit dem Rollstuhl nutzbar“ sein müssen.
Laut Gesetzesentwurf sollen Wohnungen künftig nur noch „im erforderlichen Umfang“ barrierefrei gebaut werden.
Das rollstuhlgerechte Bauen ist im Gesetzesentwurf gar nicht mehr verbindlich festgeschrieben.
In der Begründung heißt es dazu: im Wohnungsbau sollen „zumindest wesentliche Barrieren“ vermieden werden, damit ein „späterer Umbau ohne größeren Aufwand“ möglich sei.
Mit anderen Worten: es soll nicht mehr grundsätzlich nach den bislang geltenden Bauvorschriften barrierefrei gebaut werden, sondern Wohnungsanbieter und -nutzer sollen untereinander klären, wie Wohnraum an beeinträchtigungsbedingte Bedarfe nachträglich angepasst werden kann.
Horst Vöge, Landesvorsitzender des Sozialverbandes VdK NRW:
„Die Landesbauordnung bildet den rechtlichen Rahmen für Baustandards. Durch die Einführung des unbestimmten Rechtsbegriffs wird dieser nicht etwa erweitert oder konkretisiert, sondern er wird einfach aufgelöst. Von dem Ziel des barrierefreien Wohnungsbaus möchte sich die Landesregierung damit offenbar verabschieden. Statt einer umfassend barrierefreien Bauweise drohen Minimallösungen. Angesichts des Mangels an barrierefreien Wohnungen und der ohnehin bestehenden Wettbewerbsnachteile von Menschen mit Behinderung auf Wohnungssuche ist das für uns nicht hinnehmbar.“
Franz Schrewe, 1. Landesvorsitzender des Sozialverbandes SoVD Landesverband Nordrhein-Westfalen:
„Eine Unterscheidung zwischen Barrieren 1. und 2. Kategorie geht aber auch an der Lebensrealität von Menschen mit Behinderungen vorbei. Denn was für den einen nur eine kleine, leicht zu überwindende Barriere ist, stellt für den nächsten eine große Barriere dar. Vor dem Hintergrund des landesweiten Mangels an barrierefreien Wohnungen ist die Landesregierung klar gefordert die gesetzlichen Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass barrierefreier Wohnraum, der diesen Namen verdient, entstehen kann.“
Brigitte Piepenbreier, Vorsitzende der LAG Selbsthilfe NRW:
„Laut dem Teilhabebericht Nordrhein-Westfalen verfügen 82 Prozent der behinderten Menschen in Privathaushalten nicht über barrierefreien Wohnraum. Mit den Änderungen wird der Bedarf von barrierefreiem Wohnraum endgültig zu einem rein individuellen Problem von Menschen mit Behinderung, für dessen Lösung der Staat nicht verantwortlich ist. Mit Blick auf die seit 2009 in Deutschland geltende UN-Behindertenrechtskonvention wäre das ein Griff in die behindertenpolitische Mottenkiste.“
Schon im Jahr 2017 hatten etwa 150 Betroffene mit ihren Sozialverbänden vor dem Landtag gegen die geplanten Änderungen demonstriert und sich die Erklärungsversuche von Baumisterin Ina Scharrenbach (CDU) angehört und mit entsprechenden Buh-Rufen und mit einem Pfeifkonzert „gewürdigt“.
Darüber berichtete BZMG in der