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Im gestrigen, dem Hauptausschuss vorgeschalteten Ausschuss für Anregungen und Beschwerden wurde der Antrag des Mönchengladbacher Bündnisses für Soziale Gerechtigkeit behandelt, der sich schwerpunktmäßig mit dem Dauerthema „Bezahlbarer und barrierefreier Wohnraum“ befasste.

Die „Anregungen“, die als Forderungen formuliert sind, lauteten (Zitat):

1.
Der Rat der Stadt Mönchengladbach beschließt eine verbindliche Quote für den sozialen Wohnungsbau, wonach bei allen Neubauprojekten in der Stadt Mönchengladbach mindestens die Summe der Anteile des öffentlich geförderten mietpreisgebundenen und preisgedämpften Wohnungsbaus in jedem Fall 50% ergeben muss, d.h. 50% der Wohnungen im unteren Preissegment liegen und entsprechend mietpreisgebunden sein müssen.

Beschlussvorschlag der Verwaltung:

„Die Anregung wird zuständigkeitshalber an den Ausschuss für Planung, Bauen und Stadtentwicklung verwiesen zur weiteren Beratung im Zusammenhang mit dem Handlungskonzept Wohnen.“

2.
Alle auf ehemals städtischem Boden gebauten Wohnungen müssen stufenlos und schwellenfrei zugänglich sein, d.h. Barrierefreiheit muss Standard werden.

Beschlussvorschlag der Verwaltung:

„Der Anregung wird nicht gefolgt.“

3.
Ebenso soll dem gemeinnützigen Wohnungsbau Vorrang gegenüber dem gewerblichen Wohnungsbau eingeräumt werden. Hierbei ist die stadteigene WohnBau GmbH mit einzubeziehen.“ (Zitat Ende)

Beschlussvorschlag der Verwaltung:

„Die Anregung wird zuständigkeitshalber an den Ausschuss für Planung, Bauen und Stadtentwicklung verwiesen zur weiteren Beratung im Zusammenhang mit dem Handlungskonzept Wohnen.“

Wie sehr das Thema „bezahlbares und barrierefreies Wohnen in Mönchengladbach“ die Bürger beschäftigen, wird in zwei „Wahlprüfsteinen“ deutlich, die der Unabhängigen Kommunalwahlinitiativ „Die BürgerLobbyisten“ zur Weitergabe an die Kandidaten für das Amt des Oberbürgermeisters und an die sie tragenden Parteien zugingen.

(c) BZMG

Hervorzuhebende Aussagen:

Dr. Boris Wolkowski … B90/Die Grünen:

„Sollten die Kosten tatsächlich gleich sein, werde ich mich für eine ausschließlich barrierefreie und seniorengerechte Bauweise einsetzen.“

Stefan Dahlmanns … FDP

„Der politische Einfluss erfolgt in den Aufsichtsräten die politisch besetzt sind.“

(c) BZMG

Hervorzuhebende Aussagen:

Dr. Boris Wolkowski … B90/Die Grünen:

„Was wir seit Jahren als Grüne darüber hinaus beantragen ist bei großen Neubaugebieten erstellen (je ein Drittel, das restlich Drittel ist dann frei verkäuflich). Das wurde von der Groko immer abgelehnt.“

„Ein weiterer Schritt wäre beim Verkauf städtischen Eigentums eine entsprechende Verpflichtung zur Errichtung von Sozialwohnungen aufzunehmen; davon würden dann auch die städtischen Gesellschaften profitieren.“

Stefan Dahlmanns … FDP

„Die Bauleitplanung soll durch private Stadtplaner entwickelt werden, wenn die Stadtverwaltung wegen fehlender Kapazität keine Flächenentwicklung betreiben kann.“

„Anreize schaffen statt Bevormundung. In Bezug auf den sozialen Wohnungsbau haben wir dazu folgende Ideen:

  • Verzicht auf Kanalanschlussbeitrag,
  • Verkauf städtischer Grundstücke 20% unter Bodenrichtwert,
  • Reduktion des Stellplatzfaktors,
  • gebührenfreie Baugenehmigungen und Abnahmen sowie
  • 5-6 geschossige Ausweisung des Baukörpers.“

Felix Heinrichs … SPD

„Wir wollen genossenschaftliches Bauen und alternative Konzepte fördern und bei der Grundstücksvergabe nicht nur auf den gebotenen Preis achten.“

 

In wieweit diese Aussagen „vor der Kommunalwahl“ in die Vereinbarungen der drei Ampelpartner Eingang gefunden haben, lässt sich an diesem Auszug aus dem Kooperationsvertrag ablesen:

(c) BZMG

Das schließt natürlich nicht aus, dass die sehr pragmatisch und möglicherweise relativ leicht zu realisierenden „Anreiz-Ideen“ der FDP in der „täglichen Praxis“ umgesetzt werden.

