Unter TOP 31 der Sitzung des Mönchengladbacher Hauptausschusses am 19. September 2013 beantragte die FWG die Aufnahme eines Abschnittes „Belange von Menschen mit Behinderungen und Inklusion“ in alle Beratungsvorlagen.
Die Begeisterung für diesen Antrag hielt sich bei der Verwaltungsspitze und den meisten Parteivertretern im Ausschuss „in Grenzen“.
Und das, obwohl im Jahr 2009 auf Initiative der CDU-Fraktion ein Abschnitt „Auswirkungen auf Kinder- und Familienfreundlichkeit“ eingefügt wurde und seitdem die Verwaltung die Aufgabe hat bei jedem Thema zu prüfen, welche Auswirkungen sich ergeben würden.
Möglicherweise vor diesem Hintergrund hatte die Ausschussmehrheit am 13.09.2013 nicht den „Mut“ den Antrag der FWG abzulehnen und griff daher dankend die Idee des Sozialdezernenten Dr. Michael Schmitz (CDU) auf, man möge „evaluieren“ wie sinnvoll es sei, die „Auswirkungen auf Kinder- und Familienfreundlichkeit“ weiterhin zu bearbeiten.
Ganz offensichtlich in der Erwartung (und Hoffnung), dass die Evaluierung zum Ergebnis kommen würde, zukünftig auf diese Bearbeitung verzichten und in der Folge das Thema „Belange von Menschen mit Behinderungen und Inklusion“ von der Agenda nehmen zu können.
So erhob der SPD-Sprecher im Hauptausschuss, Lothar Beine kurzerhand die Idee des CDU-Sozialdezernenten zum Antrag, dem dann eine Mehrheit gegen die Stimmen von B90/Die Grünen und DIE LINKE (bei Enthaltung der FWG) folgte. (BZMG berichtete: https://news.bz-mg.de/2013-beratungsvorlagen/ )
In der Folge beauftragte der damalige SPD-Oberbürgermeister Norbert Bude die Fachhochschule (FH) für öffentliche Verwaltung in Duisburg mit der Durchführung des Evaluierungsprojektes.
Die acht Projektteilnehmer (Studierende der FH) wurden von Dr. Michael Schmitz geleitet und von Bärbel Braun betreut.
Das Projekt startete mit 6 Fragebögen mit insgesamt 15 grundsätzlichen Fragen
Es wurde am 26.06.2014 abgeschlossen.
Der annähernd 390 Seiten umfassende Projektbericht – incl. 240 Seiten Anhang – (liegt BZMG vor) wurde bislang nicht veröffentlicht.
Das Projektteam kam zu dem Ergebnis, dass der Passus „Auswirkungen auf Kinder- und Familienfreundlichkeit“ in allen Beratungsvorlagen sowohl von den Verwaltungsmitarbeitern als auch von den Politikern als wichtig und „generell notwendig“ angesehen wurde.
Über 75% von ihnen erklärten, dass die Bearbeitung keine Mehrbelastung für sie darstelle und somit nicht wesentlich mehr Zeit aufzuwenden sei.
Fazit (vollständig)
Hinsichtlich der außerordentlichen Wichtigkeit der Thematik Kinder- und Familienfreundlichkeit in der Stadt Mönchengladbach und der aufkommenden Idee im Rat, weitere Prüfkriterien einführen zu wollen, hat sich die Frage nach dem Nutzen des 2009 eingeführten Kriteriums der Auswirkungen auf die Kinder- und Familienfreundlichkeit gestellt.
Somit galt es zu evaluieren, ob sowohl die Mitarbeiter der Verwaltung als auch die Mitglieder des Rates bzw. des Jugendhilfeausschusses bzgl. der Auswirkungen auf die Kinder- und Familienfreundlichkeit sensibilisiert worden sind.
Abschließend werden nun die teils aus Befragungen und teils durch Auswertungen erlangten Ergebnisse zusammengefasst und die Teilergebnisse aus den drei dargestellten Analyseschritten zu einem Gesamtergebnis verknüpft.
Zunächst lässt sich festhalten, dass sowohl die Mehrheit der befragten Politiker als auch die der interviewten Mitarbeiter der Verwaltung das Kriterium als generell notwendig erachtet.
Während jedoch manche Mitarbeiter der Verwaltung es als Selbstverständlichkeit betrachten, dass Kriterium auszufüllen, empfinden andere es eher als Belastung.
Andererseits haben 76,56 % der in den Prozess der Vorlagenerstellung eingebundenen Verwaltungsmitarbeiter angegeben, dass die Bearbeitung keine Mehrbelastung für sie darstelle, sie somit nicht wesentlich mehr Zeit in Anspruch nehme.
