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Mit der Forderung nach „mehr Flächen“ will sich der Hauptgeschäftsführer der IHK Niederrhein, Jürgen Steinmetz, in den Kommunalwahlkampf 2020 einmischen, kündigte er in einem Interview mit der Mönchengladbacher RP an.

Im Weiteren erkennt man, dass es ihm in Wirklichkeit nicht um die Ausdehnungsoptionen „Gladbacher“ Unternehmen geht, sondern um Neuansiedlungen auf neuen Flächen, das interkommunale Gewerbegebiet Mackenstein und weitere Neuansiedlungen im Regiopark.

Im Interview werden zwar auch Klimaschutz, Begrünung von Dächern und E-Mobile angesprochen, beim Thema „Radverkehr“ weicht Steinmetz geschickt auf das Thema Routen für Schwerlastverkehre aus und lobt den „Masterplan 3.0“, dessen Geschäftsstelle bei der IHK Mönchengladbach angesiedelt ist.

Kein Thema scheint der durch die Neuansiedlungen verursachte Verbrauch von Naturflächen und die damit einhergehende, gesetzlich verpflichtende Ausweisung von Kompensationsflächen innerhalb des Stadtgebietes von Mönchengladbach.

Wer nun glaubt, dass versiegelte Flächen tatsächlich 1:1 „kompensiert“, also ausgeglichen bzw. ersetzt werden, unterliegt einem Irrtum.

Damit, das zu erklären, scheinen sich die Stadtplaner seit Jahren etwas schwer zu tun, obwohl es die gesetz­lichen Regelungen zum Versiegelungsausgleich beispielsweise auf bislang landwirtschaftlich genutzten Flächen schon seit Jahrzehnten gib.

Denn, wo die so genannten „Kompensations­flächen“ liegen, können Interessierte nur mit einigem Aufwand ermitteln. Rückfragen dazu seitens der Fachpolitiker und Ratsmitglieder, die mit der Genehmigung von Bebauungsplänen auch Entscheidungen über diese Flächen treffen, gab es bislang nicht.

Mittlerweile enthält das Geoinformationssystem eine kartographische Darstellung von Kompensationsflächen.

Ein Kataster aus dem die Daten der einzelnen Maßnahmen und deren Zuordnung zu neuversiegelten Flächen hervor gehen, sucht man an dieser Stelle vergebens.

Dem hingegen erhält man nach Klick auf die blau umrahmten Flächen Kurzinformationen, denen u.a. – wenn man Glück hat – zu entnehmen ist, für welchen Bebauungsplan (BPlan) diese Kompensationsflächen zu welchem Zeitpunkt herangezogen wurden.

Nicht dokumentiert sind die Ausgleichsflächen, die für eine Kompensation nicht (mehr) zur Verfügung stehen.

Somit gibt der Plan keine Auskunft zum realen Zustand.

Bei einer dieser Flächen wurden sechs Bebauungspläne mit den entsprechenden Eingriffszeitpunkten festgestellt. Bei nicht wenigen dieser Flächen fehlen diese Angaben gänzlich.

Um festzustellen, bei welchen Versiegelungsmaßnahmen (BPlan) welche Ausgleichflächen „herangezogen“ wurden, muss man im Ratsinformationssystem nach dem entsprechenden BPlan suchen, um der Beschreibung dazu Näheres zu Kompensationsmaßnahmen herauszufinden.

Wie beispielsweise beim BPlan Nr. 761/W zum kürzlich eröffneten Amazon-Verteilzentrum in Rheindahlen.

In diesem BPlan werden insgesamt 5 Flurstücke als Kompensation für die durch diese Planung entstehende Versiegelung und die Maßnahmen erwähnt.

Davon liegen drei in Neuwerk unmittelbar nebeneinander und zwei in Wickrath.

Hierbei handelt es sich um Flächen südöstlich des Verkehrslandeplatzes Mönchengladbach entlang dem Trietbach.

Es ist geplant, die vorhandene Nutzung (Biotoptyp: Intensivwiese / 3.4) in eine artenreiche Mähwiese (Biotoptyp 3.5) aufzuwerten.

