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Vortrag 2 – Praxis-Beispiele zur (politischen) Partizipation

 

 

Der erste Teil zum Thema „Politische Partizipation“ endete mit dem Hinweis auf den juristischen Aspekt der Verantwortung von Kommunalpolitikern.

Das Durchsetzen von Haftung setzt eine entsprechende Klage eines „Klagebefugten“ voraus, wie beispielsweise der Kommune – vertreten durch den (politischen) Hauptverwaltungsbeamten – , die angestoßen werden muss.

Die Wahrscheinlichkeit dass es zu solchen Klagen kommt, ist (auch angesichts politischer „Verknüpfungen“) sehr gering und wie solche Verfahren ausgehen, ist ungewiss.

Dementsprechend sind solche Verfahren auch schwer zu finden und eine Vertiefung für unsere Thematik nicht lohnend.

 

 

 

Anders jedoch sieht es aus, wenn wir die politische Verantwortung in den Fokus rücken, indem wir schlichtweg „Haftungsaspekte“ durch „politische Aspekte“ ersetzen.

Hierbei spielt die Frage der „-Veröffentlichung“ eine zentrale Rolle, weil Politiker sensibel darauf reagieren, wenn ihnen öffentlich mangelndes oder unzureichendes Verantwortungsbewusstsein vorgeworfen und dokumentiert werden kann.

Grundsätzlich gelten dabei die gleichen Aussagen wie bei der Haftungsfrage.

Darauf näher einzugehen, würde den heutigen Rahmen sprengen, möglicherweise aber Stoff für ein weiteres Seminar bieten.

Ungeachtet dessen sollten in der Kommunikation mit Politikern die einzelnen „politischen Aspekte“ auf jeden Fall im Blick gehalten werden

 

 

 

Im ersten Vortrag haben wir einiges Grundsätzliche gehört und gesehen und auch schon etwas über die Situation in Mönchengladbach erfahren, der mit ca. 270.000 Einwohnern größten Stadt am linken Niederrhein.

Das wollen wir in diesem zweiten Teil vertiefen und einiges an Erfahrungen aus diesem „Mikro-Kosmos“ weitergeben.

Wie Sie erahnen können gibt es einiges an Negativem zu berichten, aber es gibt auch einige positive Praxis-Beispiele.

Am Ende dieser beiden Vorträge sollen einige grundsätzliche Praxis-Tipps gegeben werden, wie hinsichtlich politischer Partizipation agiert werden kann.

Dabei werden auch die Fragen der Teilnehmer am Ende eine wichtige Rolle spielen.

 

 

 

Will man die Frage nach einer effektiven Partizipation beantworten, muss man für Mönchengladbach konstatieren,

  • dass eine partizipative Struktur allenfalls theoretisch und in politischen und verwaltungsseitigen Statements existiert, eine Verlässlichkeit insbesondere für Menschen mit Beeinträchtigungen (noch) nicht zu erkennen ist,
  • dass der Versuch, eine inklusive Kultur zu entwickeln, allenfalls noch in den „Kinderschuhen“ steckt und möglicherweise durch ein auf 5 Jahre angelegtes und vom Land NRW gefördertes mit jährlich 200.000 EURO gefördertes Modellprojekt mit dem vielversprechenden Namen „Inklusion vor Ort“ in Mönchengladbach etwas Anschub erhält,
  • dass mangels Struktur und Kultur die politischen Aktivitäten ebenfalls als „unterentwickelt“ einzustufen sind und erst dann themenfokussiert in Gang kommen, wenn Ehrenamtliche als Betroffene und deren Verbände und Organisationen sich proaktiv „einbringen“.

Das kann in anderen Kommunen durchaus anders sein.

 

 

Wie sicherlich auch in anderen Kommunen steht auch in Mönchengladbach die Frage von Mobilität im Allgemeinen und für Menschen mit Beeinträchtigungen in Besonderen immer wieder im Fokus öffentlicher Diskussionen.

In diesem Kontext muss man wissen,

  • dass Mönchengladbachs Mobilitätsfragen sich in erster Linie um den motorisierten Individualverkehr (MIV) drehen, weil die Verkehrsinfrastruktur seit Jahrzehnten auf diesen ausgerichtet ist,
  • dass Maßnahmen ausgeblieben sind, den Modal-Split zugunsten des so genannten „Umweltverbundes“ aus ÖPNV, Radverkehr und Fußverkehr zu verändern, obwohl es einen so genannten „Masterplan Nahmobilität“ gibt,
  • dass die Aktualisierung des Modal-Split seit mehreren Jahren unterblieben ist,
  • dass es kein Inklusionskonzept gibt, das seit Jahren von den örtlichen Behindertenverbänden gefordert wird, worin den vielfältigen Bedürfnissen vom Menschen mit Mobilitätseinschränkungen, die zum großen Teil auf den ÖPNV angewiesen sind, Rechnung getragen würde.

und

  • dass genau diese Bevölkerungsgruppe ca. 30% der Einwohner ausmacht.

