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Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
sehr geehrter Herr Heinrichs,

mit Mail vom 19.09.2023 antworteten Sie auf die Anfrage von Herrn Wilms (BSK) zur Planung Heinrich-Pesch-Straße. Dieses Sachthema betrachten wir als abgeschlossen.

Als nicht abgeschlossen hingegen betrachten wir Ihre grundsätzlichen Ausführungen zur Berücksichtigung von Stellungnahmen der Vertreter von Menschen mit Behinderungen, beispielweise im Rahmen von Baumaßnahmen unter Federführung der Stadt Mönchengladbach, oder einer ihrer Beteiligungen, wie beispielsweise die NEW mobil und aktiv GmbH oder das gmmg.

Bevor wir näher auf die aktuelle Situation im Zusammenhang mit der Planungen zum ZOB und den dabei wahrzunehmenden organisatorischen und faktischen/fachlichen Schwachstellen (manche sprechen von Dilemma und Debakel) mit Bezug zur Barrierefreiheit eingehen, erlauben wir uns, zur besseren Einordnung auf einzelne Passagen Ihrer Ausführungen in der o.g. Mail näher einzugehen:

Zitat: „Im Zweiten regen Sie an, zukünftig die aufgezählten Organisationen jeweils einzeln zu beteiligen. Diesem Vorschlag kann nur bedingt entsprochen werden:

Mit der Einrichtung der Stabsstelle Inklusion im Jahre 2012/2013 wurde dieser die Aufgabe übertragen, die Beteiligung von Menschen mit Behinderung sicherzustellen, ihnen eine Ansprechpartnerin in der Stadtverwaltung zu bieten und den Abbau baulicher Barrieren voranzutreiben. Um eine zielgruppengenaue Ansprache zu gewährleisten, war auch der Vorstand des VdK an der Konzeption zur Einrichtung der Stabsstelle beteiligt.“ (Zitat Ende)

Richtig ist, dass der damalige Vorstand des VdK-Kreisverbandes in ausgesprochen guter Kooperation nahm der seinerzeitige Sozialdezernent Dr. Schmitz, offensiv den Vorschlag des VdK-Vorstandes auf, im Zuge des anstehenden Personalwechsels die Funktion des Behindertenbeauftragten um das umfassendere Aufgabenfeld „Inklusion“ zu erweitern.

Dr. Schmitz erweiterte darüber hinaus die Funktion „Inklusionsbeauftragter“ um eine fachlich versierte Architektin.

Es entstand eine „Stabstelle Inklusion“, die beim Sozialdezernenten angesiedelt wurde.

Unabhängig davon gründete sich am 01.03.2013 die ARGE Behindertenverbände Mönchengladbach, deren organisatorische Ansprechstelle der VdK-Kreisvorstand wurde.

Dies wurde dem damaligen Hauptverwaltungsbeamten und der Politik mitgeteilt.

Ziel der damals fünf ARGE-Mitgliedsorganisationen war es, gemeinsam die Interessen der Menschen mit den unterschiedlichsten Sinnes- und körperlichen Beeinträchtigungen zu vertreten und dazu die im Laufe der Zeit erworbenen Kenntnisse und Erfahrungen zu bündeln.

Weiterhin war es ein gemeinsames Anliegen, die teilweise sehr schwierigen Rahmenbedingungen für die Betroffenen, zu verbessern und eine gesellschaftliche Teilhabe, im Sinne der UN-BRK, zu ermöglichen.

Mitglieder dieser ARGE konnten Organisationen werden, die ausschließlich ehrenamtlich tätig waren, also weder unmittelbar noch mittelbar mit Organisationen in Verbindung standen, die kommerziell orientierte Aufgaben durchführten.

Die Mitgliedsorganisationen der ARGE behielten ihr volle Eigenständigkeit.

Bis zum Rücktritt aller Mitglieder des VdK-Kreisvorstandes zum 01.01.2017 fanden viele durchweg kooperative Treffen mit einzelnen Fachbereichen der Stadtverwaltung zu anstehenden Planungen statt, an denen die Stabstelle Inklusion als Gast teilnahm.

