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Ein Torso hat weder Hand noch Fuß und meist auch keinen Kopf.

Ähnliches könnte man von der Idee der Fahrradstraße „Blaue Route“ über Bruckner Allee und Richard-Wagner-Straße behaupten, zu der der Mönchengladbacher AFDC schon im Jahr2015 Verbündete suchte und im Vorstand des Masterplanvereins MG 3.0 fand.

Das Ergebnis ist bekannt: Im November 2015 wurde CDU-Mitglied, Freund des damaligen Oberbürgermeisters Hans Wilhelm Reiners und Vorstandsmitglied des Vereins MG 3.0 zu Wurffs Nachfolger gewählt und in das Amt eingeführt.

Zwei Jahre später, im September 2017 eröffneten einige der Protagonisten – unter ihnen Baudezernent Dr. Bonin – öffentlichkeitswirksam die „Blaue Route“ und erklärten später, dass diese Fahrradstraße – anders als zunächst angedacht – nicht die beiden Stadtkerne, sondern die beiden Hauptbahnhöfe verbinden solle.

Seitdem reißen die Diskussionen um das Für und Wider und die Rechtmäßigkeit dieser solitären Fahrradstraße nicht ab.

So behaupten die einen (vornehmlich Politik und Verwaltung), dass diese Fahrradstraße „gut angenommen werde“ und eine „Erfolgsgeschichte“ sei, woraufhin der „Probebetrieb“ bis zum 31.12.2020 verlängert wurde, während andere die seit 2017 in Aussicht gestellte Verkehrserhebung einfordern und wieder andere die „Blaue Route“ als Symbol dafür sehen, dass den Radfahrern (endlich) mehr Rechte gegenüber dem Autoverkehr zugestanden worden seien.

Einen hohen Stellenwert scheint die „Blaue Route“ besonders bei den Bündnisgrünen zu haben, die am 05.02.2021 gemeinsam mit den Kooperationspartnern SPD und FDP dem Dezernat VI (Dr. Bonin) unter dem Thema „Optimierung und Verlängerung der Fahrradstraße » Blaue Route «“ einen Prüfauftrag erteilten.

Als “Wortführer“ in Sachen „Blaue Route“ stellte sich Marcel Klotz, Mitglied im Rat der Stadt Mönchengladbach, Stellvertretender Bezirksvorsteher Süd und Grünen-Fraktionsvorsitzender in der Bezirksvertretung Süd heraus, als er – ergänzend zum Ampel-Antrag – seine präzisierenden Vorstellungen in Form von „Anregungen“ nachschob.

Dass Klotz selbst an der „Blauen Route“ wohnt, dürfte eher ein Zufall sein.

Mit einem Sachstandsbericht ging die Mobilitätsbeauftragte im Dezernat VI, Caprice Mathar, zwischen dem 17.02.2022 und dem 04.03.2022 in den Sitzungen der BV Nord, der BV Süd und im Ausschuss für Umwelt und Mobilität mit einer Präsentation auf die „Anregungen“ und den Prüfauftrag ein.

Angesichts der vorgestellten und von Mathar mündlich erläuterten Ergebnisse, hielt sich die Begeisterung der Ampel-Vertreter in den Gremien merklich in Grenzen.

Mehr noch: Es wurde deutliche Kritik an der Dauer der Bearbeitung des Prüfauftrages und an „Prüfergebnissen“ laut.

Ja nach Les- und Interpretationsart soll die Fahrradstraße „Blaue Route“ aus drei Bereichen bestehen:

  • dem „Kernkörper“ (und eigentlichem „Torso“ der Fahrradstraße) zwischen dem Marktplatz Rheydt und Hermges (Hofstraße)
  • den nördlichen „Anschlüssen“ bis zum Hauptbahnhof Mönchengladbach und/oder dem Sonnenhausplatz und/oder in Richtung Westen zum Geropark und
  • dem südlichen „Anschluss“ bis zum Hauptbahnhof Rheydt

 

Hier die wesentlichen Prüfthemen und „Anregungen“ und die Prüfergebnisse (negative Einschätzungen der Verwaltung in roter Schrift):

Nördliche Anschlüsse

    Prüfthemen / „Anregungen“   Prüfergebnisse
 
  • Querung Hofstraße gestalten
 
  • Netzlückenplanung für Hofstraße (Abschnitt Rheydter Straße Theodor Heuss Straße
  • Planung aufgenommen, u. a. vorgesehen:
    • Breite Insel mit verbesserter Querungsmöglichkeit
    • Reduzierung Fahrbahnbreite
  • Umsetzung löst KAG aus
   
  • Buscherstraße: Abknickende Vorfahrtstraße
 
  • Abknickende Vorfahrt Buscherplatz August Oster Straße umgesetzt
   
  • Abknickende Vorfahrt Viktoriastraße/ August Osterstraße
 
  • Konflikt mit Planung Viktoriastraße als Fahrradstraße als Teil des Radschnellweges zum Nordpark und nach Rheindahlen
  • Empfehlung Verwaltung und Polizei: Beibehaltung der Regelung; sich ändernde Situationen ergeben Unfallhäufungsstellen
   