Da mutet es wie Hohn an, wenn in der „Bildzeitung des Verwaltungsvorstandes“ erklärt wird, „MG macht mobil“.

 

 

Den Nahverkehrsplan Mönchengladbach im Einzelnen durchzugehen, ist auch angesichts meiner Themenstellung „Politische Partizipation“ nicht zielführend.

Ich konzentriere mich daher darauf,

  1. wie die Menschen mit Beeinträchtigungen und deren Vertretungen an der Entwicklung des NVP partizipieren konnten,
  2. wie es zu der (nachträglichen) Intervention kam,
  3. welche elementaren Vorgaben aus dem Personenbeförderungsgesetz missachtet wurden

und

  1. nach welchen Kriterien der NVP Mönchengladbach wie bewertet wurde.

 

 

Diese Chronologie zeigt, dass die damalige ARGE der Mönchengladbacher Behindertenvertreter schon im August 2015 auf die Einbindung hingewiesen hatte und dieser Bitte schon bei der Überarbeitung der Linienkonzepte und auch später nicht nachgekommen wurde.

Der Umfang des Entwurfs von 300 Seiten machte es schier unmöglich, innerhalb einer „Frist“ von 14 Tagen eine fundierte Stellungnahme abzugeben, so dass diese Bestandteil der Beschlussvorlage hätte werden können.

Dieses Verhalten der Fachverwaltung erinnerte an den Ausspruch, der dem griechischen Mathematiker und Physiker Archimedes zugesprochen wird: „Störe meine Kreise nicht“.

 

 

So blieb nichts anderes übrig, als nachträglich gegen den Nahverkehrsplan zu intervenieren.

Dabei wirkten u.a. einige Fachpersonen mit, denen auch an dieser Stelle für ihre kritisch-konstruktive Mitwirkung zu danken ist.

 

 

Diese 30-seitige Intervention wird Interessierten gerne zur Verfügung gestellt.

Auf Details wird an dieser Stelle nur insoweit eingegangen, dass wir uns auf die Bewertung konzentrieren.

 

 

Bei der Bewertung haben wir die Frage in den Vordergrund gestellt, inwieweit der Nahverkehrsplan Mönchengladbach die Bedingungen des Personenbeförderungsgesetzes und anderer rechtsrelevanter Vorgaben erfüllt.

Auf eine Priorisierung der Bewertungskriterien wurde zunächst noch verzichtet.

 

 

Angaben zur Barrierefreiheit wird in diversen Kapiteln des NVP gemacht, so dass eine Gesamtschau zu diesem Kernthema nicht möglich war.

 

 

Viele verpflichtende Ziele wurden nicht dokumentiert, so dass es geradezu unmöglich war und ist, im Nachhinein die Erreichung solcher Ziele hätten nachgeprüft werden können.

Mehr noch:

Die Nennung von Zielen zum barrierefreien Ausbau von Haltestellen wurde dadurch umgangen, dass man im NVP einen so genannten Prüfauftrag beschließen lies, der u.a. das Aufzeigen von Defiziten (jeder einzelnen) Haltestelle bzw. jedes einzelnen Bussteiges vorschrieb.

Damit enthob sich die Verwaltung (beschlossen durch die Politik) auch der Verantwortung, haltestellenspezifisch Begründungen abgeben zu müssen, warum  Barrierefreiheit nicht hergestellt werden könne.

Selbstredend fehlten konkrete, nachvollziehbare Planungen im Nahverkehrsplan.

Dass dieser Prüfauftrag nie ausgeführt wurde, ist Fakt.

Auf die Problematik Herrichten von „barrierefreien Haltestellen“ wird später noch näher eingegangen.

 

 

Bezeichnenderweise werden im Mönchengladbacher Nahverkehrsplan zwar die meisten relevanten „Anforderungsprofile“ genannt und teilweise beschrieben, die Anwendung in der Praxis lässt jedoch zu wünschen übrig.

Dies dürfte einer der Kernpunkte in einer kurzfristig durchzuführenden Evaluation und der sich daran anschließenden Neuauflage des Nahverkehrsplans werden müssen.