Die Aufwertung für diese Maßnahme beträgt 77.694 Punkte.

Auf diesem Grundstück befindet sich der zwischenzeitlich aufgegebene Aschensportplatz, dessen vorhandene Nutzung (versiegelte Fläche / 1.1 und teilversiegelte Fläche / 1.3) in einen der Umgebung angepassten Auwald, (Biotoptyp: Wald mit lebensraumtypischen Baumarten-Anteilen 90-100% / 6.4) aufgewertet werden soll.

Die Aufwertung für diese Maßnahme liegt bei 141.266 Punkten.

Die genannte Fläche liegt zwischen Herrath und Buchholz und wird derzeit noch landwirtschaftlich genutzt (Acker / 3.1).

Die Fläche ist angedacht als Weiterführung für die bereits von Buchholz Richtung Herrath vorgenommene Renaturierung des Mühlenbaches (geplante Maßnahme gemäß Landschaftsplan und Wasserrahmenrichtlinie) mit Ackerbrache, Gehölzgruppen, Gehölzhecken und Baumreihe.

Die Aufwertung für diese Maßnahme beträgt 21.186 Punkte.

Nach welchen Kriterien die Ausgleichflächen / Kompensationsflächen ausgewählt werden, ist nicht festzustellen.

Die Vermutung, dass diese „Kompensationsmethode“ und die Öko-Punkt-Bewertungen eine Art von „Ablass-Handel“ ist, liegt ebenso nahe wie ein Vergleich mit dem Handel mit Emissionsrechten und CO2-Zertifikaten.

Möglicherweise wird diese fragwürdige und dennoch legale Kompensationsmethode von der EWMG auch als Marketingmittel genutzt, um ansiedlungswilligen Unternehmen Mönchengladbach als Standort schmackhaft zu machen.

Die Erläuterungen zur „Qualität“ der Kompensation („es ist geplant“, „aufgewertet werden soll“ und „es ist angedacht“) sind vollkommen unverbindlich gehalten und lassen trotz Datumsnennungen im Geodatensystem keinen Rückschluss darauf zu, ob die Maßnahmen jemals realisiert wurden oder werden.

Zum konkreten Fall

Die Gesamtfläche des Plangebietes für den BPlan 761/W beträgt 22,96 ha (229.600 qm).

Diese soll auf 44.506 qm durch Maßnahmen des Natur- und Landschaftsschutzes „ausgeglichen“ werden.

Da Investoren oder ansiedlungswillige Unternehmen in Mönchengladbach kaum über Ausgleichflächen (in dieser Größenordnung) verfügen, stellt die Stadt in solchen Fällen diese Flächen zur Verfügung und bewertet sie über einem so genanntes Öko-Punktesystem, bei dem letztlich ein EURO-Betrag ermittelt wird, den der Investor / das ansiedlungswillige Unternehmen an die Stadt zu zahlen hat.

Dies geschieht nach einem gesetzlich gestützten Berechnungsverfahren, das Ausgangszustand der Kompensationsfläche mit geplantem Endzustand („Biotopwert“) vergleicht, mit der geplanten Flächengröße miultipliziert und so einen rechnerischen Punkte-Betrag erhält.

Zum BPlan 761/W wurde ein so genannter „Ersatzgeldbedarf“ in Höhe von 754.793 EURO (3,29 EURO/qm) errechnet.

Ob dieser „Ersatzgeldbedarf“ tatsächlich eingenommen wird, und falls ja, in welchen „Topf“ der EWMG oder der Stadt das Geld verschwindet, ist nicht erkennbar.

Den Nachweis über die korrekte Verwendung der Gelder, nämlich ausschließlich für Maßnahmen des Natur- und Landschaftsschutzes, muss die Stadt regelmäßig der Bezirksregierung Düsseldorf übermitteln.

Von besonderem Interesse scheint – wie auch die Lage der Ausgleichsflächen – für die beschießenden Politik nicht zu sein; dementsprechende Rückfragen gab es weder zu diesem noch zu anderen BPlänen, die in die Entscheidungsprozesse eingeführt wurden.