Dem entspricht, dass auch die befragten Politiker keine Mehrbelastung bezüglich ihrer Vorbereitungszeit auf die Ratssitzungen bzw. Jugendhilfeausschusssitzungen feststellen konnten.
Möglicherweise könnte aber auch eine mangelnde Motivation der Mitarbeiter dazu beigetragen haben, dass jene das Prüfkriterium zur Kinder- und Familienfreundlichkeit teils unvollständig ausgefüllt haben.
So hat die Mehrheit der befragten Verwaltungsmitarbeiter die Meinung vertreten, dass die Politiker die Ausführungen zum Kriterium nur „manchmal“ bis „gar nicht“ in ihre Entscheidung einfließen lassen.
Dieses Empfinden ist indes von den Mitgliedern des Rates als zutreffend bestätigt worden.
Fast die Hälfte der o.g. befragten Politiker hat angegeben, sich nur „selten“ durch das Kriterium beeinflussen zu lassen.
Die fehlende Motivation könnte somit daher rühren, dass die Mitarbeiter keinen Nutzen in ihren Bemühungen sehen.
Gleichzeitig stellt sich in diesem Zusammenhang die Frage, in welchem Umfang die Ausführungen zu dem Kriterium Kinder- und Familienfreundlichkeit allgemein gewünscht sind.
Dabei müssen die Auffassungen der Politiker, der Vorlagenersteller und der Studierenden, die sich eingehend mit den Beratungsvorlagen beschäftigt haben, abgewogen und auf einen gemeinsamen Nenner gebracht werden.
So könnte der Mangel an einer einheitlichen Vorgabe hinsichtlich des Umfanges und des Inhaltes zu einer Unsicherheit der Mitarbeiter im Umgang mit dem Kriterium geführt haben.
Dazu könnte weiterhin beigetragen haben, wie die Auswertung der Fragebögen der Verwaltungsmitarbeiter und die Befragung der Bürger schon gezeigt hat, dass unterschiedliche Definitionen zur „Kinder- und Familienfreundlichkeit“ bestehen und es sich somit um einen sehr vielfältigen Begriff handelt.
In diesem Zusammenhang kann auch thematisiert werden, ob es möglichweise sinnvoll wäre, die Pflicht zur Darstellung der Auswirkungen auf die Kinder- und Familienfreundlichkeit auf einzelne Fachbereiche zu beschränken.
So haben die Studierenden bei der Auswertung der Beratungsvorlagen festgestellt, dass einige Fachbereiche (z.B. der Fachbereich Beteiligungsmanagement) in der letzten Wahlperiode keinen einzigen Beratungsgegenstand mit Auswirkungen auf die Kinder- und Familienfreundlichkeit zur Beschlussfassung in den Rat eingebracht haben.
Indes haben die Politiker angegeben, dass ihnen v.a. die Ausführungen insbesondere Nennung der Auswirkungen auf die Kinder- und Familienfreundlichkeit erst einmal weiter notwendig ist, um ein Augenmerk auf die die Familien bezogenen Auswirkungen zu legen.
Weiterhin ist die Problematik der Fraktionsanträge behandelt worden.
Während die Mehrheit der befragten Mitarbeiter, der befragten Mitglieder des Jugendhilfeausschusses sowie der Studierenden den Standpunkt vertritt, dass eine Einführung des Kriteriums für Fraktionsanträge sinnvoll wäre, haben sich die befragten Mitglieder des Rates kritisch zu diesem Vorschlag geäußert.
Sie befürchteten einen erhöhten Arbeitsaufwand, der durch die Fraktionen nicht zu leisten sei. Zudem sei ein solches Vorhaben aufgrund der Thematik der Fraktionsanträge nicht notwendig.
Bedenkt man aber, dass in den letzten fünf Jahren rund 25% der Beschlussvorlagen im Rat Fraktionsanträge gewesen sind, kommt den Fraktionsanträgen und der damit verbundenen Problematik eine nicht zu unterschätzende Bedeutung zu.
Aufgrund der in § 62 GO NRW festgelegten Pflicht, dass Anträge der Fraktionen durch die Verwaltung nachbearbeitet werden müssten, könnte aber auch Aufgabe der Verwaltung sein, die Anträge der Fraktionen hinsichtlich des Kriteriums nachzubearbeiten.
Diese Überlegung greift aber dahingehend zu kurz, dass die Einführung des Kriteriums eine Entscheidung des Rates ist und die dort vertretenen Parteien diese Überlegungen auch für ihre eigenen Anträge übernehmen könnten.