 

 

Dem Nachverkehrsplan Mönchengladbach fehlt es an jeglichen verbindlichen und daher nachprüfbaren Verpflichtungen für die Umsetzung insbesondere unter zeitlichen Gesichtspunkten.

Seriös wäre ein Projektablaufplan mit entsprechendem „Monitoring“ gewesen, an dem sich alle Beteiligten orientieren könnten und der als Steuerungselement für Verwaltung und Politik auch hinsichtlich möglicher Finanzierungsoptionen dienen könnte.

 

 

Die Behindertenverbände wurden nicht – wie im PBefG vorgegeben „angehört“.

Vielmehr begnügte man sich damit, das Planungsbüro damit zu beauftragen, sie über die Rechtslage zur Barrierefreiheit zu informieren.

Damit glaubte die Verwaltung ihrer Beteiligungspflicht entsprochen zu haben und erreichte damit, „nach außen hin“ (also auch in Richtung Politik) suggerieren zu können, es sei alles rechtens gewesen.

Ordnet man dieses Vorgehen in die „Partizipationstreppe“ ein, wird der Abstand zur nach dem PBefG vorgesehenen Anhörung deutlich.

 

 

Die Gesamtbewertung ergibt:

  1. Der NVP Mönchengladbach wurde nur deshalb erstellt, um die Voraussetzung zu schaffen, die Linienkonzessionen neu vergeben zu können.
  2. Die Beteiligung der Menschen mit Beeinträchtigungen wurde an vielen Stellen zwar erwähnt, jedoch nicht umgesetzt.
  3. Die Stabstelle Inklusion schien mit der gesamten Problematik überfordert und auch (als Teil der Verwaltung) nicht bereit zu sein, diesbezüglich Einfluss nehmen zu wollen.
  4. Wäre man den Vorgaben des PBefG gefolgt und hätten die Behindertenvertreter eingebunden, hätten viele Mängel vermieden werden können.
  5. Hier hat es einerseits am Willen der Verantwortlichen insbesondere in der Verwaltung und dem Verantwortungsbewusstsein bei der Politik gefehlt.

 

Die unzulängliche und unstrukturierte Einbindung der Menschen mit Beeinträchtigungen setzte sich fast nahtlos bei konkreten Vorhaben- und Maßnahmenplanungen fort.

Dies veranlasste die BSK-Kontaktstelle Mönchengladbach, mehrere audio-visuelle Fakten-Checks auf Youtube zu veröffentlichen.

Einen Schwerpunkt bildete dabei – nicht unerwartet – die politische Partizipation.

 

 

Inhaltlich stand im Mittelpunkt dabei u.a. der seit Jahren schwelende Konflikt um eine Fußgängerzone mit Busverkehr und einer Steigung von stellenweise 11%.

Die Positionen bewegten sich zwischen „den Busverkehr vollständig aus dieser Straße herauszunehmen“, um der Aufenthaltsqualität eine höhere Priorität einzuräumen, statt den Mobilitätsbedürfnissen u.a. von Menschen mit Mobilitätseinschränkungen Rechnung zu tragen.

 

 

In einer vom Fachbereich angestoßenen und der Stabstelle Inklusion organisierten Besprechung sollte den Vertretern von Menschen mit Beeinträchtigungen erneut die Umgestaltung der Hindenburgstraße in Richtung Aufenthaltsqualität bei gleichzeitiger vollständiger Herausnahme des Busverkehrs schmackhaft gemacht werden.

Abgesehen von der desolaten Organisation des Treffens spielten sich die Verwaltungsmitarbeiter von Fachbereich und Stabstelle „die Bälle zu“, was in Protokollen sowohl der Stabsstelle als auch des Fachbereichs mündeten, die so nicht zu akzeptieren waren.

Zwar wurden einige Änderungswünsche berücksichtigt, die jedoch im Tenor nicht der Ansicht der Behindertenvertreter entsprachen.

 

 

Als weiteres Insistieren nicht half und die Fachverwaltung und Stabstelle auf ihrem gemeinsamen Protokoll bestanden, sahen wir uns veranlasst, die Ratsfraktionen über den Sachverhalt „aufzuklären“ und darin zu einzelnen Passagen des Protokolls Klarstellungen zu verfassen.

Eine Fraktion griff diese Situationsbeschreibung im Ausschuss für Mobilität auf und verlangte entsprechende Aufklärung.

 

 

 

Danach rief die Stabstelle den Oberbürgermeister und die Sozialdezernentin auf den Plan.