Durch den Fortfall des VdK-Kreisvorstandes entstand für die Fachbereiche eine „Ansprechlücke“, die die Inklusionsbeauftragte versuchte, durch einen mit den Betroffenenverbänden unabgestimmten so genannten „AK Barrierefrei“ zu schließen, die Koordination der Mitglieder der eigenständigen Organisationen zu übernehmen und den Kreis – ebenfalls unabgestimmt – soweit um weitere Teilnehmer zu erweitern, dass außerhalb der Stabstelle niemand mehr einen Überblick zu haben scheint.

Zitat: „Zur Arbeitsweise der Stabsstelle Inklusion: Die Informationen z.B. der Stadtplanung, der NEW o.ä. werden über die Stabsstelle an die Mitglieder der AG Barrierefrei weitergeleitet, es werden Ihnen 2 – 3 Auswahltermine für weitere Besprechungen und ggfs. Ortstermine unterbreitet.“ (Zitat Ende)

Damit hat sich die Stabstelle in eine Situation gebracht, die sie teilweise sowohl inhaltlich als auch organisatorisch an ihre Grenzen zu bringen scheint, wie häufige Äußerungen der Inklusionsbeauftragten zu entnehmen ist, dass Sie es nicht leisten könne, als „Briefträgerin“, Terminkoordinatorin und Zuarbeiterin für Fachdienste fungieren zu müssen.

Das hielt sie jedoch nicht davon ab, Treffen der Fachbereiche mit den Behindertenvertreter zu leiten und (im Sinne der Verwaltung) zu steuern und darüber hinaus auch noch zu protokollieren.

Letzteres möglicherweise getreu dem Motto „Wer das Protokoll schreibt, hat die Macht über den Inhalt – denn niemals ist absolute Neutralität sicherzustellen“ (Zitat aus einer Mail von 05.08.2022 teilweise im CC: an alle Teilnehmer der sog. „AG Barrierefrei“).

In diesen Kontext sind auch Ihre Ausführungen aus Ihrer o.g. Mail zu setzen:

Zitat: „Das Protokoll wird vom Planungsbereich und der Stabsstelle gemeinsam gefertigt und dann zur Endabstimmung an die Mitwirkenden in der AG Barrierefrei weitergesendet, ebenso das entworfene Testat. Die Mitwirkenden können es dann auf Richtigkeit und Vollständigkeit überprüfen und ggfs. korrigieren.“ (Zitat Ende)

Falls solche Schriftstücke versandt worden sind, dann sind keine „Rückläufer“ bekannt und/oder (erneut) verteilt worden, die Korrekturen enthielten, die nachvollziehbar dokumentiert worden wären.

Beobachtung und Rückfragen bei Teilnehmern ergaben, das korrigierende Rückläufer deshalb nicht zu erwarten sind, weil

  • mache Teilnehmer mit Umfang und Komplexität der Themen überfordert werden,
  • es keine strukturierte und stringente Abarbeitung der Themen gibt
  • kaum Rücksicht darauf genommen wird, dass mache Teilnehmer sich aufgrund ihres aktuellen Gesundheitszustandes auch von der Art der Diskussion überfordert sehen.

Daraus wird verwaltungsseitig auch von einer „schweigenden Mehrheit“ gesprochen und geschrieben und kritische und selbst fachlich fundierte gerne auch einmal ignoriert werden.

Dementsprechend nachgereichte fundierte Stellungnahmen werden (erkennbar „notgedrungen“) entgegen genommen, als lästig empfunden und finden oft in der weiteren verwaltungsseitigen Abarbeitung keine Berücksichtigung, oder werden nach dem Motto negiert, dass die Verwaltung „es besser wüsste“.

… weiter mit einem Zitat aus Ihrer o.g. Mail:

Zitat: „Im Testat werden die einzelnen Meinungen, Anregungen und Vorschläge wiedergegeben und mit einer – möglichst gemeinsamen – Empfehlung versehen. Sollten stark abweichende Meinungen vorhanden sein, können die Vertretenden der AG Barrierefrei eigene Stellungnahmen abgeben.“ (Zitat Ende)

Genau aus den vorbeschriebenen (aber auch aus anderen) Gründen mussten BSK und BSV mehr und mehr dazu übergehen, zu einzelnen Themen solcher Treffen, die Protokolle nicht mehr zu kommentieren oder korrigieren und stattdessen eigene Stellungnahmen zu verfassen und diese oft den fachlich kompetenten (weil zuständigen) Mitarbeitern der Fachbereiche unmittelbar zu senden.