Mehr zu dieser besonderen Art der „Kompensation“ von Versiegelungen enthält der Beitrag von REPORT Mainz vom 20.08.2019 mit dem Titel „Die Ökopunkte-Lüge – wie mit der Natur Kasse gemacht wird“, in dem u.a. am Beispiel AMAZON in Rheindahlen die Problematik anschaulich behandelt wird.

Rechtliche Grundlagen für Ermittlung und Bewertung von Eingriffen und Kompensationen bilden die Standards, die mit Einführung der Eingriffsregelung in das Landschaftsgesetz (LG) NRW im Jahr 1981 entwickelt wurden.

Nach mehreren Novellierungen des Landschaftsgesetzes kommen zur Kompensation der Beeinträchtigung des Naturhaushaltes auch „Pflegemaßnahmen und Maßnahmen einer naturverträglichen Bodennutzung in Betracht, die der dauerhaften Verbesserung des Biotop- und Artenschutzes dienen“.

Diese Vorgabe ist bei der Vielzahl von Eingriffen insbesondere in Offenlandbiotopen sowohl unter dem Blickwinkel der begrenzten Flächenverfügbarkeit landwirtschaftlicher Flächen zur Realisierung von Ausgleichsmaßnahmen als auch der Integration von Kompensationsmaßnahmen in landwirtschaftliche Produktionsprozesse zu betrachten.

Eine Nachfrage zum Öko-Punkte-Bewertungssystem beim BUND Mönchengladbach ergab, dass deren Fachleute nicht selten Diskrepanzen zwischen den Ausgleichsplanungen (in den Bebauungsplänen) und Dokumentationen einerseits und der Realität andererseits festgestellt haben.

Den größten Flächenanteil machten nach Feststellungen des BUND bei Kompensationsmaßnahmen so genannte Wildwiesen bzw. artenreiche Mähwiesen aus.

Wenn auf Düngung und intensives Mähen verzichtet wird, könnten hier bis zu 6 Wertpunkte erreicht werden.

Überwiegend sei man jedoch bei Begehungen auf intensiv bewirtschaftetes und gedüngtes  Grünland gestoßen, das allenfalls die Wertstufe 1 erreichen würde.

„Insgesamt sehen wir für Mönchengladbach eine massive Überbewertung der ausgewiesenen und potenziellen Kompensationsflächen., was mit dem vom Gesetzgeber vorgesehen Ausgleich für Eingriffe in Natur und Landschaft nichts mehr zu tun hat.“, erklärt Heinz Rütten von der Kreisgruppe Mönchengladbach des BUND gegenüber BZMG.

Das sei Augenwischerei, die inzwischen fast bundesweit Schule mache. Das sei jedoch weder Trost noch ein Grund, tatenlos zuzuschauen.

Ob die vielen Überbewertungen, schwer nachvollziehbare Kartierungen von Ausgleichflächen und Mängel bei der Bewertung in konkreten Bebauungsplänen zu rechtlichen Konsequenzen seitens des BUND führen kännen, lässt der BUND zur Zeit prüfen, so Rütten.

Betrachtet mal stichprobenhaft die Eintragungen in der kartographischen Darstellung zu den Kompensationsflächen auf dem Mönchengladbacher Stadtgebiet, kommt man unweigerlich zu dem Schluss, dass viele von ihnen gar nicht mehr als Ausgleichsflächen zur Verfügung stehen können.

Es sei denn, diese Flächen würden mehrfach, also für mehrere Bebauungspläne als Kompensationsmaßname herangezogen.

Ungeachtet dessen, ob das rechtlich überhaupt zulässig ist, würde eine farbliche Unterscheidung im Sinne von „blau = verfügbar, gelb = teilweise noch verfügbar und rot = nicht mehr verfügbar“ wesentlich zur Transparenz beitragen.

Konsequent könnte auch sein, wenn nicht mehr verfügbare Ausgleichsflächen vollkommen aus der Darstellung entfernt würden.

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