Medienunternehmen und -redaktionen in Deutschland werden immer wieder von auf Presserecht spezialisierten Anwälten unter Druck gesetzt.
Seit einigen Jahren versuchen vor allem Prominente und Unternehmen mithilfe von Anwält*innen, die Berichterstattung bereits im Vorfeld, also schon während der Recherche, zu verhindern – beispielsweise durch Drohschreiben, in denen vor den rechtlichen Konsequenzen einer Berichterstattung gewarnt wird.
Diesem Wandel und der Frage, inwiefern die neuen strategischen Ansätze erfolgreich sind, sind Tobias Gostomzyk, Professor für Medienrecht an der TU Dortmund, und Daniel Moßbrucker, freier Journalist und Doktorand, in der Studie „Wenn Sie das schreiben, verklage ich Sie!“ nachgegangen.
Für die empirische Pionierarbeit wurden zahlreiche Quellen ausgewertet und intensive Gespräche mit Journalist*innen und Anwält*innen geführt.
Die 96-seitige Studie wurde von der Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) und der Otto Brenner Stiftung (OBS) unterstützt.
Das gemeinsame Fazit von Autoren und Förderern: Das Unterlassen juristischer Gegenwehr durch Medienunternehmen schwächt die Meinungs- und Pressefreiheit.
„Zwar führen anwaltliche Drohschreiben bei den meisten Journalistinnen und Journalisten nicht zur Einschüchterung oder gar Selbstzensur“, sagte Tobias Gostomzyk am Donnerstag bei der Vorstellung der Studie in Berlin.
„Doch vor allem bei Medienunternehmen, deren finanzielle Lage angespannt ist, sinkt seit einigen Jahren die Bereitschaft, kostenintensive Gerichtsprozesse zu führen.“
Neben der Analyse skizziert die Studie auch Lösungsansätze und stellt Handlungsempfehlungen zur Diskussion. Autor Daniel Moßbrucker schlägt vor, dass „Medien sich selbst verpflichten sollten, Verfahren von grundsätzlicher Bedeutung höchstrichterlich gerichtlich klären zu lassen – und sich so gemeinsam für die Meinungs- und Pressefreiheit einsetzen.“
„Wenn Verlage kleinbeigeben, anstatt presserechtliche Streitigkeiten vor Gericht auszufechten, ist das in zweierlei Hinsicht fatal. Vorschnelle Unterlassungserklärungen gefährden nicht nur eine kontinuierliche kritische Berichterstattung, sondern führen auf lange Sicht auch zu einer Verschiebung des Presserechts zulasten der Pressefreiheit“, fasst die Juristin Sarah Lincoln von der GFF ihre Schlussfolgerung aus Sicht der Förderer der Studie zusammen.
Für die Studie wurden unter anderem über 40 Journalisten, 20 führende Presserechtler, Justitiare von über 20 Medienunternehmen sowie zahlreiche Fachanwälte für Urheber- und Medienrecht befragt.
„Mit der Studie liegen erstmals aussagekräftige und überprüfbare Daten darüber vor, welche Folgen die Drohschreiben von Anwält*innen gegenüber Medien haben“, hebt Jupp Legrand von der Otto Brenner Stiftung hervor.
Vor dem Hintergrund der Ergebnisse fordert die OBS eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen: „Redaktionen und freie Journalisten müssen auch in Zukunft“, so OBS-Geschäftsführer Legrand, „ohne Sorge vor rechtlichen Risiken recherchieren und ihren Job machen können.“