In einem gemeinsamen Schreiben an die BSK-Kontaktstelle brachten sie „ihr Befremden“ zum Ausdruck, dass wir uns „erdreistet“ hatten, die Politik unsere Sichtweise darzulegen.

Entweder wurden beide falsch informiert, hatten die Angaben der Stabstelle nicht hinterfragt oder hatten schlichtweg einiges vergessen.

 

 

Vielleicht sahen der Oberbürgermeister und die Sozialdezernentin aber auch die Chance, die „renitenten“ Behindertenvertreter zu maßregeln und ihnen Schranken aufzuzeigen.

Dies ist erkennbar nicht gelungen, auch weil wir uns weiterhin konsequent am vorgestellten „Zielprozess“ orientieren werden.

Dass dieser Zielprozess insbesondere bei der Stabstelle nicht auf Begeisterung stoßen würde, war zu erwarten und wurde durch deren spätere schriftliche Reaktion bestätigt.

 

 

Will man diesen Vorgang den Partizipationsstufen nach Arnstein zuordnen, dann gehört der in die Stufe 2 und damit zur „Nicht-Partizipation“.

 

 

Während die Barrierefreiheit bei den eingesetzten Bussen des städtischen ÖPNV-Unternehmens NEW mobil & aktiv kaum Anlass zur Kritik gab, stellte sich das bei den Haltestellen bzw. den Bussteigen vollkommen anders dar.

Dies gab Anlass, die gesamte Situation einem Fakten-Check zu unterziehen.

Grundlage dafür – wie auch bei anderen Fakten-Checks – bildeten die öffentlich zugänglichen Informationen und Dokumente zu diesem Thema.

In Mönchengladbach ist verwaltungsseitig das Dezernat 6 zuständig und verantwortlich, das die Herstellung barrierefreier Haltestellen als „laufendes Geschäft der Verwaltung“ einordnet.

Die Politik erhält die Entscheidungen der Verwaltung nur zur Kenntnis.

Detailinformationen dazu hält die Verwaltung nicht selten zurück bis hin zu der Feststellung, es handele sich dabei um Informationen, die nicht öffentlich gemacht werden könnten oder dürften.

Sie werden sozusagen als „Verschluss-Sache“ behandelt.

 

 

Nicht „unter Verschluss“ gehalten werden kann die Zahl der schon als barrierefrei einzustufenden Haltestellen mit ihren Bussteigen.

Dafür sorgt eine jährliche Mitteilungspflicht der „ÖPNV-Aufgabenträger“ an den Verkehrsverbund Rhein Ruhr (VRR) über Zahl und Anteil der barrierefreien Bussteige.

Zum 31.12.2021 hatte die Stadt Mönchengladbach dem VRR gemeldet, dass in Mönchengladbach 283 der ca. 1.160 Bussteige barrierefrei seien.

Das bedeutet, dass 76% der Bussteige nicht barrierefrei sind.

Mangels transparenter Aufzeichnungen kann die Zahl der barrierefreien Haltestellen nicht bestätigt werden.

 

 

Lassen Sie mich – bevor wir tiefer in die Haltestellen-Problematik einsteigen – noch einmal kurz auf die Begrifflichkeit „barrierefrei“ eingehen.

Viele Akteure sind bei Umschreibungsversuchen von „Barrierefreiheit“ ausgesprochen kreativ, um von Unzulänglichkeiten abzulenken.

Dabei gilt die durchaus ernst zu nehmende Formel: „… ein bisschen barrierefrei gibt es ebenso wenig wie ‚ein bisschen schwanger‘ …“

Für viele Teilnehmer an diesem Seminar dürfte das nicht neu sein.

Aber vielleicht hilft ja ein bisschen KI, also die so genannte „künstliche Intelligenz“ beim Finden von Argumentation gegen diese teilweise abstrusen „Wort-Konstruktionen“ derer, die andere Interessen vertreten als „vollständige Barrierefreiheit“.

Ich jedenfalls habe festgestellt, dass beispielsweise ChatGPT teilweise ganz kluge Beschreibungen der rot durchgestrichenen Wortschöpfungen liefern kann.

 

 

Dabei ist „Barrierefreiheit“ in der U N-BRK und in den bundesdeutschen Behindertengleichstellungsgesetzen unzweideutig definiert.

Hervorzuheben sind

  1. der Dreiklang von „Auffindbarkeit, Zugänglichkeit und Nutzbarkeit“

UND

  1. die Tatsache, dass für alle drei Aspekte gilt, dass Menschen mit Behinderungen dazu grundsätzlich nicht auf fremde Hilfen angewiesen sein dürfen.