Die Hoffnung, dass dies so geschieht, sollte jedoch nicht besonders hoch angesetzt werden, weil die Erfahrung zeigt, dass manche Vereinbarungen von dem einen oder anderen Ampelpartner in Mönchen­glad­bach gerne „uminterpretiert“ wird, um den Bestand dieses nach wie vor fragilen politischen Bündnisses nicht zu „gefährden“.

 

Stellungnahme der Fachverwaltung (Dezernat VI) zu den Anträgen Nr. 1 und 3

(c) BZMG

Die Stellungnahme der Verwaltung erweckt den Eindruck, es habe eine Analyse der Situation am Wohnungsmarkt stattgefunden  und die Grundlage für ein integriertes Handlungskonzept erarbeitet worden sei.

Verstärkt wird dieser Eindruck mit dem Hinweis, es habe ein umfangreiches Beteiligungsverfahren stattgefunden, und in der Beratungsvorlage 3864/IX durch den Ratsbeschluss vom 03.07.2019 auf den Weg gebracht worden sei.

Im Rahmen der Ratssitzung wurde auch der Fraktionsantrag der Grünen vom 03.07.2019 mit der Nr. 3993/IX  (Tischvorlage) behandelt.

Laut Niederschrift zu Top 25 wurde die Tischvorlage auf Antrag von B90/Die Grünen einstimmig in den Fachausschuss geschoben.

In wieweit die Umsetzung der beiden Beschlüsse mit welchen Ergebnissen vonstattengegangen ist, lässt sich angesichts einer seit Jahren unzulänglichen Beschlusskontrolle nur schwer feststellen.

 

Stellungnahme der Fachverwaltung (Dezernat VI) zum Antrag Nr. 2

(c) BZMG

Die Begründung zum Antrag Nr. 2 lässt erkennen, dass die Fachverwaltung sich ausschließlich auf die Landesbauordnung NRW und das BauGB „zurückzieht“  und auf vermeintlich sehr geringen eigenen Gestaltungsspielraum abheben möchte.

Dabei vermeidet sie, die relevanten Behindertengleichstellungs­gesetze des Bundes und des Landes NRW auch nur zu erwähnen.

Der Verweis auf das Zivilrecht ist nicht unzutreffend, lässt aber außer Acht, dass Politik und Verwaltung ausreichend Spielräume haben, die erforderlichen Beschlüsse herbeizuführen, um  den Anspruch „Wohnungsmarkt in Mönchengladbach – Auf Vielfalt bauen“ mit Leben zu erfüllen.

Die Behauptung, dass die Durchsetzung von barrierefreiem Bauen dazu führen könnte, dass Investoren wegen der „Mehrkosten“ Abstand nehmen könnten, ist durch nichts belegt, zumal bekannt und fachlich anerkannt ist, dass sich solche „Mehrkosten“ allenfalls im Bereich von ein bis zwei Prozent der Bausumme bewegen.

Der Erklärungsversuch die EWMG sei „zuständig“, läuft ebenso ins Leere, weil dieses Beteiligungsunternehmen der Stadt Mönchengladbach – wie alle übrigen Unternehmungen dieser Art – nicht anderes sind als „ausgelagerte Aufgaben der Verwaltung“ und somit die Zuständigkeit des Rates (und seiner Fachausschüsse) weiterhin auch hier uneingeschränkt fortbesteht.

Hochzufrieden zeigten sich Gerd Lippold und Marco Jansen, die Sprecher des Bündnisses in der gestrigen Ausschusssitzung mit deren Verlauf und vor allem mit der Tatsache, dass der Ausschuss der Empfehlung der Fachverwaltung zum Antrag 2 nicht entsprochen hatte.

Der Fachdezernent, aus dessen Feder die Empfehlungen stammten, hätte wohl gerne gesehen, wenn das Thema „Barrierefreiheit“ im Zusammenhang mit dem Wohnungsbau in Mönchengladbach nicht weiter behandelt werden würde.

Dazu hatte Marko Jansen, Geschäftsführer des Paritätischen in Mönchengladbach, als erster Redner des Bündnisses u.a. festgestellt, dass günstiger barrierefreier Wohnraum auf dem bestehenden Wohnungsmarkt kaum verfügbar ist und besonders ältere Menschen, die nicht mehr so mobil sind, auf Barrierefreiheit angewiesen seien.

„Das, was wir als Bündnis fordern, ist nichts Besonderes. Viele Städte in NRW setzen solche Dinge, wie wir sie anregen, bereits um: Düsseldorf oder Bonn zum Beispiel. … Vieles geht, wenn man will“, war Jansens deutliche Botschaft.