Zusammenfassend kann man feststellen, dass sowohl die Mitarbeiter der Verwaltung als auch die Mitglieder des Rates und des Jugendhilfeausschusses sich für die Beibehaltung bzw. Weiterführung des Kriteriums ausgesprochen haben.
Auch die Auswertung der Beratungsvorlagen durch die Projektgruppe deutete zwar auf eine fortgeschrittene Sensibilisierung der Politiker und Mitarbeiter, hat aber ebenfalls erhebliches Verbesserungspotenzial aufzeigen können, die für die zeitweise Weiterführung des Prüfkriteriums spricht.
So hat die Projektgruppe „Kommunale Entscheidungen und ihre Auswirkungen auf die Kinder- und Familienfreundlichkeit“ abschließend die folgenden Entscheidungsvorschläge bzw. Handlungsanweisungen für die Zukunft erarbeitet.
Da, wie erläutert, der überwiegende Wunsch der Mitarbeiter und Politiker zu einer Beibehaltung der isolierten Darstellung der Auswirkungen zur Kinder- und Familienfreundlichkeit tendiert und sich dies mit der Evaluation deckt, würde j eine Empfehlung die Beibehaltung des Kriteriums in den Beratungsvorlagen für eine absehbare Zeit beinhalten.
Dafür spricht ebenfalls kommunalpolitisch, dass es für die Attraktivität einer Stadt einen enormen Stellenwert bei der Bevölkerung ausmacht.
Demnach kann noch eine gewisse Zeit ein besonderer Fokus auf die Kinder- und Familienfreundlichkeit gelegt werden.
Im Anschluss wäre es wünschenswert, dass Kriterium mit in die Begründung einfließen zu lassen, sodass neben den Auswirkungen auf die Finanzwirksamkeit ein anderer Schwerpunkt isoliert betrachtet werden kann.
Damit wird sowohl den Mitarbeitern als auch den Politikern die Möglichkeit eingeräumt, sich hinsichtlich weiterer Themengebiete zu sensibilisieren.
Nach zahlreichen Interviews mit Mitarbeitern der Stadtverwaltung hat sich das Bild abgezeichnet, dass die Vorstellung der Kinder- und Familienfreundlichkeit sehr subjektiv gesehen wird.
Das Projektteam rät deshalb dazu, die Bearbeitung des Kriteriums intensiver zu gestalten.
Hilfreich dafür wäre eine genauere Handlungsanweisung für die Vorlagenersteller.
Natürlich war das Ziel der Einführung des Kriteriums im Jahr 2009 darauf abgestellt, die Stadt kinder- und familienfreundlicher zu gestalten.
Nicht jede Entscheidung der Verwaltung kann ausnahmslos kinder- und familienfreundlich sein.
Aber auch dann müssen die negativen Folgen der Entscheidung bei den Auswirkungen auf die Kinder- und Familienfreundlichkeit betitelt werden.
Tangiert eine Beratungsvorlage die Kinder- und Familienfreundlichkeit sowohl positiv als auch negativ, wird empfohlen eine Abwägung vorzunehmen.
Die Projektgruppe möchte an dieser Stelle noch einmal darauf hinweisen, dass v.a. die negativen Aspekte für die Kinder- und Familienfreundlichkeit derzeit nicht unter dem Kriterium aufgeführt werden.
Diese stellen aber genauso Auswirkungen auf die benannte Zielgruppe dar.
Sinnvoll wäre weiterhin eine Schulung, einen Erfahrungsaustausch oder Workshop für die Vorlagenersteller anzubieten, damit die Ausarbeitungen zu den Auswirkungen auf die Kinder- und Familienfreundlichkeit nivelliert werden können.
In diesem Zusammenhang wird ein Austausch zwischen den Verwaltungsmitarbeitern, die an den Vorlagen mitwirken, angeregt.
Der Inhalt der Schulung sollte mit den typischen Indikatoren der Kinder- und Familienfreundlichkeit sowie mit verschiedenen Beispielen gestaltet werden.
Die Beispiele können aus den vergangenen Beratungsvorlagen und den durch die Studierenden entwickelten Verbesserungsvorschlägen entnommen werden.
Damit kann versucht werden, einen gemeinsamen Nenner für den quantitativen und qualitativen Umfang der Bearbeitung zu schaffen.
Auch die Ausgestaltung verschiedener Auswirkungen könnte sowohl fachbereichsspezifisch als auch fachbereichsübergreifend einen Teil der Schulung bilden.
Im nächsten Schritt könnte neben dem Austausch zwischen den Verwaltungsmitarbeitern auch eine Diskussionsrunde mit den Politikern stattfinden.