 

 

 

Darauf aufbauend und ergänzend zum bundesweit geltenden Personenbeförderungsgesetz hat auch der Landtag NordrheinWestfalen ein ÖPNV-Gesetz für NRW erlassen.

Neben Grundsätzlichem geht dieses Gesetz auf den Nahverkehrsplan und das dazu anzuwendende Aufstellungsverfahren ein.

In den Grundsätzen verweist das ÖPNVG-NRW u.a. noch einmal auf die Bedeutung für die Rechte von Menschen mit Behinderungen.

 

 

 

Neben den allgemeinen Anforderungen an einen Nahverkehrsplan haben die Kommunen demnach den mittel- und langfristigen Anteil des ÖPNV am so genannten Modal-Split zu benennen.

Dies ist in Mönchengladbach erkennbar nicht geschehen.

Entsprechende Anfragen von Mobilitätsverbänden zum Modal-Split an das Dezernat 6 blieben bislang unbeantwortet.

Aktuell wird zwar eine Ermittlung des Modal-Split in Aussicht gestellt, aber wann wir dazu Näheres erfahren, ist ungewiss.

 

 

Auch in der Beschreibung zum Aufstellungsverfahren für Nahverkehrspläne ist die Anhörung der Verbände verbindlich vorgegeben.

Auf die Handhabung in Mönchengladbach wurde schon und wird im Weiteren noch näher eingegangen.

 

 

Anders als in anderen Bundesländern macht das ÖPNVG NRW zur Überprüfung der Nahverkehrspläne keine konkreten zeitlichen Vorgaben.

 

 

Damit liegt es also im Ermessen des „Aufgabenträgers“ Stadt Mönchengladbach, wann und auf welche Weise eine derartige Überprüfung stattfindet, was weitere Fragen aufwirft.

Nämlich warum im Mönchengladbacher Nahverkehrsplanung die Grundlage dafür geschaffen (und beschlossen) wurde, erst nach 10 Jahren (also 2027) eine Anpassung vornehmen zu müssen.

 

 

Damit ist die Ankündigung des Dezernates 6, ein „Monitoring“ zu planen, einigermaßen schwer einzuordnen.

 

 

Dies auch deshalb, weil in Gremiendiskussionen für „Überprüfung“ willkürlich unterschiedliche Synonyme verwendet werden,

Hilfreich kann daher dieser kurzer Exkurs sein.

 

 

Kommen wir zurück zur Haltestellen-Problematik.

In unserer Intervention zum Nahverkehrsplan hatten wir auf diverse Unzulänglichkeiten hingewiesen und tatsächlich vier Wochen nach „Rechtskraft“ des Nahverkehrsplanes vom damaligen Oberbürgermeister eine Antwort mit diversen Beschwichtigungsversuchen erhalten.

Dass diese Antwort nicht aus der Feder des OB stammt, sondern aus dem zuständigen Dezernat 6 ist naheliegend.

So wird davon gesprochen, dass beim barrierefreien Ausbau von Haltestellen ein so genanntes „Priorisierungssystem“ angewandt würde.

 

 

Dieses „Priorisierungssystem“ besteht aus einer Auflistung von Haltestellen in Form einer Excel-Liste, die – wie sich später noch herausstellen wird – unvollständig ist.

Die Teilnehmer der am „ersten Abstimmungsgespräch“ beteiligten Behindertenverbände gehörten zu der Gruppe der Menschen mit Sehbehinderungen und der Blinden.

Dass deren spezifische Belange anders einzuordnen sind als die von Menschen mit Mobilitätsbehinderungen, ist nachvollziehbar.

Dieses Gespräch als „Abstimmung“ oder gar als „Anhörung“ bezeichnen zu wollen, kann nur als grobe Fehleinschätzung bezeichnet werden

 

 

Wie im Übrigen auch die Behauptung des damaligen Oberbürgermeisters, der von einer „intensiven“ Diskussion und vereinbarten Anpassung des „Priorisierungssystems“ spricht.

Dass der avisierte „Austausch“ nicht stattgefunden hat, unterstreicht den mangelnden Wahrheitsgehalt solcher Aussagen.

 

 

Das Priorisierungssystem soll Grundlage für Entscheidungen sein, welche Haltestellen in welcher Reihenfolge barrierefrei umgebaut oder hergestellt werden sollen.

 

 

 

Die angesetzten Priorisierungskriterien und das „Punktesystem“ sind nicht nachvollziehbar und erscheinen vollkommen unzureichend.