Jansen brachte die Hoffnung des Bündnisses zum Ausdruck, dass „bald schon“ politische Beschlüsse gefasst würden, die das Leben der Menschen in Mönchengladbach spürbar verbessern würden.

Dieses Statement und Lippolds komplementäre Ausführungen hatten dazu geführt, dass sich die Fraktionssprecher der SPD (Jannan Safi), von DIE LINKE (Torben Schultz) und der CDU (Dr. Hans Peter Schlegelmilch) ausgesprochen positiv zu den Zielen des Bündnisses für Soziale Gerechtigkeit und deren fachlich-inhaltliche Vorarbeiten äußerten.

Die Vertreter der Grünen und der FDP blieben stumm.

Gerd Lippold griff den Wohnungsmarktbericht 2021 auf und stellte zum einen fest, dass dort eine durchschnittliche Nettokaltmiete im Bestand von 7,03 EURO pro Quadratmeter und in Neubauten 10,00 EURO pro Quadratmeter aufgerufen werde.

Darüber hinaus würden deutlich mehr Sozialbauwohnungen aus der Preisbindung fallen als neue gebaut würden. Der Wohnungsmarktbericht spreche davon, dass im Jahr 2021 lediglich 29 neue Sozialwohnungen gebaut worden seien.

Mittlerweile lägen die Angebotskaltmieten zwischen 6,25 und 8,50 EURO pro Quadratmeter im Bestand und 11 bis 16,50 EURO pro Quadratmeter beim Wohnungsneubau.

Dies alles führe dazu, dass immer mehr Haushalte in der Stadt auf finanzielle Hilfen bei den Wohnkosten wie z.B. durch Wohngeld, Zuschüsse bei Kosten der Unterkunft oder Zuschüsse bei der Grundsicherung im Alter für Seniorinnen und Senioren angewiesen seien, was auch den städtischen Haushalt zusätzlich belaste.

In diesem Kontext wies Lippold auf die Antwort auf eine wohnungspolitische Anfrage im Deutschen Bundestag hin.

Das „Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung“ hatte im Auftrag des Bundesbauministeriums diverse Daten zusammengetragen und Mietsteigerungen (in der Spitze) vom 13% ermittelt.

Danach zählte Mönchengladbach mit einem Anstieg der Mietkosten in Höhe von 7% zu den zehn kreisfreien Städten mit den höchsten Steigerungsraten.

Lippold schloss mit dem Hinweis auf ein stärkeres Einbeziehen der WOHNBAU und bekräftigte das gesamte Anliegen so: „Meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn man nun auf das in der Beschlussvorlage benannte „Handlungskonzept Wohnen“ schaut, dessen Ziel es eigentlich sein sollte, ausreichend bezahlbaren Wohnraum für „alle Bevölkerungsgruppen“ zur Verfügung zu stellen, so sind wir als Bündnis für soziale Gerechtigkeit der Meinung, dass hierzu noch entsprechender Optimierungs- und Handlungsbedarf besteht.“ (Zitat Ende)

(c) BZMG

Nach dem einstimmigen Beschluss des Beschwerdeausschusses scheint das breite Problemfeld „Bezahlbarer Wohnraum“ in eine neue Phase getreten zu sein und sich der Druck sowohl auf die Fachverwaltung als auch auf die Politiker erhöht zu haben.

Dass der Ausschuss (einschließlich des stimmberechtigten Vorsitzenden Felix Heinrichs) damit die Bonin’sche Ablehnung der Forderungen im Antrag 2 des Bündnisses zur Barrierefreiheit „kassiert“ hatte, ist auch deshalb bezeichnend, weil die Beschlussvorlage von Felix Heinrichs unterschrieben wurde, er also gegen seinen eigenen Beschlussvorschlag votiert hatte.

Es ist natürlich möglich, dass Heinrichs von seinen Genossen zu diesem Abstimmungsverhalten veranlasst wurde.

Bezeichnend ist außerdem die „Sprachlosigkeit“ des Grünen-Fraktionsvorsitzenden Dr. Boris Wolkowski.

Hat er doch dadurch die Chance verstreichen lassen, auf die entsprechende Grünen-Initiative aus dem Jahr 2019 hinzuweisen und die Unterstützung der Grünen-Fraktion bei diesem auch für die Grünen scheinbar so wichtigen Themenkomplex zu bekräftigen.

Dies auch vor dem Hintergrund, dass er zu dem Zeitpunkt, als die Grünen die Tischvorlage gerade zu diesem Thema einbrachten, diese als stellvertretender Fraktionsvorsitzender von B90 mitgetragen haben dürfte.