  • Route via Lüpertzenderstraße
 
  •  —
   
  • Fortführung zum Hbf Mönchengladbach
 
  • Umsetzung erst nach Umbau ZOB möglich über Rathenaustraße und Goebenstraße
  • Verkehrstechnische Untersuchung für eine veränderte Querschnittsaufteilung in der Rathenaustraße für ein besseres Nahmobilitätsangebot
   
  • Verlängerung bis zum Minto
 
  • Umsetzung Stepgesstraße als laufendes Geschäft der Verwaltung in Q1

"Blaue Route"

    Prüfthemen / „Anregungen“   Prüfergebnisse
 
  • Schrägsperrung Webschulstraße
 
  • Sperren durchlässig für den Radverkehr
  • Durchfahrtssperren verlängern Wege für Anwohner*innen
  • Bauliche Änderungen notwendig
    • Bislang keine konkrete Planung
    • Bauliche Anpassung notwendig
    • Baumfällung aufgrund von Schleppkurven
    • Keine Mittel im Haushalt
   
  • Durchfahrtsperre Hochschule
 
  • Errichtung von Diagonalsperren in Höhe Bromberger Straße und Webschulstraße
   
  • Fahrbahn durch Flexpoller abtrennen
 
  • Änderung der Schrägparkern zu Längsparkern
  • Hoher Unterhaltungsaufwand zu erwarten
  • Verkehrssicherheit nicht gegeben
   
  • „Berliner Kissen“
 
  • Lärmbelastung zu erwarten
  • Unkomfortables Überfahren für Fahrräder; Sturzgefahr
  • Mit Konflikten zu rechnen
  • Einbau in dieser Art nicht richtlinienkonform
   
  • Beschilderung Fahrradüberholverbot
 
  • 1,50 m Abstand kann theoretisch eingehalten werden
  • Nutzen fragwürdig
  • Keine Beschilderung, weil gesetzliches Überholverbot für MIV von Fahrradfahrenden auf der Bruckner Allee (ab Nordstraße)
    • Schilderwald, zusätzliche Kosten, Nutzen wird durch Amt 32 in Frage gestellt
    • Daher stärkere Öffentlichkeitsarbeit
       
  • Bauliche Sperrung der Blauen Route zwischen Breitestraße und
    Hauptstraße wegen des Busverkehrs nicht möglich

Südlicher Anschluss

    Prüfthemen / „Anregungen“   Prüfergebnisse
 
  • Verlängerung zum Hbf Rheydt
  • Route via Hauptstraße, Friedrich-Ebert-Straße, Bahnhofstraße
 
  • Führung über die Hauptstraße und Friedrich-Ebert-Straße vorhanden
  • Route über Knotenpunktwegweiseung ausgeschildert
  • Weiter über Bahnhofsstraße, Einbahnstraße ist freigegeben
  • Erweiterung der Radverkehrsanlagen nach Fertigstellung Hbf Rheydt
         

Dass diverse Sachergebnisse schon bei der Auftragserteilung erwartbar/bekannt waren, übersahen die antragstellenden Fraktionen ganz offensichtlich.

Vielleicht haben einige von ihnen gehofft, einen Bericht zu erhalten, den sie möglicherweise vorher nach dem Prinzip: „Ich wünsche eine Untersuchung mit folgendem Ergebnis“ noch hätten beeinflussen können.

In der Sitzung des Ausschusses für Umwelt und Mobilität am 20.01.2022 gab Thomas-Maria Claßen, ehemaliger Sprecher des ADFC Mönchengladbach, für die SPD ein Statement ab, in dem er für einige Prüfergebnisse der Verwaltung Verständnis zeigte, einige kritische Anmerkungen machte und Vorschläge beschrieb.

Polizei Mönchengladbach: »Keine Unfallhäufungsstelle im Bereich der „Blauen Route“«

Für die Jahre 2013 bis 2017 hatte die Polizei Verkehrsunfälle im Straßenzug „Blauen Route“ statistisch aufbereitet, um den Beteiligten einen „Erkenntnisgewinn“ zu ermöglichen. Diese Art der Unfallstatistik (Tabelle) wird nicht mehr geführt.

Im 4-Jahreszeitraum 2018 bis 2021 ereigneten sich insgesamt 85 Verkehrsunfälle, davon 51 mit Sachschäden, wovon 48 dem Bereich „Bagatellschäden“ zuzuordnen sind.

An 23 der 85 Verkehrsunfälle waren Radfahrer, Pedelecfahrer oder Fußgänger beteiligt.

Dabei seien eine Person schwer und zwei Personen leichtverletzt worden.

Das teilte die Pressestelle der Polizei auf BZMG-Anfrage mit.