So genannte „Testate“ wurden den Betroffenenvertretern in keinem bekannten Fall „zur Kenntnis“ gegeben und sie erst recht nicht um Stellungnahmen dazu gebeten.

Im verwaltungsrechtlichen Kontext bezieht sich ein Testat auf eine Bescheinigung, Bestätigung oder ein Gutachten, das von einer autorisierten Person oder Institution ausgestellt wird.

Im Kontext mit der meist zur Rede stehenden „Barrierefreiheit“ (im weitesten Sinne) erscheint allein schon der Begriff „Testat“ einigermaßen überhöht zu sein, zumal bei der oft im Fokus stehende Beantragung von Fördermitteln (z.B. für die Finanzierung von Haltestellen durch den VRR) gar nicht erscheint und man in den entsprechenden Förderrichtlinien von notwendigen „Erklärungen“ spricht und darin die Form der „Erklärungen“ beispielhaft beschrieben ist.

Wenn bislang von so genannten „Testaten“ die Rede ist, handelt sich dabei meist um teilweise umfangreiche Stellungnahmen, in die sporadisch Meinungen von Betroffenenvertretern „eingewoben“ sind und die von Fördergebern offensichtlich als „Erklärungen“ akzeptiert werden, woraufhin positive Förderbescheide erteilt werden.

Vielfach wird übersehen, dass ein so genanntes „Testat“ oder auch eine „Erklärung“ in der Planungsphase lediglich eine Bestätigung auf Grundlage von Dokumenten und Planungsunterlagen darstellt.

Die tatsächliche Barrierefreiheit wird erst nach der Umsetzung vor Ort überprüft werden können.

Daher kann ein solches „Testat“ auch nur als Zwischenschritt betrachtet werden, um sicherzustellen, dass die Planung die notwendigen Aspekte der Barrierefreiheit berücksichtigt hat.

Erst nach der Umsetzung werden vor Ort Inspektionen erforderlich sein, um sicherzustellen, dass die Barrierefreiheit in der Praxis gewährleistet ist.

Darauf heben bei genauer Betrachtung auch die Förderrichtlinien ab, in denen deutlich gemacht ist, dass bei Nichterfüllung von Barrierefreiheit gezahlte Fördermittel auch zurück gefordert werden, was im Übrigen nicht nur auf Großprojekte, sondern auch auf vermeintlich kleinere Maßnahmen, wie Haltestellen-Umbauten zutrifft.

Es wäre also ein Fehler, wenn durch ein Planungs-„Testat“ der Eindruck erweckt würde, dass beispielsweise Haltestellen als „barrierefrei“ eingestuft deklariert werden, wenn sie den Mönchengladbach Bürgern noch nicht barrierefrei zur Verfügung stehen.

An dieser Stelle ist es uns der deutliche Hinweis wichtig, dass weder die UN-BRK noch die einschlägigen Behindertengleichstellungsgesetze, noch irgendwelche Verordnungen oder Anweisungen Einschränkungen von „Barrierefreiheit“ in Formulierungen, wie „weitgehend barrierefrei“, „barrierearm“ oder aber „seniorengerecht“ oder andere ähnlich „kreative“ Wortschöpfungen zulassen.

Zum „Verfahren“ führten Sie in Ihrer Antwortmail aus:

Zitat: „Dieses Verfahren ermöglicht dem planenden Bereich eine gute Übersicht der Eingaben zu den Belangen der Barrierefreiheit. So wird sichergestellt, dass Anregungen und Forderungen im gesamten Abwägungsprozess berücksichtigt werden. Wie in vielen anderen Themenfelder gilt es auch hier unterschiedliche und vielfältige Zielgruppen, Anforderungen und Bedarfe übereinander zu bringen.“ (Zitat Ende)

Eine wirklich „gute Übersicht“ erlangt der „planende Bereich“ nur durch einen unmittelbaren fachlichen Austausch mit Betroffenen und ihren Vertretungen, ohne dass es dazu einer „Zwischeninstanz“ bedarf, wodurch sich auch der Abwägungsprozess sowohl für die Fachbereiche als auch für die ehrenamtlich tätigen Betroffenenvertreter effektiver und effizienter gestalten lassen würde.