Der tatsächliche Zustand der Haltestellen bzw. der Bussteige, oder die Frequentierung, spielt demnach offensichtlich keine Rolle.

 

 

Mönchengladbach ist in vier Stadtbezirke aufgeteilt, die aus ehemals 10 Stadtbezirken entstanden.

Beim Thema „Haltestellen“ haben die Verantwortlichen in den Bezirksvertretungen formal lediglich ein Anhörungs-, also kein Mitspracherecht.

Das bedeutet, dass sie die Planungen zu den Haltestellen-Umbauten nur zu Kenntnis nehmen und in der überwiegenden Zahl auch keine Nachfragen kommen.

 

 

Das „Priorisierungssystem“ scheint bei der Auswahl der mit Fördermitteln umzubauenden Haltestellen ebenfalls keine Rolle zu spielen.

Zum Zeitpunkt der Ankündigung am 10.05.2020, dass bis Ende 2021 diese Haltestellen mit Fördermitteln barrierefrei umgestaltet werden sollten, konnte nur unzutreffend sein, weil nach 2018 keine Fördermittel mehr beantragt wurden, bzw. nicht in Beschlusslisten des VRR auftauchten.

 

 

 

Auffällig ist weiterhin, dass die aufgeführten Haltestellen

  • entweder am unteren Ende der Priorisierungsliste rangierten

oder

 

  • schon barrierefrei waren,

oder

 

  • gar nicht in der Priorisierungsliste auftauchen

 

 

Noch deutlicher wird die Wertlosigkeit der Priorisierungsliste aus dem Jahr 2017, wenn man diese mit einer Berichtsvorlage aus September 2018 vergleicht.

Mit der Liste aus der Berichtsvorlage 2143/IX erklärt die Fachverwaltung den Bezirksvertretungen, welche Haltestellen im Rahmen des so genannten Haltestellen-Umbauprogrammes mit Unterstützung durch Fördermittel barrierefrei gemacht werden sollen.

Dabei sollte es sich um 41 Haltestellen mit einem Umfang von insgesamt 89 Bussteigen handeln.

 

 

Dass von diesen 41 Haltestellen (mit 89 Bussteigen) 31 gar nicht in der so genannten Priorisierungsliste enthalten sind, legt die Vermutung nahe, dass die jährlich an den VRR gemeldeten Zahlen der Haltestellen bzw. Bussteige falsch sind.

Regelmäßig wird dem VRR gegenüber die Gesamtzahl an Bussteigen mit 1.157 gemeldet, obwohl aus dieser Berichtsvorlage zu schließen ist, dass mindestens 67 Bussteige gar nicht erfasst sind.

Demnach würde es in Mönchengladbach rechnerisch mindestens 1.224 Bussteige geben.

Unterstellt man, dass die zum 31.12.2021 gemeldete Zahl von 283 barrierefreien Bussteige zutrifft, würden nicht 24% sondern nur 23% barrierefrei sein.

Dieses kleine Zahlenspiel macht das massiv fehlerbehaftete Arbeiten der Fachverwaltung offensichtlich.

 

 

Auf die Vorgabe aus dem Personenbeförderungsgesetz, dass im Nahverkehrsplan – wohlgemerkt im Nahverkehrsplan – der Ist-Zustand der Haltestellen, einschließlich der Defizite „haltestellenscharf“ aufzuzeigen sind, reagierte die Fachverwaltung mit dem Vorschlag an die Politik mit einem so genannten „Prüfauftrag“.

Mit dem Beschluss des Nahverkehrsplanes im Stadtrat am 05.07.2017 wurde also auch dieser Prüfauftrag beschlossen und erteilt.

 

 

Danach müsste es zu jedem Bussteig eine Beschreibung des Ist-Zustandes, einschließlich vorhandener Defizite geben.

Mit der Umsetzung dieses Prüfauftrages wurde jedoch bislang offensichtlich noch nicht einmal begonnen.

Der Beschluss wurde durch die Fachverwaltung ignoriert und dessen Umsetzung von der auftragserteilenden Politik auch nicht kontrolliert.

 

 

Stattdessen wurde unkritisch einem „selbstausgestellten Freibrief“ gefolgt, unter bestimmten Bedingungen auf einen barrierefreien Ausbau verzichten zu können.

 

 

 

Um den Prüfauftrag erfüllen zu können und Defizite feststellen und Abhilfemaßnahmen „haltestellenscharf“ planen und finanzieren zu können, müssen der Fachverwaltung die Zustände der jeweiligen Haltestellen bekannt und dokumentiert sein.