In diesem Treffen könnten die Politiker ihre Wünsche und Vorstellungen bzgl. der Ausarbeitung des Kriteriums an die Vorlagenersteller weitergeben.
Damit wäre gesichert, dass die Arbeit der Verwaltung im vollen Maße von den Politikern bei der Entscheidungsfindung in den verschiedenen Ausschüssen und im Rat genutzt werden könnte.
Die Evaluation hat ferner herausgestellt, dass ein erheblicher Teil der Beratungsvorlagen des Rates Anträge der Fraktionen sind.
Die Dienstliche Mitteilung bzgl. des Kriteriums zur Kinder- und Familienfreundlichkeit gilt zwar für die Mitarbeiter der Stadtverwaltung Mönchengladbach aber nicht für Fraktionen.
Demnach sind in der Regel keine Ausführungen zur Kinder- und Familienfreundlichkeit verzeichnet worden.
Entgegen des Wunsches der Ratsmitglieder, die im anonymen Fragebogen gegen die Aufnahme des Kriteriums gestimmt haben, empfiehlt die Projektgruppe den Politikern, aufgrund der Anzahl, diese Regelung auch zu übernehmen.
Selbstverständlich kann es bei einer Umsetzung auch nur als Empfehlung und nicht als Anweisung bezeichnet werden.
Zusammenfassend wäre hinsichtlich der Fraktionsanträge festzuhalten, dass bei einer zeitweiligen Weiterführung des Kriteriums in den Beratungsvorlagen auch dieser Absatz in den Fraktionsanträgen, ob bei Interessenäußerung oder bei Beschlussentscheidung, der Passus zur Kinder- und Familienfreundlichkeit dokumentiert werden sollte.
Extrakt aus dem Fazit
- Kriterium generell notwendig
… sowohl die Mehrheit der befragten Politiker als auch die der interviewten Mitarbeiter der Verwaltung das Kriterium als generell notwendig erachtet. …
- Keine Mehrbelastung
… haben 76,56 % der in den Prozess der Vorlagenerstellung eingebundenen Verwaltungsmitarbeiter angegeben, dass die Bearbeitung keine Mehrbelastung für sie darstelle, sie somit nicht wesentlich mehr Zeit in Anspruch nehme. …
- Mangelnde Motivation
… Möglicherweise könnte aber auch eine mangelnde Motivation der Mitarbeiter dazu beigetragen haben, dass jene das Prüfkriterium zur Kinder- und Familienfreundlichkeit teils unvollständig ausgefüllt haben.
So hat die Mehrheit der befragten Verwaltungsmitarbeiter die Meinung vertreten, dass die Politiker die Ausführungen zum Kriterium nur „manchmal“ bis „gar nicht“ in ihre Entscheidung einfließen lassen. …
- Mangel an einheitlichen Vorgaben
… So könnte der Mangel an einer einheitlichen Vorgabe hinsichtlich des Umfanges und des Inhaltes zu einer Unsicherheit der Mitarbeiter im Umgang mit dem Kriterium geführt haben. …
5. Schulung der Verwaltungsmitarbeiter
… Sinnvoll wäre weiterhin eine Schulung, einen Erfahrungsaustausch oder Workshop für die Vorlagenersteller anzubieten, damit die Ausarbeitungen zu den Auswirkungen auf die Kinder- und Familienfreundlichkeit nivelliert werden können. …
- Einige Fachbereiche beachten das Kriterium nicht
… So haben die Studierenden bei der Auswertung der Beratungsvorlagen festgestellt, dass einige Fachbereiche (z.B. der Fachbereich Beteiligungsmanagement) in der letzten Wahlperiode keinen einzigen Beratungsgegenstand mit Auswirkungen auf die Kinder- und Familienfreundlichkeit zur Beschlussfassung in den Rat eingebracht haben. …
- Nachbearbeitung von Fraktionsanträge durch Verwaltung
… Aufgrund der in § 62 GO NRW festgelegten Pflicht, dass Anträge der Fraktionen durch die Verwaltung nachbearbeitet werden müssten, könnte aber auch Aufgabe der Verwaltung sein, die Anträge der Fraktionen hinsichtlich des Kriteriums nachzubearbeiten. …
Zusammenfassung
Zusammenfassend wäre hinsichtlich der Fraktionsanträge festzuhalten, dass bei einer zeitweiligen Weiterführung des Kriteriums in den Beratungsvorlagen auch dieser Absatz in den Fraktionsanträgen, ob bei Interessenäußerung oder bei Beschlussentscheidung, der Passus zur Kinder- und Familienfreundlichkeit dokumentiert werden sollte.