Als sich der „Wahlausschuss Kommunalwahl 2020“ am 24.07.2019 mit der Einteilung der Wahlbezirke in Mönchengladbach befasste, schien die Welt noch in Ordnung zu sein.
Die Anzahl der Wahlbezirke blieb mit 33 unverändert, die Grenzen schienen nicht verändert werden zu müssen und die Parteien konnten sich darauf konzentrieren, ihre Direktkandidaten auszusuchen, sie intern zu nominieren und zu wählen.
CDU, SPD und DIE LINKE haben dieses Prozedere nach den gesetzlichen Vorgaben formal erledigt, die übrigen Parteien würden in Kürze folgen.
Um eine annähernd gleichmäßige Gewichtung der Wählerstimmen zwischen den Wahlbezirken sicherzustellen hat der Landesgesetzgeber vorgegeben, dass die Kommunen die durchschnittliche Zahl der Einwohner für die Wahlbezirke zu ermitteln haben und eine Abweichung von PLUS oder MINUS von bis zu 25% zugelassen.
Einteilung der Wahlbezirke in Mönchengladbach
Für Mönchengladbach wurden 244.446 Einwohner zugrundegelegt, was bei 33 Wahlbezirken rechnerisch zu einer durchschnittlichen Einwohnerzahl pro Wahlbezirk vom 7.407 führt.
Hier zwei Beispiele für nach dem Wahlgesetz NRW zugelassene Abweichungen:
1. In einem Wahlbezirk leben 8.923 Einwohner.
Die Abweichung gegenüber dem Durchschnittswert beträgt PLUS 1.516 Einwohner (+ 20,47%), ist also gesetzeskonform.
2. In einem Wahlbezirk leben 5.924 Einwohner.
Die Abweichung gegenüber dem Durchschnittswert beträgt MINUS 1.483 Einwohner (– 20,02%), ist also gesetzeskonform.
In der Klage vor dem Verfassungsgerichtshof NRW (VerfGH) hatten die Antragsteller, Abgeordnete von SPD und B90/Die Grünen, neben der Frage der Verfassungsmäßigkeit der Abschaffung der Stichwahl durch die Landesregierung aus CDU und FDP für die Wahl zu den Hauptverwaltungsbeamten (Oberbürgermeister, Bürgermeister, Landräte) u.a. die Überprüfung der Abweichungen der maßgeblichen Einwohnerzahl in den Wahlbezirken gegenüber der „durchschnittlichen Einwohnerzahl“ beantragt.
In der Beibehaltung der Abweichungsspanne von + oder – 25% sahen die Richter hingegen keinen prinzipiellen Verfassungsverstoß und erkannten einstimmig für Recht:
„…§ 4 Absatz 2 Satz 3 und 4 des Kommunalwahlgesetzes Nordrhein-Westfalen in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Kommunalwahlgesetzes und weiterer wahlrechtlicher Vorschriften vom 11. April 2019 (GV. NRW. Seite 202) sind in der aus den Gründen ersichtlichen Auslegung mit der Landesverfassung vereinbar.“ (Zitat Ende)
Hinsichtlich der „Ausschöpfung“ dieser 25%-Spanne hat der VerfGH NRW jedoch deutlich gemacht, dass dies ein „nicht unerheblicher Eingriff in die Wahlrechts- und die Chancengleichheit“ mit sich bringt.
Eine solche Anwendung der 25%-Spanne sei nur durch „verfassungslegitime Gründe“ zu rechtfertigen.
Weiter erklärt der VerfGH, dass „Verwaltungsvereinfachungen“ oder „leichtere Zuordnung des jeweiligen Wahlbezirks zu einem Wohngebiet“ keine verfassungslegitimen Gründe darstellen und gibt vor, dass Überschreitungen der 15%-Grenze zu dokumentieren und zu erläutern sind.
Auszug aus dem Urteil des Verfassungsgerichtshofes vom 20.12.2019 (Seite 69 … 78)
Würde also die Stadt Mönchengladbach den Richtungsweisungen des VerfGH folgen, müsste sie alle die Wahlbezirke überprüfen, deren Abweichungen über +/- 15% gegenüber dem Durchschnitt liegen.
Wie die Stadt Mönchengladbach hier die vom VerfGH deutlich geforderte Wahlrechts- und die Chancengleichheit herstellen wird, bleibt abzuwarten und dürfte zu einer weiteren öffentlichen Sitzung des Wahlausschusses Kommunalwahl 2020 führen.
Anzahl der Ratssitze ab dem 13. September 2020
Bisher wurde (stillschweigend?) unterstellt, dass auch der neue Rat (ab 13. September 2020) wieder aus 66 Ratsmitgliedern bestehen würde.
Dies entspricht jedoch nicht dem §3 des Kommunalwahlgesetzes NRW (KWahlG).
Darin heißt es zur Zahl der Vertreter
„(1) Die Vertreter werden in den Wahlbezirken und aus den Reservelisten gewählt.
(2) Die Zahl der zu wählenden Vertreter beträgt … über 100.000, aber nicht über 250.000
58 Vertreter, davon 29 in Wahlbezirken; …“ (Zitat Ende)
Als Stichtag für die Ermittlung der Einwohnerzahl hatte das Innenministerium NRW den 30.04.2019 festgelegt.
Als Grundlage hierfür wurde das Melderegister bestimmt.
In Anlage 1 der Beratungsvorlage zum Wahlausschuss am 24.07.2019 wurden von der Verwaltung 244.446 Einwohner (Stichtag 30.04.2019) festgestellt und gesichert.
Damit fällt Mönchengladbach in die Kategorie „über 100.000, aber nicht über 250.000“, so dass bei rechtskonformer Anwendung des §3 KWahlG am 13. September 2020 nur noch 58 Ratsmitglieder (29 direkt und 29 über Reserveliste gewählte) in den Rat einziehen dürfen.
Der für die Wahlrechts- und die Chancengleichheit wichtige Durchschnittswert verändert sich von 7.407 Einwohner auf 8.429 Einwohner.
Dies hat logische Folgen:
1. Die Wahlbezirke in Mönchengladbach sind neu „zuzuschneiden“
2. Auf Basis des neuen Durchschnittswertes (Einwohner pro Wahlbezirk) sind die Abweichungen unter Berücksichtigung der deutlichen Hinweise des VerfGH NRW zu ermitteln und zu bewerten
3. CDU, SPD und DIE LINKE müssen das Prozedere der Kandidatennominierung erneut durchlaufen
4. Die Reservelisten für den Rat müssen neu aufgestellt und beschlossen werden
Wenn es nach (Wahl-)Recht und (Wahl-)Gesetz geht, wird der Mönchengladbacher Rat ab dem 13. September acht Ratsmitglieder weniger haben.