Dazu bedarf es eines so genannten Haltestellen-Katasters, von dem niemand so richtig zu wissen schien, dass es ein solches überhaupt gibt.

 

 

 

Auf Hinweise des BSK hin wurde 2017 erklärt, dass es so etwas nicht geben würde.

 

 

Dem entgegen erklärte der Dezernent im Jahr 2020, es gebe – wie er sich schriftlich ausdrückte – ein „umfängliches Haltestellenkataster“.

 

 

 

2022 nun bestätigte der zuständige Sachbearbeiter, dass es ein solches gebe, dieses jedoch „intern“ und nicht öffentlich verfügbar sei.

 

 

An diesem Stand hat sich bis heute nichts verändert.

 

 

Um Klarheit zu bekommen, hat ein BSK-Mitstreiter im März 2023 über „Frag den Staat“ nach dem Informationsfreiheitsgesetz NRW eine entsprechende Anfrage an die Kommunalverwaltung Mönchengladbach gestellt

„… Aus diesem Grund nehmen wir unser Informationsrecht nach dem Gesetz über die Freiheit des Zugangs zu Informationen für das Land Nordrhein-Westfalen (Informationsfreiheitsgesetz Nordrhein-Westfalen – IFG NRW) vom 17.11.2001 in Anspruch und beantragen, dass uns das Haltestellen-Kataster mit sämtlichen spezifischen Daten zu den darin enthaltenen Haltestellen / Bussteigen elektronisch, z.B. via E-Mail zugesandt werden. …

… Darüber hinaus beantragen wir die Zusendung der so genannte „Priorisierungsliste“ aus der nicht nur sämtliche Mönchengladbacher Haltestellen / Bussteige sondern auch die abgeschlossenen Neubauten von barrierefreien Bussteigen und die abgeschlossenen barrierefreien Umbauten (mit den „entsprechenden Fertigstellungszeitpunkten) zu entnehmen sind.“ (Zitat Ende).

Eine Antwort ist für Mitte Mai in Aussicht gestellt.

 

 

Auf dem Markt wird eine Vielzahl von Kataster-Software angeboten.

Dass ein solches in Mönchengladbach eingesetzt oder dass wirklich weiterhin ausschließlich mit der „Prioritätenliste“ im Excel-Format gearbeitet wird, kann momentan nicht sicher gesagt werden

 

 

Die Länder Bremen und Niedersachsen messen Haltestellen-Katastern eine große Bedeutung bei und haben dazu ein umfangreiches und sehr detailliertes Regelwerk mit einer Vielzahl von Attributen aufgelegt.

 

 

13 dieser Attribute treffen auf Bussteige zu, während die restlichen eher für Bahnsteige in ÖPNV und SPNV geeignet zu sein scheinen.

 

 

Wie anderswo spielt auch in Mönchengladbach die Finanzierung von Haltestellen-Umbauten eine große Rolle.

Auf den ersten Blick kann man keinen kausalen Zusammenhang mit „Partizipation“ erkennen.

Bei näherer Betrachtung dann jedoch.

Und zwar dann, wenn Verwaltung und auch Politik behaupten, solche Umbaumaßnahmen nicht finanzieren zu können und glauben, darin ein Totschlagargument für die Diskussion gefunden zu haben.

Dass in Wirklichkeit eine mangelhafte und nicht zielgerichtete Planung – sowohl in organisatorischer als auch in finanzieller Sicht – die eigentliche Ursache dafür sind, dass Haltestellen nicht barrierefrei umgebaut werden, wird nicht offenbart …

 

 

… wie beispielsweise bei diesen 8 Bussteigen, die in der Mönchengladbacher Priorisierungsliste gar nicht enthalten waren und die Umbaumaßnahmen dennoch beauftragt wurden.

In-transparent blieb, in wieweit diese Maßnahmen tatsächlich gefördert, oder wie die Kosten in Höhe von 220.000 EURO vollständig über den städtischen Haushalt finanziert wurden.

Dabei werden Maßnahmen zum barrierefreien Umbau von Haltestellen aktuell zu 100% vom Land NRW gefördert

… wenn denn rechtzeitig geplant und Fördermittel beantragt werden.

 

 

Beachtenswert ist darüber hinaus, dass Umbauten aktivierungsfähig sind und damit ein beträchtliches Wertsteigerungspotenzial für die Kommune, also den Aufgabenträger beinhalten.

 

 

Die Undurchsichtigkeit bei der Auswahl der barrierefrei herzurichtenden Haltestellen bzw. Bussteige setzt sich auch nach der Beantwortung von Fragen aus einer Ratsfraktion fort.