In diesem Kontext ist auch Ihr letzte Äußerung in Ihrer Antwortmail zu setzen:

Zitat: „Um dieser Aufgabenstellung als Stadtverwaltung gerecht zu werden, wurde Ihrem Antrag auf Stellenausweitung um eine Vollzeitstelle entsprochen.“ (Zitat Ende)

Dazu: Es ist weder beim BSK noch beim BSV bekannt oder in Erinnerung, dass durch uns eine „Stellenausweitung“ in der Stabstelle Inklusion „beantragt“ worden sei.

Zum einen steht es Verwaltungsexternen nicht zu, solche Anträge zu stellen, zum anderen wäre es u.E. aus ablauf- und arbeitsorganisatorischen Gründen zielführender zunächst einmal das Aufgabenspektrum auf Sinnhaftigkeit und Umfang zu überprüfen, um die Überlastung der beiden Mitarbeiterinnen zu vermeiden.

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Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,

auch wenn Ihnen unsere bisherigen Ausführungen zu umfangreich und/oder gar unnötig erscheinen mögen, halten wir diese dennoch für erforderlich, um die Faktenlage beim Umgang mit dem Thema „Barrierefreiheit in Mönchengladbach“ und damit mit den Belangen von Menschen mit Beeinträchtigungen in unserer Stadt sachgerecht einordnen zu können.

Dass wir dazu im Folgenden als Beispiel „ZOB“ näher betrachten, hat weniger mit der Bedeutung und der Aktualität dieses Projektes zu tun, als mehr mit den Erfahrungen, die wir als Behindertenvertreter dabei mit den Organisationsstrukturen und den darin involvierten Akteuren gemacht haben.

Dabei können unter dem Aspekt „Barrierefreiheit“ Rückblicke – beginnend mit dem Start des Projektes – nicht außer Acht bleiben, wobei wir die „Interimslösung“ (Provisorium) und die schon dort festzustellenden Unzulänglichkeiten bei der Barrierefreiheit bewusst überspringen werden.

Über das Vorhaben ZOB Europaplatz wurden wir erstmals am 28.07.2020 im Rahmen einer auf Einladung und unter Federführung der beiden Geschäftsführer der NEW mobil und aktiv GmbH durchgeführten Informationsveranstaltung in deren Räumlichkeiten an der Odenkirchener Straße informiert.

Schon damals verwunderte es, dass die NEW mobil und aktiv GmbH nicht nur für die Durchführung des ÖPNV, sondern auch für alle baulichen Maßnahmen am ZOB zuständig also auch verantwortlich und entscheidungsbefugt hinsichtlich der baulichen Barrierefreiheit sein sollte.

Dies besonders vor dem Hintergrund, dass nach PBefG die originäre (und nicht delegierbare) Zuständigkeit für die bauliche Barrierefreiheit (Bussteige usw.) bei den Straßenbaulastträgern (hier: Stadt Mönchengladbach) und nicht bei Verkehrsunternehmen liegt.

Auf diesen Fakt hingewiesen, wurde seitens der NEW-Geschäftsführung deren Zuständigkeit damit bekräftigt, dass sich der ZOB auf Grund und Boden der NEW mobil und aktiv GmbH befinde und diese per Ratsbeschluss u.a. mit dem Betrieb aller „Nebeneinrichtungen“ (u.a. ZOB) betraut worden sei.

Aus dem in diesem Zusammenhang schriftlich geführte Dialog zwischen BSK und NEW ergab für die Betroffenenverbände, dass die NEW mobil und aktiv GmbH vollumfänglich für die Barrierefreiheit des ZOB zuständig und entscheidungsverantwortlich sei.

Als Konsequenz daraus fanden zwischen BSK und BSV einerseits und NEW mobil und aktiv GmbH andererseits meist schriftlich geführte Dialoge mit Bezug auf Aspekte der Barrierefreiheit beim ZOB statt, in denen an der Entscheidungsverantwortlichkeit der NEW mobil und aktiv GmbH keine Zweifel aufkommen ließen.

Solche Dialoge fanden häufig auch unmittelbar und mittelbar mit dem Büro Lindschulte statt.

Dabei traten häufig unterschiedliche Auffassungen bezüglicher Anwendung rechtlicher und normrechtlicher Vorgaben zutage, die teilweise bislang nicht zu einem Konsens führten und seitens NEW mobil und aktiv GmbH / Lindschulte und/oder Mitarbeitern der Verwaltung in „Protokollen“ solche Dissensen nicht oder unzureichend oder falsch wiedergegeben wurden.

Diese Fakten in Verbindung mit dem o.g. Zitat bezüglich der „Macht“ von Protokollerstellern ließen in weiten Teilen der „Community“ von Menschen, die sich ehrenamtlich in Mönchengladbach für die Umsetzung der UN-BRK und damit für Inklusion und Barrierefreiheit engagieren die Gewissheit wachsen, dass Belange von Menschen mit Beeinträchtigungen bei Entscheidern auf unterschiedlichsten Ebenen eher als Hemmschuh angesehen werden, weil andere Interessen (der Verwaltung) vermeintlich prioritärer einzuordnen sind, als die elementaren Bedürfnisse der Menschen mit Beeinträchtigungen nach Sicherheit und Teilhabe.

Als Erklärungsversuch, warum den sachlich-fachlich begründeten Rechten auf Barrierefreiheit seitens der Entscheider nicht nachgekommen werde, wird gerne angeführt, dass dies das Ergebnis eines „Abwägungsprozesses“ sei.

Fragen danach, was wogegen „abgewägt“ worden sei und mit welche möglicherweise stichhaltige Gründe eine Rolle gespielt haben könnten, werden regelmäßig nicht beantwortet oder mit unwahren Behauptungen abgetan.

Wie beispielsweise in einem aktuellen „Fall“ beim Projekt ZOB, den wir – zum besseren Verständnis – leider etwas ausführlicher beschreiben müssen.

Die NEW mobil und aktiv GmbH steht vor der Aufgabe, die Fläche zwischen dem Bahnhofsgebäude und dem ZOB sachgerecht zu entwässern.

Hierzu wurde eine parallel zum ZOB eine Drainagerinne geplant und diese mit einer gusseisernen Abdeckung auszustatten, die als taktile Leitlinie ausgebildet werden sollte.

Dazu fand am 05.12.2022 eine Bemusterung statt, um die Nutzbarkeit der taktilen Leitlinie durch blinde und seheingeschränkte Menschen überprüfen zu lassen.

Das Muster wurde vom Ingenieurbüro Lindschulte im Auftrag der NEW mobil und aktiv GmbH beschafft und vorgestellt.

Die Prüfung fand mit dem Ergebnis statt, dass die an der Bemusterung teilnehmenden betroffenen Langstocknutzer bezüglich der „Ertastbarkeit“ grundsätzlich keine Einwände hatten.

Das dunkelgraue Farbgebung der vorgestellten Rinnenabdeckung wurde nicht thematisiert.

Elf Monate später, am 08.11.2023, fand auf Einladung der Stabstelle Inklusion ein so genanntes „Abstimmungsgespräch“ zur Aktualisierung des von der NEW mobil und aktiv GmbH initiierten „Sicherheitsaudits“ statt.

Daran schloss sich eine Ortbegehung von vermeintlich barrierefreien Bussteigen an der unteren Hindenburgstraße an.

Zur Überraschung fast aller Betroffenenvertreter wiesen die dort verbauten taktilen Leitelemente die gleiche dunkelgraue Farbe auf, wie die bemusterte Rinnenabdeckung, was zu der einhelligen Bewertung führte, dass die nach DIN-Norm geforderte Kontrastierung gegenüber der übrigen Gehwegfläche nicht gegeben war und abgelehnt wurde.