Die Fachverwaltung scheint sich nicht einmal die Mühe gemacht zu haben, zur Transparenz beitragen zu wollen.

Mit Allgemeinplätzen versucht sie – aus welchen Gründen auch immer – offensichtlich einen Schleier über die Planungen zum Haltestellen-Umbauprogramm auszubreiten, das zu keinem Zeitpunkt politisch beschlossen wurde.

 

 

… wie im Übrigen Kostentransparenz nicht die Stärke von Fachbereichen zu sein scheint … wenn es sich nicht gerade um eine gesetzliche Vorgabe handelt, wie beim Kommunalabgabengesetz K A G NRW.

Dass ein politischer Beschluss zur Transparenz für die Öffentlichkeit und betroffene Bürger schaffen kann, wurde durch die Aufnahme des Paragraphen 8a in das KAG NRW gezeigt.

Diese dadurch angeordnete Transparenz sollte dazu dienen, eine verbindliche Grundlage für evtl. Kostenübernahme bei Straßenausbaumaßnahmen zu schaffen und die Grundstückseigentümer darauf vorzubereiten, dass Kosten auf sie zukommen würden.

Mit der Vorgabe, mindestens alle zwei Jahre ein „Straßen-und Wege-Konzept“ öffentlich vorzulegen und politisch beschließen zu lassen, ist die Verwaltung gezwungen, lang- und mittelfristig zu planen.

 

 

Auf ähnliche Weise könnte die Fachverwaltung – auch ohne ausdrücklichen gesetzlichen Zwang – das Haltestellen-Umbauprogramm planerisch und haushalteerisch vorbereiten, politisch beschließen lassen und damit einen Beitrag zur politischen Partizipation leisten

… wenn der Wille dazu besteht … oder „Druck von außen“ aufgebaut würde.

 

 

Will man Partizipation in der Nahverkehrsplanung praktizieren entstehen je nach Struktur, Kultur und Aktivitäten mehrere Gebiete in denen Handlungsbedarf besteht.

Für Mönchengladbach haben wir zusammenfassend fünf davon identifiziert.

Dass das in anderen Kommunen als ÖPNV-Aufgabenträger ähnlich, gleich oder aber vollkommen anders ist, kann natürlich erst dann gesagt werden, wenn deren Nahverkehrspläne analysiert sind.

 

 

Was ich aber sagen kann, ist dass es auch in Mönchengladbach Beispiele gibt, die teilweise ganz gut oder auch gut funktionieren:

Gut funktioniert hat die Partizipation bei der Planung für den barrierefreien Umbau eines DB-Vorortbahnhofes.

An dieser Planung konnten der BSK und Vertreter von Blinden und Sehbehinderten partizipieren und mit sachlich-fachlichen Hinweisen und Forderungen sicherlich nachhaltig Einfluss auf die Planungen nehmen.

Diese Kooperation war auch vor dem Hintergrund zielführend, weil es Sehbeeinträchtigten und erst recht Blinden nicht ohne weiteres möglich ist, vorgelegte Pläne zu lesen.

Wie das mit der Umsetzung funktionieren wird, bleibt natürlich abzuwarten.

 

 

Beim einem anderen, aktuell laufenden Projekt waren und sind die Erfahrungen eher ambivalent.

Das galt besonders beim Provisorium, wenn das planende Ingenieurbüro die Betroffenenvertreter so spät eingebunden hatte, dass es in vielen Bereichen hinsichtlich der Forderung nach Barrierefreiheit noch nacharbeiten musste.

Bei der Planung des Endzustandes lief es etwas entspannter.

Vielleicht auch deshalb, weil wir uns ganz konsequent unmittelbar an den Vertreter der Bauherrin gewandt und ausschließlich mit dieser korrespondiert hatten.

Auch, weil dort die endgültigen Entscheidungen fallen würden.

 

 

 

Schließen möchte ich mit einem Hinweis zur Fristsetzung für eine „vollständige Barrierefreiheit im ÖPNV“.

Dass diese zum 01.01.2022 hätte realisiert werden müssen, wissen wir, es sei denn es wurden seitens der Aufgabenträger konkrete Ausnahmen ins Feld geführt und begründet.

Das das nicht geschehen ist, wissen wir auch.

Nicht so weit verbreitet scheint jedoch der Passus im Koalitionsvertrag der Bundes-Ampel zu sein, die zukünftig bis 2016 keine Ausnahmemöglichkeiten mehr zulassen will.

Warten wir auch das ab.

 

 

In diesem Sinne schließe ich und bin auf Ihre Fragen gespannt.