Gefordert wurden unisono weiße Leitelemente, damit seheingeschränkte Betroffenen (wie im übrigen auch ein anwesender Rollstuhlfahrer) die Bussteige sicher nutzen könnten.

Die anwesende Bereichsleiterin aus dem Dezernat VI erklärte (wahrheitswidrig), dass am 05.11.2022 (!) auch die Farbgebung akzeptiert worden sei.

Wegen der einheitlichen Gestaltung der Gehwegflächen des ZOB gelte diese Farbgebung für den gesamten ZOB und die Rinnenabdeckung gebe es in keiner andere Farbgebung.

Selbst der Projektbeauftragte der NEW mobil und aktiv GmbH und der Behindertenbeauftragte der NEW mobil und aktiv GmbH erkannten die mangelnde Kontrastierung.

Um herauszufinden, ob der Hersteller der Rinnenabdeckung diese auch in anderen Farben herstellen könne, wurde das Ingenieurbüro Lindschulte um Nennung des Lieferanten gebeten; Lindschulte beantwortete die Anfrage nicht.

Stattdessen sandte die Bereichsleiterin aus dem Dezernat VI den entsprechenden Link zum Hersteller der Rinnenabdeckungen mit der Aufforderung, nicht mehr mit „Dritten“ (damit dem Ingenieurbüro) zu kommunizieren, sondern nur noch mit der „Stadt oder der NEW“.

Dass ein solche und ähnliche „Verbotsversuch“ angesichts der Eigenständigkeit von Verbänden wirkungslos bleiben werden, liegt auf der Hand.

Zurück zur Sache: Auf (einfache) Nachfrage beim Hersteller bestätigte dieser, dass sehr die Abdeckungen sehr wohl in sämtlichen Farben der RAL-Skala – und damit auch in weiß – geliefert werden könnten.

Damit war bewiesen, dass die Behauptung der Bereichsleiterin offensichtlich unwahr war.

Dies wurde gegenüber dem Projektbeauftragen der NEW mobil und aktiv GmbH im Rahmen des fortgeführten schriftlich geführten Dialoges mit Bezug auf Aspekte der Barrierefreiheit beim ZOB dokumentiert.

Dieser erklärte schriftlich antwortend:

Zitat: „Als Bauherr übernimmt die NEW m+a die Verantwortung der Baumaßnahme. Entscheidungshoheit über die öffentlichen Verkehrsflächen hat ausschließlich die Stadt MG im Rahmen ihrer Straßenbaulastträgerschaft.“ (Zitat Ende)

Dies würde bedeuten – so die Schlussfolgerung aus dem o.g. Zitat – dass die bauliche Barrierefreiheit des ZOB (incl. der Unterstände) ausschließlich durch die Stadt Mönchengladbach zu gewährleisten ist.

Diese Schlussfolgerung wurde dem Projektbeauftragen der NEW mobil und aktiv GmbH so mitgeteilt und von diesem bestätigt:

Zitat: „…dem Grunde nach kann ich Ihre Schlussfolgerungen bestätigen.“ (Zitat Ende)

Das bedeutet, dass von Beginn an sowohl den Behindertenvertreter als auch Politik und Öffentlichkeit fälschlicherweise die vollumfängliche Kompetenz (im Sinne von Zuständigkeit, Durchführung, Entscheidung und Verantwortung) beim Thema „Barrierefreiheit ZOB Europaplatz“ suggeriert worden war.

Das kann aber auch weiter bedeuten, dass nicht die NEW mobil und aktiv GmbH den Förderantrag beim VRR für den ZOB hätte stellen dürfen, sondern die Stadt Mönchengladbach in ihrer Zuständigkeit als Straßenbaulastträger.

Dass die NEW mobil und aktiv GmbH diesen Antrag gestellt und den Zuwendungsbescheid erhalten hatte, geht aus der Pressemitteilung vom 08.12.2021 hervor:

Zitat: „Heute hat der VRR einen Zuwendungsbescheid in einer Höhe von 4.967.900 Euro an die NEW mobil und die aktiv Mönchengladbach GmbH ausgestellt. Die VRR AöR unterstützt mit diesen Fördermitteln nach §12 ÖPNVG NRW den barrierefreien Neubau des Zentralen Omnibusbahnhofs (ZOB) am Europaplatz am Hauptbahnhof in Mönchengladbach. … Der heutige Förderbescheid umfasst den Neubau des ZOB´s am Europaplatz mit 17 Bushaltestellen für Gelenkbusse, 9 Bushaltestellen für Einfachbusse, zwei Warteflächen, 25 digitale Informationsanzeigen und zehn unterschiedlich großen Wartehäusern sowie der zentralen Fahrbahn.“ (Zitat Ende)

Deutlich erkennbar ist auch daraus, dass die Förderung sich ausschließlich auf die bauliche Barrierefreiheit bezieht.

Ein weiterer „Zuständigkeitskonflikt“ schwelt seit Bekanntgabe des geplanten „Endzustandes“ des ZOB durch die NEW mobil und aktiv GmbH bei der Frage der Sicherheit von blinden und seheingeschränkten Menschen und deren evtl. Haftung beim Queren der Busstraßen in Höhe des VitusCenters.

Hier „weigert“ sich die NEW mobil und aktiv GmbH, den (berechtigten) Forderungen des BSV zu entsprechen, den potenziell Betroffenen nachzukommen und an diese kritischen Stellen entsprechende LSA (Lichtsignalanlagen) vorzusehen.

Neben vermuteten Beeinträchtigungen des Betriebsablaufs am ZOB scheinen hier Investitionskosten für solche LSA eine große Rolle zu spielen.

In ausführlichen Schriftverkehren mit der NEW mobil und aktiv GmbH versuchte der BSV (auch mit Unterstützung des NRW-Landesverbandes der blinden und sehbeeinträchtigten Menschen) den Planenden die im Kern zwei Problembereiche nahezubringen:

  1. Sicherheit und Unversehrtheit von Blinden und Seheingeschränkten beim Queren der Fahrbahnen und
  2. Haftungsrechtliche Auswirkungen für Blinde und Seheingeschränkte, die mangels Wahrnehmungsmöglichkeiten nach dem bekannten „zwei-Sinne-Prinzip“ auf die Fahrbahn treten, verunfallen und dabei andere Verkehrsteilnehmer in Mitleidenschaft ziehen könnten.

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,

obwohl im Zusammenhang mit Inklusion und Barrierefreiheit im Mönchengladbach noch diverse weitere Faktendarstellungen möglich wären, wollen wir es an dieser Stelle bei diesen Petita belassen.

  1. Entbinden Sie die NEW mobil und aktiv GmbH von den Aufgaben bezüglich der baulichen Barrierefreiheit für den ZOB Europaplatz
  2. Veranlassen Sie, dass die Stellen in Ihrer Verwaltung, die für die Funktion „Straßenbaulastträgerschaft“ entscheidungsverantwortlich sind, diese zu übernehmen
  3. Entbinden Sie die Stabstelle Inklusion von Koordinations- und Organisationsaufgaben, die originär der Funktion „Straßenbaulastträgerschaft“ zuzuordnen sind
  4. Stellen Sie sicher, dass die Betroffenenvertreter ausschließlich mit den Verwaltungsmitarbeitern kommunizieren können, die themenbezogen fachlich zuständig und entscheidungskompetent sind
  5. Stellen Sie sicher, dass die Betroffenenvertreter kontinuierlich an den so genannten „Abwägungsprozessen“ zum Themenfeld Inklusion und Barrierefreiheit partizipiere
  6. Veranlassen Sie bitte, dass die schon verlegten, taktilen Leitelemente in grauer Farbgebung durch weiße, also sicher kontrastreiche Leitelemente ersetzt werden. Dies auch, wenn die (unbestätigten) Vermutungen zutreffen sollten, dass die Lieferung der Leitelemente in grauer Farbgebung an die NEW mobil und aktiv GmbH schon abgeschlossen sein sollte.

Abschließend noch der Hinweis, dass sämtliche in diesem Schreiben erwähnten Fakten dokumentiert vorliegen und bei Bedarf auch zur Verfügung gestellt werden können.

Wir würden uns freuen, bald von Ihnen zu hören und grüßen Sie freundlich.

 

gez. Albert Sturm                                          gez. Horst Schulz